Fliesen: Kindheit an der Wand
Fliesen sind wie alles andere Moden unterworfen. Nicht so schnelllebig wie Klamotten, aber doch sicht- und nachvollziehbar. In den 1960er-Jahren waren einfarbige Fliesen in schlüpferrosa, mintgrün, kükengelb und himmelblau schwer angesagt. Meine Eltern hatten diese schlichten Fliesen in ihrem Haus in Küche, Bad und Klo an die Wände kleben lassen.
20 Jahre später waren schnöde, einfarbige keramische Wandkleider längst mega-out. Muster mussten es sein, bevorzugt schietebraune, verschnörkelte Motive auf nicht weniger schietegelbem Untergrund.
Gerne auch noch mit Kuhfladen-Grün und etwas düsterem Orange aufgepeppt. Diese geschmacksverirrte Wandverkleidung ist mal in Kiel zur Kult-Kachel erhoben worden, die für einen guten Zweck verkauft wird.
Fliesen von heute
Heute sind Fliesen groß, sehr groß, gerne reinweiß, es gibt aber auch Exemplare, die wie gebürstetes Metall, wie Holz oder Beton aussehen. Ihre Kanten sind „rektifiziert“, sprich so zugeschnitten, dass sie fugenlos verlegt werden können. Ich wage mal die Voraussage, dass in 30 Jahren jeder diese Dekore problemlos im richtigen Jahrzehnt verorten kann.
Übrigens: Die Kuhfladen-Fliesen sind für mich nicht Kult, sondern eine Design-Katastrophe. Aber die rosa und hellblauen 1960er-Jahre-Fliesen fühlen sich so heimatlich an. Denn aller Mode zum Trotz sehe ich sie noch manchmal. Sie sind wahrlich Kult. Kindheits-Kult.