Die Todesmarsch-Stele vor der Kirche in Zellerfeld.
gelernt,  Pyropro

Der Todesmarsch von Bad Gandersheim

Ich habe erst spät davon erfahren: Aus meiner Heimatstadt Bad Gandersheim haben die Nazis 450 KZ-Häftlinge auf einen Todesmarsch nach Clausthal-Zellerfeld getrieben.

Es war niemals ein Thema, solange ich mich erinnern kann: Das kleine Bad Gandersheim in Südniedersachsen, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin, war einer der vielen Orte in Deutschland, in denen es ein KZ-Außenlager gab und von dem 1945 ein Todesmarsch ausging. Als die Front im Sommer 1944 immer weiter an Krakau heranrückte, verlegten die Heinkel-Flugzeugwerke ihre Fabrik aus Mielex in die Hallen der Werkzeugfabrik Carl Bruns in Brunshausen. Heute ist der Ort mit dem ehemaligen Kloster ein Stadtteil von Bad Gandersheim. Die Nazis verschleppten vor allem Franzosen, Italiener und Polen nach Brunshausen. Sie waren im Widerstand gewesen. Unter den deutschen Gefangenen befanden sich Zeugen Jehovas, aber auch politische Häftlinge.

Todesmarsch zum KZ Dachau

Am 5. April 1945 schickte die SS die Häftlinge auf einen Todesmarsch. Das Ziel: das KZ Dachau. Zunächst aber erschossen die Wachen 40 Männer, die zu schwach waren, um loszumarschieren. An sie erinnert eine Gedenktafel auf dem Salzbergfriedhof in Bad Gandersheim. Die Gebeine der ermordeten Häftlinge wurden nach Kriegsende dorthin umgebettet.

Über diese Gedenktafel habe ich erst jetzt zufällig von dem Todesmarsch erfahren. Zwar gab es bereits in den vergangenen Jahren ein Gedenken und das Aufstellen von Erinnerungstafeln, doch weil ich dort nicht mehr wohne, ist das an mir vorbeigegangen. Einen zweiten Hinweis auf das Lager und den Todesmarsch habe ich bei meinem Besuch in Clausthal-Zellerfeld erhalten. Dort stehen vor der Kirche in Zellerfeld eine Gedenkstele und eine Gedenktafel.

SS trieb Häftlinge über den Harz

Zwischen 2000 und 2002 wurde die Route des Todesmarsches mit Gedenkstelen gekennzeichnet, wie es sie auch hier in Ostholstein gibt. Der Marsch aus Brunshausen war zudem nicht der einzige, der über den Harz führte. Im April 1945 trieb die SS 3500 Häftlingen aus dem KZ Mittelbau-Dora nach Oker. Viele der geschundenen Menschen überlebten nicht.

Das Kloster Brunshausen, mittlerweile ein Teil des Portals der Geschichte, zeigt gerade eine Sonderausstellung zum KZ-Außenlager. Sie fußt auf den Erinnerungen des Überlebenden Robert Antelme. Er hat sie in seinem Buch „Das Menschengeschlecht“ festgehalten.

Die Erinnerungskultur hat in Bad Gandersheim also immense Fortschritte gemacht. Mittlerweile dürfte jeder Einwohner wissen, was sich dort ereignet hat. Aber bis es so weit war, hat es lange gedauert. Zu lange.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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