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Kreative Zellen: Kunst im Knast

Was hat ein Knast, korrekt Justizvollzugsanstalt (JVA) genannt, mit Sinnlichkeit zu tun? Nichts. Es gibt wohl kaum einen lauteren, kälteren, abweisenderen Ort als ein Gefängnis. Und dennoch verbindet sich in Magdeburg Sinnlichkeit mit der harten Realität des Freiheitsentzugs. Der Verein Kulturanker hat seine Ausstellung 2015 mit dem Titel „Die neue Sinnlichkeit“ in der ehemaligen JVA Magdeburg veranstaltet. Sie läuft leider nur noch bis zum 20. September.

Kunst im Knast oder Kultur hinterm Stacheldraht - eine ungewöhnliche Kombination.
Kunst im Knast oder Kultur hinterm Stacheldraht – eine ungewöhnliche Kombination.

Entstanden ist eine teils verstörende, teils skurrile, teils unverständliche Mischung aus einem harten, menschenfeindlichen Zweckbau und zeitgenössischer Kunst. Über 250 bildende Künstler haben Zellen gestaltet. Der Raum für jeden ist begrenzt. Manche haben sich diesen ganzen begrenzten Raum erobert, andere haben ihn leer und kahl gelassen und nur punktuell ihre Kunst eingebracht. Manches ist altmeisterlich, manches abstoßend, manches witzig und manches nervt. Mich jedenfalls. Aber Videoperformances sind auch nicht unbedingt die Art von Kunst, die ich besonders schätze. Viel mehr fasziniert hat mich ein Künstler, der die ganze kalte Zellenrealität einfach optisch weggezaubert hat.

Das alles in einem Gebäude, wie es die wenigsten von uns schon von innen gesehen haben dürften. Wobei der neuere Teil weniger überraschend ist als der Altbau. Hier atmen Wände, Türen, die überall erhaltenen Nasszellen – oder auch nur Klo und Waschbecken -, die enge, beklemmende, seltsame Welt früherer Haftanstalten. Treppen im Mittelgang, Netze gegen Selbstmordversuche, dicke Türen mit Kläppchen und Nummern, vergitterte Fensterscharten. Dagegen setzen die Künstler die Kraft ihrer Kunst – die sogar Gefängniszellen in Hotelzimmer verwandeln kann.

Eine sehenswerte Ausstellung, die dank ihres Ortes gleich mehrere besondere Erlebnisse bietet. Mehr als 200 künstlerisch gestaltete Zellen zu besichtigen, ist aber auch ermüdend. Oder ist es der Ort, der immer noch die Verzweiflung, Abgestumpftheit und/oder Brutalität seiner ehemaligen Bewohner atmet? Am Ende rauschen die Eindrücke beim Abschreiten der Zellen nur so am Betrachter vorbei. Was bleibt ist das irritierende Gefühl, Kreativität hinter Stacheldraht begegnet zu sein. Zwei Dingen, die nicht so recht zusammenpassen wollen.

Hier folgen meine fotografischen Eindrücke aus der Ausstellung. Der Klick aufs Bild führt zu Flickr, wo in der Beschreibung die Künstler des jeweiligen Werkes genannt sind.

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Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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