erlebt,  Pyropro

Die wahrscheinlich kleinste Bücherei der Welt

Bücher nehmen gefangen. Büchereien oder Bibliotheken eher nicht. Sie sind offene Orte. Dennoch gibt es Büchereien in Zellen. Und damit meine ich keine Gefängnisbüchereien. Eine Bücherei in der Zelle habe ich jetzt gefunden. In einer Telefonzelle.

Die Mini-Bibliothek am Wegesrand.
Die Mini-Bibliothek am Wegesrand.

Sie steht in Staufenberg-Escherode, einem kleinen Dorf mit 1000 Einwohnern im südlichsten Zipfel Niedersachsens, ganz in der Nähe von Kassel. Das Prinzip der Lesezelle ist einfach: Wer ein Buch hineinlegt, darf eines herausnehmen. Das Angebot in der Zelle ist bunt gemischt, wie ein Blick in die Regale beweist.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Lese-Angebot.
Ein kleiner Ausschnitt aus dem Lese-Angebot.

Die Idee der zur Bücherei umfunktionierten Telefonzelle ist hinreißend. Liebevoll spleenig, ein bisschen abstrus, und ein überraschendes Lese-Zeichen, das das Herz erwärmt. Überraschend jedenfalls für mich, so etwas hatte ich noch nicht gesehen.
Dabei sind Mini-Bibliotheken in ausrangierten Telefonzellen, an Bushaltestellen und sogar in begehbaren Litfaßsäulen gar nicht so selten, wie ein bisschen Google-Recherche beweist. Wikipedia hat eine ganze, wenn auch unvollständige Liste solcher Mini-Bibliotheken veröffentlich, mit genauer Beschreibung, Standort, Betreiber und weitere Anmerkungen, etwa zu den Öffnungszeiten. Viele davon sind rund um die Uhr geöffnet. Und viele funktionieren nach dem Modell meiner Telefonzelle in Escherode: Wer ein Buch mitnehmen möchte, muss eines hinein legen. Eine weitere Liste mit öffentlichen Bücherschränken hat das Portal „Tauschgnome“ veröffentlicht, einschließlich Suchfunktion nach Bundesland und Postleitzahl.

Da tun sich zwei Probleme auf: Wer zufällig auf eine Mini-Bibliothek stößt, hat meistens kein Tauschbuch dabei. Ungelöst ist auch die Frage, wie die Mini-Bibliotheken im Zeitalter der immer mehr aufkommenden E-Books funktionieren. Aber seien wir ehrlich: Die Idee ist so schön spleenig-altmodisch, da können wir auf die E-Book-Frage getrost pfeifen.

Was das Fehlen eines Tauschbuches angeht, so gibt es eine Lösung. Die findet sich in meiner Bücherzelle als Eintrag im Gästebuch.

Ds Versprechen im Gästebuch.
Das Versprechen im Gästebuch.

Die nächste Gelegenheit für mich liegt noch in weiter Ferne. Deshalb habe ich mich nur an dem Bücherhäuschen erfreut, das tolle Design-Buch, das dort stand, aber stehen lassen. Ich wüsste nicht, wann ich das Tauschversprechen einlösen kann, und mitgehen lassen wollte ich das Buch nicht. Das würde ja völlig der zauberhaften Idee der Mini-Bibliotheken widersprechen.

Mehr über die Escheröder Miniaturbücherei steht hier und hier.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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