Das große Aufräumen: Abtauchen in die Vergangenheit
Wir ziehen um. Nicht von einer Adresse zur anderen, sondern innerhalb des Hauses. Das Gästezimmer wird Arbeitszimmer, das Kinderzimmer Gästezimmer und das Zweitwohn- und Arbeitszimmer mit satten 25 Quadratmetern bekommt das halbwüchsige Kind. So eine Umräumaktion setzt aber ausgiebiges Ausmisten voraus. Und so habe ich zwei Tage lang den Inhalt fast jeden Schrankes sortiert. Dabei sind wahre Schätze zum Vorschein gekommen.
Ich bin Jäger und Sammler. Alles, was mich interessiert und begeistert, hebe ich auf. In Zeiten von externen Terabyte-Festplatten, Web-Bookmarks und PDF kein Problem, es nimmt alles nicht so viel Platz weg. Aber vor 15, 20 Jahren war das noch ganz anders. Und je mehr sich ansammelt, desto unübersichtlich wird die ganze Sache. Getreu dem Motto „alles, was Du ein Jahr nicht angefasst hast, kann weg“ habe ich die Altpapiertonne eifrig gefüllt. Aber von ein paar Dingen konnte ich mich einfach nicht trennen. Das gilt auch für Zeitschriften.
In den 1990er-Jahren gab es „Spiegel special“ und „Geo extra“. Jeweils zu einem Thema und jeweils sehr, sehr lesenswert. Kennt die noch jemand? Ich hatte ganz viele davon und habe jetzt ganz viele in die Tonne geworfen. Behalten habe ich aber zum Beispiel „Geo extra – sehen, wahrnehmen, Fotografie“. Das Heft ist auch nach fast 20 Jahren noch spannend. Etwa die Antworten auf die Frage „Was ist ein gutes Fotos?“, beantwortet von 15 Fotografen, unter anderem von Maurice Weiss, Kathy Ryan und Allan Porter. Oder der Beitrag über Sebastião Saldagos Sozialfotografie. Aus heutiger Sicht nur noch ein Zeitdokument ist der ganz kleine Artikel über digitale Fotografie. Darin steht dieser Satz:
Eine professionelle Digitalkamera kostet allerdings immer noch mindestens 15000 Mark, liefert dafür aber auch recht zufrieden stellende Bilder.“
Fotografie hat mich schon immer interessiert, und so fanden sich in meiner Sammlung die Hefte „Les plus belles photos de voyage“ von Geo (in Frankreich gekauft) und das Heft „100 Fotos für die Pressefreiheit 1995“, das ich natürlich ebenso aufgehoben habe wie das „Spiegel spezial“ mit dem Titel „Schicksal Computer – die Multimedia-Zukunft“ von 1996. Schon wegen des Extra-Teils „Frauen und Computer“ musste es einfach in meinem Archiv bleiben. Die Überschrift „Denn sie wissen, was wir tun“ über einem Artikel über Datenschutz und die großen Informationssammler unter den globalen Firmen mutet sehr modern an. Der Text „Weiberspace“ – ein herrliches Wortspiel – befasst sich mit Frauen, die Frauen die Arbeit am Computer erklären. Der Inhalt dagegen treibt einen heutzutage innerlich auf die Palme:
Nach den Erfahrungen der Lehrerinnen gehen Frauen und Männer grundsätzlich anders mit dem Computer um: Männer experimentieren und spielen wild herum, Frauen gehen zielorientiert und konzentriert vor. Während Männer die Potenzfrage stellen („Was kann die Maschine alles?“), suchen Frauen eine Antwort auf die Sinnfrage („Warum funktioniert der Rechner so, und was bringt es mir?).“
Na ja, das ist weder für Frauen noch für Männer besonders schmeichelhaft.
Schmeichelhaft ist dagegen ein Foto von mir, das ich beim Aufräumen gefunden habe. Erinnert Ihr Euch noch an die Mode, Menschen so zu fotografieren, als säßen sie in einem Fotostudio von anno 1900. Solche Nostalgiefotos waren mal sehr in, und ich habe auch noch eines von mir. Mein Gott, was war ich damals noch jung. Ich muss so um die 20 gewesen sein. Das Bild habe ich natürlich aufgehoben. So etwas bekommt man schließlich nie wieder.
In den alten Heften, die ich ein bisschen aus den Augen verloren hatte, werde ich in nächster Zeit mal wieder schmökern. Das habe ich mir fest vorgenommen. Und wenn nicht, na, dann wandern sie eben beim nächsten innerhäuslichen Umzug in die Altpapiertonne.
2 Kommentare
Jana
Das Bild ist der Hammer. So etwas wollte ich von mir und meiner Familie auch machen lassen. Der Fotograf Peter Michels aus der Schweiz arbeitet nämlich mit alten Plattenkameras und ich wollte so gerne zu ihm fahren. Mal sehen ob wir das irgendwann hinbekommen… VG Jana
Hesting
Um das Nostalgiefoto beneide ich, die gerade zaudert, ob sie die angefangenen oder geplanten historischen Nähprojekte weiterführt, Dich schon. Aber inzwischen gibt’s genug Schneiderinnen, die derartige Kleidung fertigen, zuhauf und sie sind im Internet gut zu finden. Nur für dem Fall, dass es Dich nochmal juckt. Die Gelegenheit zum Ausführen der Klamotten nehmen nämlich auch zu.