Nerv mich nicht! Offener Brief an die Schule meines Kindes

Ich bin eine schlechte Mutter. Ich weiß nicht, was ein Helikopter mit dem Eltern sein zu tun hat, ich lasse das Kind allein mit dem Fahrrad fahren, ich bin in keiner symbiotischen Beziehung zum Kind und auch nicht sein bester Kumpel. Deshalb, liebe Schule, muss ich dir mal ein paar Sachen ins Klassenbuch schreiben.

Nerv mich nicht! Komm mir nicht dauernd mit neuen Wünschen, die bitte sofort erfüllt werden sollen. Fordere mich nicht auf, noch in der Oberstufe bunte Umschläge für die Hefte zu kaufen. Grün für Deutsch und Grün für Mathe – damit auf den Schreibtischen der Lehrer Ordnung herrscht. Umso größer ist die Unordnung auf dem Schreibtisch des Kindes. Noch schlimmer: Farbwünsche wie Lila oder Rosa.

Nerv mich nicht! Kümmere dich darum, dass an Schultagen mit elf Stunden nicht mittendrin fünf Freistunden liegen, in denen kein Schulbus fährt und ich frei nehmen muss, um das Kind zwischendurch nach Hause zu holen. Was soll es fünf Stunden in der Schule oder in der Stadt machen. Auf ein paar Kilometer außer der Reihe genommene freie Tage und ein paar mehr oder weniger Kilometer kommt es für Eltern ja nicht an.

Nerv mich nicht! Verlange nicht von mir, dass ich nachts über eisglatte Straßen rutsche, um mein Kind um kurz vor Mitternacht nach einer abendlichen Exkursion in die nächstgelegene Großstadt vom Bahnhof abzuholen, während die Lehrerin schon mit dem Auto nach Hause gefahren ist und längst im Bett liegt. Zwinge mich nicht, mein Kind nach einer solchen Exkursion morgens um 5.30 Uhr zu wecken, damit es rechtzeitig den Schulbus zur ersten Stunde bekommt. Schlaf wird sowieso völlig überbewertet.

Nerv mich nicht! Komm mir nicht in der letzten Schulwoche vor den Ferien mit dem Ansinnen, im Französischunterricht Hors d’œuvre zubereiten zu wollen, aber bitte keine Quiche, das machen schon alle. Für alle anderen französischen Speisen, wenn es stilecht sein soll, kommen nur Schnecken, Austern oder Jakobsmuscheln in Frage. Die es natürlich nicht im Supermarkt um die Ecke gibt, sondern im weiter entfernt gelegenen Feinkostladen. Ganz abgesehen von den Kosten.

Nerv mich nicht! Organisiere keine nachmittäglichen Sommerfeste oder Grillfeste von Eltern, Lehrern und Schülern. Ich habe keine Lust, mir extra frei zu nehmen, um nachmittags Salate, Grill, Kohle und was weiß ich noch alles auf den Schulhof zu schleppen, um mit Leuten, die ich nicht kenne und mit Lehrern, die ich seltsam finde, zu feiern.

Nerv mich nicht!

Sondern unterrichte einfach mein Kind, sorge dafür, dass es etwas lernt und dass der Schulalltag reibungslos funktioniert. Alles andere muss nicht sein. Und vor allem: Vergiss nicht, dass auch Eltern Jobs, Verpflichtungen oder einfach keine Lust haben, dir bei immer neuen Ideen zu Diensten zu sein.

So, und jetzt steige ich in meinen Helikopter und lasse dich für sechs Wochen hinter mir. Bis zum nächsten Schuljahr. Schöne Ferien!

Ein Kommentar

  1. Oh ja, wem sagst du das. Oder das Kind kam am Mittag von der Schule heim und vermeldete, dass es am Nachmittag 10, 15 (beliebige zweistellige Zahl) Kartonrollen vom Klopapier mitnehmen muss. Oder Stoffresten. Wahlweise Joghurtbecher, mal aus Glas, mal aus Kunststoff, aber nie die mit dem Karton drum herum.
    Genau, im letzten Moment meinen, man backe oder koche etwas. Und auch ich gehörte zu denen, die nicht einsahen, mit Lehrpersonen und vor allem den Eltern zusammenzusitzen, gemeinsam zu grillen und auf „Juhui wir haben uns lieb und wir sind alle so nett“ zu machen.

    Immerhin: Helikopter brauche ich keinen mehr. Meine Kinder haben ihre obligatorische Schulzeit abgeschlossen. Aber ab und zu habe ich mit den Lehrpersonen – teilweise noch den gleichen wie damals – aus beruflichen Gründen zu tun. Manchmal ist das auch etwas schräg ;-)
    (Aber mein Status ist ein anderer und sie wollen in der Regel etwas von mir und nicht umgekehrt).

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