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Reisegruppen – die schrägsten Typen

Manchmal sind sie bunt zusammen gewürfelt, manchmal sind nur Leute dabei, die sich schon lange kennen. Reisegruppen können mal so, mal so zusammengesetzt sein. Ich erlebe sie vor allem bei Pressereisen, da kommen Kollegen zusammen, die sich vorher nicht kennen, aber nun ein paar Tage gemeinsam verbringen wollen, können, müssen. Meine Beobachtung: Es gibt immer dieselben Typen in Reisegruppen. Eine Erfahrung, die sich auch bei Chorreisen bestätigt hat. Hier sind meine nervigsten Reisegruppen-Typen:

Der Hilfslose:

Wahlweise Mann oder Frau. Sobald er in der Gruppe angekommen ist, lässt er sich in sie hineinfallen. Wann treffen wir uns morgen früh? Vergessen, er ist nicht da, hat die Zeit verpeilt. Wir brauchen jetzt den Reisepass. Ja, wo ist er denn? Der Typ hat nichts zu trinken dabei, während die Sonne vom Himmel brennt, oder die Batterien seiner Kamera sind leer und Ersatz ist in seiner Tasche nicht zu finden. Nach ein oder zwei solchen Erlebnissen beginnt die ganze Gruppe, stets für den Hilflosen mitzudenken. Und er lässt es sich gern gefallen. Irgendjemand nimmt ihn immer bei der Hand, damit er nicht verloren geht, alles dabei hat, was gerade benötigt wird, und pünktlich am Treffpunkt ist. Allmählich fragt man sich, wie er es alleine zum Abreiseort geschafft hat. Und nach der Rückkehr überlegt man sich auf dem Flughafen, wenn alles auseinander strömt, ob er wohl heil wieder nach Hause kommt. Was dann keiner mehr sieht: Der Hilflose ist durchaus lebenstüchtig, wenn es sein muss. Aber es ist doch so schön, die anderen für sich mitdenken zu lassen.

Die Übermutter:

Eine vorwiegend weibliche Spezies. Sie sucht – und findet – schnell Opfer, denen sie in jeder Lebenslage zur Hand gehen kann. Sie bemuttert jeden, der bei drei nicht auf dem Baum ist. In ihrer riesigen Handtasche verwahrt sie Medikamente für jedes Wehwehchen, sie ist stets mit einem ordentlichen Vorrat an Mineralwasser und guten Ratschlägen ausgestattet und versucht vehement, lebenstüchtige Erwachsene zu hilflosen Kindern zu degradieren. Am besten kommt man mit diesem Typ zurecht, wenn man die Übermutter mit dem Hilflosen zusammen spannt. Und wehe den anderen, wenn einer von diesen beiden in einer Gruppe fehlt. Entweder beide oder keinen.

Kennichschon-warichschon-habichschon:

Eine sehr unangenehme Spezies, überwiegend in männlicher Form anzutreffen. Typen, die alles, aber auch wirklich alles wissen und können, und das auch noch besser. Egal, was das Programm bietet, der Kennichschon hat das alles bereit gesehen, und an dieses frühere Erlebnis kann das gerade gebotene nun gar nicht heranreichen. Das macht er auch immer wieder deutlich, gern mit den Worten, die ihn beschreiben: Kenne ich schon, da war ich schon, das habe ich schon.

Der Genießer:

Auch diese Spezies ist in beiden Geschlechtern zu finden. Sie pflegt die überfeine Lebensart bis hin zur Karikatur. Der Genießer hat den größten Koffer im Schlepptau, schließlich verlangt das abendliche Dinner Anzug und Krawatte mit passenden Schuhen, Manschettenknöpfen oder aber das kleine Schwarze, gern mit Perlenkette. Während der Rest der Gruppe noch mit Jeans und Windjacke auf Besichtigungstour ist, zieht sich der Genießer vorzeitig ins Hotel zurück, um sich auf den Abend einzustimmen. Beim Essen wird der Wein mit Kennermiene im Mund herumgegurgelt, das Fleisch in Ministreifen seziert und mit verzückt nach oben gedrehten Augen und abgespreiztem Zeigefinger zum Munde geführt. Sollte jemand bei Tisch den Fotoapparat zücken, wird er mit erhobenem Zeigefinger zur Ordnung gewiesen: Jetzt nicht, das zerstört die ganze Stimmung. Lieber schwärmt der Genießer stattdessen von seinem Landsitz in Frankreich. Wer genauer hinhört, entdeckt aber schnell Löcher in seinen Geschichten.
Diesem Typ habe ich bereits eine Glosse gewidmet:

In Vino Wichtigkeit

Der Chaot:

Verwandt mit dem Hilflosen, aber im Gegensatz zu diesem nicht auf Hilfe angewiesen. Er kriegt immer gerade noch die Kurve, wenn auch spät. Und das ist wörtlich zu nehmen. Während alle anderen beim Frühstück sitzen, dreht sich der Chaot noch einmal im Bett um, um dann mit nassen Haaren, unrasiert, aber mit einem Kaffeebecher in der Hand doch noch rechtzeitig beim Treffpunkt zu sein. Ähnlich ist es, wenn es zurück zur Unterkunft geht. Während alle schon im Bus sitzen, entdeckt der Chaot noch ein schönes Fotomotiv, um dann durch die sich schließenden Türen zu hasten. Meistens mit einem jungenhaften Grinsen auf dem Gesicht. Alles gut!

Die Extrawurst:

Madame hat immer etwas zu meckern und braucht immer eine Extrawurst. Im Bus muss sie ganz vorne sitzen, im Hotel muss es unbedingt Antiallergiker-Bettzeug sein, und an der Organisation hat sie – manchmal ist es auch ein er – ständig etwas zu bemäkeln. Sie kann wegen angeblicher und wirklicher gesundheitlicher Einschränkungen die Hälfte des Programms nicht mitmachen. Schon am Flughafen sondert sich die Bestellerin der Extrawurst von der Gruppe ab, ohne sich richtig abzumelden. Sie checkt ein, bevor der Rest der Gruppe da ist, so dass recherchiert werden muss, ob sie schon an Bord ist oder noch fehlt. Gilt es im Beisein der Gruppe das Gepäck umzupacken, macht sie das in aller Seelenruhe drei Mal neu, obwohl alle anderen drumherumstehen, schon fertig sind und ungeduldig von einem Fuß auf den anderen treten. Gerne meckert die Dame auch über das Gastland, möglichst laut und so, dass alle es hören können. Überhaupt ist alles nicht richtig, wird auf ihre Bedürfnisse keine Rücksicht genommen. Ihr Genörgel ist so nervtötend, dass alle anderen die Augen verdrehen, wenn sie nur den Mund aufmacht. Gut, dass ab und zu doch mal jemandem der Kragen platzt. Das ist allerdings ein neuer Grund der Dame, beleidigt zu sein. Völlig verkannt fühlt sie sich.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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