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Fair oder unverständlich: Sprache, Behinderung und die Menschen

Wie diskriminierend ist Sprache? Und wie verwirrend ist eine Sprache, die nicht diskriminiert. Das sind Fragen, die gerade uns Journalisten täglich beschäftigen. Am Ende machen wir doch wieder das, was wir nicht machen sollen und was andere versuchen, zu vermeiden: Wir nennen Behinderung und Behinderte genau so. Es bleibt uns einfach nichts anderes übrig, wenn wir für unsere Leser verständlich sein wollen.

Ein Termin in einer Werkstatt, in der Menschen mit Beeinträchtigung – so der offizielle Begriff – arbeiten. Gleich zu Beginn des Pressegesprächs geht es um die Bezeichnung für die Menschen, die dort arbeiten. Menschen mit Beeinträchtigungen oder Menschen mit Behinderungen will der Geschäftsführer sie genannt wissen, denn das Wort Behinderte reduziere Behinderte nur auf ihre Behinderung. Damit mag er Recht haben. Gerne schreibe ich von Menschen mit Behinderungen, kein Problem.

Mit vielen anderen Begriffen habe ich meine Schwierigkeiten. Menschen mit Beeinträchtigungen ist mir zum Beispiel viel zu schwammig. Was sind das für Beeinträchtigungen? Wenn jemand nach einem Skiunfall ein Gipsbein hat, hat er ebenfalls eine Beeinträchtigung, ist aber kein Mensch mit einer Behinderung, jedenfalls nicht dauerhaft. Es kann mich auch beeinträchtigen, wenn ich gerade krank bin, keine Zeit habe, Sorgen habe oder aus irgendeinem anderen Grund nicht voll konzentriert sein kann. Menschen mit Beeinträchtigung ist also auch eine Bezeichnung, die unscharf ist. Gar nicht mag ich den Begriff  „Menschen mit Handikap“. Das sind für mich nämlich Golfspieler. Der anglo-amerikanische Begriff ist dort außerdem nicht gut angesehen, weil diskriminierend, hierzulande doppeldeutig – siehe Golfspieler – und für manchen auch verwirrend.

Leidmedien.de,  ein Online-Ratgeber für die Berichte über Menschen mit Behinderungen, empfiehlt in seinem Leitfaden genau diese Bezeichnung. Das kann ich nur unterstützen. Das ist klar, eindeutig und stellt dennoch nicht die Behinderung in den Mittelpunkt, verschweigt aber auch nicht, worum es geht.

Leidmedien.de ruft auch dazu auf, die Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen. Dazu gehöre auch, nicht „Du“ statt „Sie“ zu ihnen zu sagen. Ganz ehrlich: Ich würde nie im Leben auf die Idee kommen, einen erwachsenen Menschen mit Behinderung zu duzen, egal um welche Art der Behinderung geht. Also auch nicht bei geistiger Behinderung. Es sei denn, wir haben schon mal ein Bier zusammen getrunken.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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