Shoppen ist nicht jedermanns Sache

Kleider für den Abiball in Reih und Glied: Die Farben sind unterschiedlich, Schnitt und Art gleichen sich.

Shoppen an sich ist schon sehr alt. Bereits im Mittelalter schlenderten Menschen über Märkte, um einzukaufen. Und bestimmt haben sie schon damals mehr gekauft, als sie ursprünglich vorhatten. Shopping oder shoppen ist also nichts Neues. Es heißt nur noch so lange so, und nicht jeder hat Spaß daran oder kann es sich leisten.

Wie konnten wir früher ohne Shopping leben, fragt sich Christa Chorherr auf ihrem lesenswerten Blog. Vieles, was sie dort schreibt, kommt mir sehr bekannt vor. Früher ist niemand shoppen gegangen um des Shoppens willen. Jedenfalls nicht in Kleinstädten und auf dem Land. In anderen Ländern und Großstädten war shoppen schon vor 100 Jahren ein Erlebnis.

Doch die meisten Leute gingen einkaufen, weil sie etwas benötigten. Das hat Christa sehr schön aufgeschrieben. Dazu fallen mir noch zwei Geschichten aus meiner Familie ein.

Ein maßgeschneiderter Anzug

Mein Großvater Karl, gestorben 1973, war ein bescheidener Mann. Er hatte einen Bauernhof in Höxter, und das Leben dort ist bestimmt nicht leicht gewesen. Es war harte Arbeit. Im Sommer auf dem Feld, im Winter beim Holzrücken mit den Pferden im Solling. Opa fror immer, und von ihm ist der Familienspruch überliefert: „Wenn er auf dem Ofen sitzt und das Wasser kocht im Mund, dann wird ihm langsam warm.“

Mein Großvater Karl - ein Bild, das ich sehr mag.
Mein Großvater Karl – ein Bild, das ich sehr mag.

Dieser einfache Mann trug meistens Joppe – so hieß das, also Jacke – und eine von diesen Schirmmützen mit den drei Knöpfen drauf. Sonntags und zu bestimmten Anlässen vertauschte er die Arbeitskleidung mit einem Anzug. Einem maßgeschneiderten Anzug.

Sparsamkeit verhindert shoppen

Opa ließ sich seine Anzüge von einem ortsansässigen Schneider auf den Leib schneidern. Niemals hätte er einen Anzug von der Stange gekauft. Das war kein Snobismus, kein Luxus, sondern Sparsamkeit. Ein solcher Anzug, sagte er immer, hielte ein Leben lang und sei damit billiger als alles andere. Ich weiß nicht, wie viele Anzüge er sich je hat schneidern lassen. Ich vermute aber, es war alle zehn oder 15 Jahre einer, denn ein Leben lang haben die guten Anzüge dann wahrscheinlich doch nicht gehalten.

Ich weiß es nicht, aber ich gehe davon aus, dass Opa nie shoppen gegangen ist. Shoppen im Sinne von herumbummeln und gucken, was es so gibt und was er kaufen könnte. Dafür war er nicht der Typ, dafür hatte er keine Zeit und musste wahrscheinlich auch stets aufs Geld gucken.

Abends in die Schaufenster gucken

Eine andere Erinnerung betrifft meine Eltern, von Haus aus ebenfalls sparsame Leute. Ich kann mich daran erinnern, dass sie abends manchmal spazieren gingen, als wir Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Sie liefen in unsere Kleinstadt, um Schaufenster anzuschauen. Das hieß schaufensterln.

Dass sie jemals etwas von dem, was sie gesehen hatten, gekäuft hätten, scheint mir unwahrscheinlich, zumal sie immer erst nach Geschäftsschluss losgingen. Jahrelang hat meine sparsame Mutter für sich und ihre Kinder alles selbst genäht. Später gingen meine Eltern nur in ein ausgewähltes Bekleidungsgeschäft in der nächstgrößeren Kreisstadt. Immer nur dann, wenn etwas benötigt wurde. Shoppen kam im Leben meiner Eltern und kommt darin bis heute nicht vor.

Die Vitrinen ablecken

Für das Schaufensterln gibt es übrigens einen wunderbaren französischen Ausdruck, den ich über meine französische Schwiegerfamilie gelernt habe: Lèche-vitrine, was soviel heißt wie Schaufenster oder Vitrinen lecken. Im übertragenen Sinne: die Nase so nah an die Schaufensterscheibe halten, als wolle man sie ablecken. Ich weiß schon, warum ich die französische Sprache schön finde. Sie ist so bildhaft. Im Englischen heißt das Window shopping, was nicht bedeutet, dass Fenster gekauft werden, sondern dass im Zuge eines Schaufensterbummels etwas gekauft wird.

Ich selbst habe für Shoppen genauso wenig übrig wie meine Eltern und Großeltern. Kleidung kaufen ist mir ein Gräuel. Ich finde daran kein Vergnügen. Manchmal muss es sein, aber gern gehe ich nicht los, um Klamotten zu suchen. Da steuere ich lieber eine Buchhandlung oder ein Museum an.

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