Verwaltungsvorlage zum Baumkataster: Wildwuchs im Wörterwald

baum

Na, wer kennt den Zwieselriss? Ich bin begeisterte Sammlerin krauser Begriffe und habe mich gerade in einer kommunalen Bauausschusssitzung sehr über Festmist und Inputstoffe amüsiert. Das sind übrigens Zutaten für Biogasanlagen, falls es jemanden interessiert. Die absolute Schöpfungshöhe erreichte der Ausschuss aber in sprachlicher Hinsicht, als es darum ging, ein Baumkataster einzuführen. So ein Baum kann, wenn er zu einem Verwaltungsvorgang wird, sprachlich dermaßen wüst sprießen, dass es einen schüttelt. Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Schwurbeldeutsch über mich.

Baumkataster, darunter kann sich auch der Laie etwas vorstellen. Da wird jeder Baum beguckt, mit einer Nummer versehen, in eine Karte eingetragen, elektronisch erfasst und verwaltet. Aber warum das alles? Na, wegen der Verkehrssicherungspflicht. Niemand soll auf Fußwegen und Straßen durch herabstürzende Äste oder umkippende Bäume zu Schaden kommen, nur weil der Besitzer sich nicht darum gekümmert hat, die Gefahr zu beseitigen. Und wie heißt das dann in geschliffenem Verwaltungsdeutsch: „Eine Verkehrssicherungspflicht ist in Deutschland eine deliktrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen.“ Meine Güte.

Dann stellen wir uns doch mal ganz dumm. Zunächst muss festgeschrieben werden, was ein Baum überhaupt ist. Natürlich wird die Definition in einer Verwaltungsvorlage für Kommunalpolitiker mitgeliefert. „Ein Baum stellt ein mit einem Grundstück verbundenes Werk dar.“ Als solches unterliegt er der Verkehrssicherungspflicht durch den Eigentümer. Ein Baum ein Werk? Nun gut, er ist ein Werk der Natur, aber unter Werk verstehe ich gemeinhin etwas von Menschen Hand Geschaffenes.

Ist der Baum katalogisiert und ins Kataster eingefügt, muss er regelmäßig kontrolliert werden, und zwar pro Jahr je einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand. Unter anderem ist das Werk der Natur auf Schadmerkmale abzuklopfen. Damit sind wir wieder bei den Zwieselrissen. Wer weiß, was ein Zwiesel ist, der weiß auch, wo sie reißen. Also da, wo der Ast abknickt oder aus einem Stamm zwei herauswachsen. Ist genau da ein Riss, dann läuft das Regenwasser hinein. Der Baum fault von innen und bricht irgendwann zusammen oder ab. Deshalb sind Zwieselrisse etwas sehr gefährliches.

Eine ordentliche Baumkontrolle hilft, solche Schäden abzuwenden. Nun kann das aber nicht jeder, es muss schon eine „fachlich geschulte Person“ sein, die diese Arbeit macht, sagt die Verwaltung. Übrigens lässt sich diese Bezeichnung noch steigern. Es muss eine „fachlich qualifizierte Kraft aus dem gärtnerischen Bereich“ sein. Und wem das noch nicht genug Schwurbeldeutsch ist, der lasse sich noch gesagt sein, dass sich die Kontrollhäufigkeit unter anderem nach der Verkehrserwartung richtet und dass sich daraus ableiten lässt, dass ein alter Baum mit abnehmender Vitalität am Rande eines Spielplatzes öfter zu kontrollieren sei als ein Baum im Park, weit ab von jedem Weg. Womit wir weitab von jedem schlichten und schönen Deutsch wären.

2 Kommentare

  1. Bei uns in Frankfurt machen sie das jetzt auch. Da bekommt jeder Baum sein Nümmerchen und die Stadt kann sicher wieder ein paar Leute einstellen. Natürlich müssen die bezahlt werden und die Steuern steigen wieder.

  2. Ein Thema (Verkehrssicherungspflicht) über das sich herrlich streiten lässt.
    Was ist teurer: Die jährliche Kontrolle oder die Schadensersatzforderung, wenn der Ast dem Fußgänger auf den Kopf oder auf das Auto fällt.
    Alles andere ist Juristendeutsch. Kommt aber durch die Spizfindigkeiten vor Gericht.
    Bleibt die Frage: Muss man alles absichern und regeln.
    Wann ist das Geschrei größer?

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