Promovierte Doktoren und doppeltgemoppelte Wissenschaftler

Es gab vor Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mal einen Leitfaden für Redaktionspraktikanten, ich glaube von der „Drehscheibe“, ich bin mir aber nicht sicher. Darin stand folgender Satz: „Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. (so ging es noch drei Zeilen weiter) Helmut Kohl lautet die korrekte Bezeichnung für unseren Bundeskanzler.“ Alle Ehrendoktortitel  waren mit drin. Der Satz war deshalb aufgenommen worden, um zu verdeutlichen, warum Doktortitel in der Zeitung grundsätzlich weggelassen werden, es sei denn, es geht um einen Arzt in Ausübung seines Berufes. So habe ich es gelernt, und so ist es schon lange nicht mehr. Was mich zu dieser Exkursion in die Vergangenheit veranlasst, ist aber eine andere Frage im Zusammenhang mit Doktoren aller Art. Nämlich die, ob ein studierter Wirtschaftswissenschaftler eine doppeltgemoppelter Ausdruck ist. Oder anders gefragt: Hat ein Wissenschaftler immer studiert und lässt sich das Wort studiert ersatzlos streichen?

Ich habe die Frage auf Twitter gestellt und damit ordentlich etwas losgetreten.

Lassen wir das Wissenschaftliche mal ganz beiseite. Die Ausgangslage war folgende: Eine Frau, nennen wir sie Dr. Karla Napf, bekommt eine wichtige Stelle in einer öffentlichen Kultureinrichtung, sagen wir einem bekannten Museum. Die Trägerinstitution gibt eine Pressemitteilung heraus, in  der es heißt: „Frau Dr. Karla Napf ist zur neuen Leiterin des xy-Museums berufen worden. Die studierte Kunsthistorikerin ist zurzeit stellvertretende Leiterin des yx-Museums in Lalastadt.“

Erstens ist Platz in der Zeitung oft knapp, zweitens versuchen wir Journalisten, uns in schlanker Sprache zu üben. Also die Frage: Lässt sich das Wort „studierte“ vor Kunsthistorikerin nicht ersatzlos streichen. Ich denke ja. Und ich hab’s getan. Aber da ich mich im Wissenschaftsbetrieb nicht so richtig auskenne, habe ich halt mal die Frage in den Raum geworfen.

Formulierungen wie „der studierte Architekt“ oder auch „der studierte Arzt“ kommen öfter vor. Klaus Wowereit firmiert hier als „studierter Jurist“, und wer ein bisschen googelt, der findet sogar den studierten Weihnachtsmann. In dieser Aufzählung sind Berufe dabei, die sicher nur Leute ausüben können, die studiert haben, der Arzt etwa oder der Jurist – es sei denn, sie sind Hochstapler. Häuser bauen kann man vielleicht auch als Autodidakt, ob ich mich als Bauherr darauf verlassen würde, ist eine andere Frage. Bei einem Musiker ist es sicher erwähnenswert, dass er Musik studiert hat. Da halte ich die Formulierung „studierter Musiker“ für völlig richtig. Es gibt ja sogar Menschen, die studiert haben, Musiker sind, aber eben keine studierten Musiker, sondern studierte Biologen, die Musik machen.

Mein Fazit: Der Zusatz „studierte“ lässt sich an vielen Stellen ersatzlos streichen. Aber wer das tun möchte, sollte vorher genau überlegen, ob damit der Sinn erhalten bleibt.

Noch mal zurück zu den Doktoren. „Der promovierte Doktor“ ist nun wirklich doppeltgemoppelt. Ich hänge noch der alten Schule an, dass Doktor-Titel in der Zeitung nichts zu suchen haben, schon weil sie leicht überhand nehmen, vor allem in bestimmten Zusammenhängen. Will ich den Lesern mitteilen, dass hier jemand mit Doktortitel am nichtmedizinischen Werk ist, dann schreibe ich vom „promovierten Kunsthistoriker“. Allerdings wird diese No-Doktor-Regel zunehmend aufgeweicht. Ob es damit zusammenhängt, dass etlichen Leuten in den vergangenen Jahren der Doktortitel abhanden gekommen ist?

Sollte mir allerdings mal ein promovierter Weihnachtsmann unterkommen, würde ich ihn selbstverständlich Dr. Weihnachtsmann nennen, auch in einem Zeitungsartikel. Vielleicht gibt es so etwas eines Tages, wo es doch schon studierte Weihnachtsmänner gibt.

3 Kommentare

  1. *hust* Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob jemand ein ‚promovierter Doktor‘ ist oder nur ein Doktor. Ich denke da nicht einmal an eine meiner literarischen Lieblingsfiguren – Tipp: englischer Herkunft, sehr alt but still running -, sondern an den oben erwähnten Herrn Kohl. Bis auf einen waren alle seine Doktortitel ohne Promotion vergeben worden.

    1. Jetzt hast Du mich aber erwischt. Allerdings schreiben wir Ehrendoktor in der Zeitung nun wirklich ganz und gar nie. Insofern ist „promovierte Kunsthistorikerin“, um bei Frau Dr. Napf zu bleiben, schon ein Ausweis von universitärer Bildung.

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