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Der Notenverschenker

Über das schwierige Urheberrecht bei Noten und die Nischen, darüber, wie Chöre und Kirchenmusiker an freie Noten kommen, habe ich hier schon mehrmals berichtet. Jetzt möchte ich einen Mann vorstellen, der Noten verschenkt – und dafür viel Arbeit investiert. Manfred Hößl, Kirchenmusiker in Neumarkt – St. Veit, betreibt eine Webseite, auf der er Noten zum kostenlosen Download bereitstellt. Besonders widmet er sich der Kirchenmusik Süddeutschlands des 19. Jahrhunderts. Ich habe mit Manfred Hößl ein Interview geführt.

Sitzt lieber am Klavier als vor dem Fernseher: Manfred Hößl
Sitzt lieber am Klavier als vor dem Fernseher: Manfred Hößl

Seit wann gibt es die Seite mhoessl.de mit der Möglichkeit, Noten für die nichtkommerzielle Nutzung herunterzuladen?
Seit ca. 1998.

Was hat Sie dazu bewogen, dieses Angebot ins Leben zu rufen?
1988 kam ich an die Kirchenmusikerstelle in Neumarkt – Sankt Veit. Dies ist eine eher ländlich geprägte Gemeinde, bei der ich weder beim Chor noch bei den Gottesdienstbesuchern mit der damals bei Verlagen erhältlichen Literatur ankam. Ich war also auf der Suche nach Alternativen. Ich fand heraus, daß wir einen reichen Schatz an Noten mit Werken in unserem Archiv hatten, die mir wesentlich besser vermittelbar und machbar erschienen, nur waren sie in der Form, wie sie mir vorlagen kaum nutzbar – keine Partituren, Chorstimmen in alten Schlüsseln, zum Teil nur Handschriften. Es war auch gar nicht so leicht, an Hand der Einzelstimmen sich ein genaues Bild von den Kompositionen zu machen. Da es inzwischen die Möglichkeit des Notensatzes am Computer gab, machte ich mich daran, eines nach dem anderen in Partitur zu setzen – schon allein aus Neugier, diese Literatur kennen zu lernen, die in unserer Ausbildung keine Rolle spielte. Ich begann Gefallen zu finden und es fand sich immer wieder etwas, das für meinen Chor gut machbar war und von der Gemeinde dankbar angenommen wurde. Es sammelte sich auf jeden Fall schon eine Menge an Bearbeitungen an, und so gegen 1998, als das Internet auch bei uns gut erreichbar war, kam bei mir der Gedanke: „Warum sollen diese Dateien nur bei mir auf der Festplatte rumliegen, die können auch für Andere nützlich sein!“ So entstand, erst ganz klein, die Webpräsenz.

Wie hat es sich seitdem entwickelt was die Downloadzahlen angeht?
Downloadzahlen lassen sich schwer ermitteln, aber ich habe zu Zeit im Schnitt ca. 500 Besucher pro Tag auf meiner Seite. Die Entwicklung? Nun, es dürfte wenig überraschen, dass es mit wenig anfing – wie bei vielen, machten auch bei mir erst mal die Googlebots den Haupttraffic – und immer mehr wurde. Einen großen Sprung gab es, als meine Dateien auf www.cpdl.org gelistet wurden. Seit etlichen Jahren sind meine Dateien auch als Drucke bei www.bnote.de erhältlich, zudem auch bei einigen anderen Seiten wie z.B. www.musicalion.de gelistet.

Wie groß ist die geografische Verbreitung, in welchen Ländern wird die Seite in Anspruch genommen?
Das kommt eigentlich von überall her, wo es Kirchenmusik gibt, auf Grund meiner speziellen Literatur vor allem aus dem katholischen Bereich. Aber auch der nichtkirchliche Bereich ist vertreten,so hatte ich schon einigen Kontakt mit einer Kinderchorleiterin in Jakarta. J. Pulda aus Litomerice, CZ, hat mir sehr viele Noten zugeschickt, er ist Musiker und Sekretär des Bischofs und hat die Chorliteratur von Kirchen, die aufgelöst wurden gesammelt…
Die wohl interessanteste Geschichte in diesem Zusammenhang: Ich hatte die 3. Messe von Hummel in der Version unseres Archiv online gestellt, die leider gekürzt war. Unter den erstaunlich vielen Nachfragen wegen der Kürzung fand sich ein Chorleiter aus Detroit, der mir die ganze Partitur zusenden konnte. Etwa ein halbes Jahr, nachdem ich die originale Version online gestellt hatte, erhielt ich eine CD mit der Aufnahme eines Konzerts mit dieser Messe in Neuseeland.
Anderes Beispiel: Ein italienischer Chorleiter fragte mich, was ich von der Interpredation meiner Kümmernismesse eines mexikanischen Chores auf Youtube hielte.

Die Seite sieht nach viel Arbeit aus. Wie viel Zeit investieren Sie in dieses Angebot und wie ist das neben der alltäglichen Arbeit zu schaffen?
Nun, wenn ich die ganzen Stunden zusammenzählen würde, käme natürlich eine bombastische Zahl heraus, aber das ergibt sich auch aus der langen Zeit, über die hinweg ich das schon mache. Rechnen Sie mal, was bei gut 15 Jahren täglich ca. 3 Stunden rauskommt.
Ich investiere da einfach die Zeit, die ich dadurch gewinne, dass kein Fersehen anschaue. Zudem kann ich einen Teil dieser Arbeit auch beruflich für meinen Chor nutzen. Hinzu kommt noch, daß ich durch die viele Übung recht schnell arbeite, der Zeitaufwand für ein Werk ist nicht so groß, wie viele meinen.

Überall im Web tobt die Urheberrechtsdiskussion. Wie stellen Sie sicher, dass Sie mit Ihrem Angebot keine Urheberrechte verletzen?
Zunächst ganz einfach: 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten erlischt das Urheberrecht, ich arbeite an Werken, die aus den 19. Jh. stammen… Ein kleines Restrisiko bleibt gelegentlich, da bei vielen Komponisten keine Lebensdaten zu finden sind (es sind erschreckend viele!). Normalerweise lässt sich ein Werk stilistisch doch halbwegs in eine Zeit einordnen, aber es könnte ja mal einer recht altbacken komponiert haben und zudem sehr alt geworden sein… Nebenbei auch eine recht zweifelhafte Auswirkung des Urheberrechts: Selbst wenn kein Verlag ein Interesse hat, diese Werke wieder zu veröffentlichen, es reicht der Umstand, daß einer die Rechte hat – oder auch nur, dass vielleicht noch ein entfernter Verwandter irgendwo lebt – dafür, dass es eher nicht ratsam ist, dieses Werk wieder der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen – was sicher im Sinne des Komponisten wäre. Ich bin im Zweifelsfall lieber vorsichtig, obwohl es schade ist um einige Werke.
Bei bisher ungedruckten Werken gibt es noch die Möglichkeit, daß Verlage sich die Verwertungsrechte für den Erstdruck sichern, aber das lässt sich nachprüfen.

Haben Sie Reaktionen von Notenverlagen auf Ihr Online-Angebot erhalten? Sehen die das als Konkurrenz oder kommt von dort gar keine Reaktion?
Helmut Kickton vom Kantoreiarchiv meint, dass er sich sicher ist, dass sein Foto die Dartscheibe vieler Verlage ziert….
Nun, er ärgert sie mehr, da er Literatur veröffentlicht, die Verlage auch im Programm haben, während meine erst in letzter Zeit gelegentlich in Verlagsprogramme aufgenommen werden, vor allem bei Butz – wobei der nicht ganz unbegründete Verdacht besteht, daß sich ab und an illegal meiner Ausgaben bedient wurde.
Ansonsten sind die Verlage erstaunlich ruhig, oder auch nicht erstaunlich, schläfrig wie sie im Bereich Möglichkeiten des Internets sind. Immerhin kam es auch schon vor, dass Kunden zu mir gesandt wurden mit dem Hinweis, daß es dieses Werk höchstens bei mir gibt.
Übrigens können meine Werke, wie bereits erwähnt, auch über den Verlag für freie Notenwerke, www.bnote.de bezogen werden – zugegeben kein ganz klassischer Verlag.

Habe ich noch etwas vergessen, was Sie noch loswerden wollen?
Es gibt nach wie vor unvorstellbar viele Schätze, die unbekannt in Notenschränken schlummern, wer glaubt, daß er sowas entdeckt hat, soll es mir zusenden!

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

2 Kommentare

  • JürgenHugo

    Und wenn der mir die Noten bündelweise hintragen würde – es würde nix nutzen. Ich kann Noten nicht mal lesen, geschweige denn singen.

    In der Schule hab´ich meist eine „3“ bekommen, weil ich dem Rat der Lehrerin gefolgt bin: beim Chorsingen am besten nur den Mund bewegen…

    Zur „Belohnung“ gabs dann die „3“, da waren alle mit zufrieden.

    • Pyrolim

      Lieber Jürgen Hugo, es kann ja nicht jeder alles können. Niemand muss Noten lesen können oder Spaß am Singen haben. Also sei froh über die „3“ und genieße es stattdessen, Musik zu hören.
      Schönen Sonntag noch, wünscht Susanne

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