Ein mit einer Farbe über getünchtes Fachwerkhaus.
gedacht,  Pyrocontra

Fachwerk über getüncht: Warum macht man so etwas?

Wenn ich in meiner Heimatstadt bin, sehe ich immer wieder übermaltes Fachwerk. Das mag auf den ersten Blick ordentlich aussehen, macht aber den Charakter von Fachwerkstädten kaputt.

In Deutschland gibt es rund 2,5 Millionen Fachwerkhäuser. In vielen Regionen prägen sie das Bild von Dörfern und Kleinstädten. So auch in meiner Heimatstadt Bad Gandersheim und in Einbeck, wo ich eine Zeitlang gelebt habe. Viele dieser Fachwerkstädte sind liebevoll restauriert. Eine Aufgabe für Spezialisten, denn das Fachwerk aus Holz muss ganz anders behandelt und gestrichen werden als die mit Lehm gefüllten und verputzten Flächen dazwischen. Dabei kommt es nicht nur auf einen farblichen Kontrast zwischen Balken und Flächen an.

Blaue Stunde in Einbeck
Blaue Stunde in Einbeck: Am Marktplatz stehen liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser.

Holz, Putz und Mauerwerk nehmen Feuchtigkeit unterschiedlich auf und geben sie unterschiedlich wieder ab. Das Holz arbeitet, sprich dehnt sich aus oder zieht sich zusammen. Putz und Mauerwerk dagegen sind starr. Wer alles in einer Farbe überstreicht, riskiert, dass Feuchtigkeit im Holz eingeschlossen wird, fault oder im Winter durch Frost gesprengt wird.

Wenn Fachwerk einfach übermalt wird

In Bad Gandersheim fallen mir allerdings immer mal wieder Fachwerkhäuser auf, bei denen es sich die Eigentümer offenbar leicht gemacht haben. Sie haben einfach die gesamte Fassade in einer Farbe übergestrichen. So sind die Balken vom Fachwerk nur noch zu erahnen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Art der Renovierung deutlich billiger und schneller zu realisieren ist als eine aufwändige Behandlung von Balken und Fächern. Aber es verändert den Charakter des Hauses deutlich. Und wenn das mehrere Nachbarn so machen, ändert es das Stadtbild.

Das Übertünchen mit einer Farbe ist also die schlechteste Art, Fachwerkhäuser zu renovieren. Zum Glück kommt es nicht allzu oft vor. Aber doch oft genug, um mir aufzufallen.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

4 Kommentare

  • Katja

    Das mit dem Fachwerk ist wirklich doof! Ich kenne hier eher das Gegenteil – auf eine 50er-Jahre-Platte werden Bretter geklebt, um Fachwerk zu simulieren… auch nicht so richtig schön.

    Ich finde Fachwerk ja auch deswegen so faszinierend, weil es so ein nachhaltiges Konzept ist. Hier im Odenwald sind einige Fachwerkhäuser auch schon umgezogen.

  • Dirk

    Auch die Fachwerkhäuser auf dem Einbecker Marktplatz zeigen wohl mehrfach übertünchte Balken. Das ist nicht unüblich, wie z. B. der „erbuntete“ Miltenberger Riesen zeigt, bei dem man sich nach langen Diskussionen auf eine farbenfrohe Fassung geeinigt hatte. Das sei dem urspünglichen Erscheinungsbild sehr nahe, hieß es. Außerdem zeigt der Komplex „Riesen“, dass sich Geschmäcker im Lauf der Zeit immer wieder ändern und man seine eigene Einschätzung nicht allzu ernst nehmen sollte.

    Beim gezeigten lachsroten Fachwerkhaus könnte man da sicherlich eine Lösung finden. Die Farbenlehre sagt, das Gezeigte wäre eine vertretbare Kombination, die Farbe der Fensterrahmen und die Gebäudefarbe passen zueinander im Sinne einer Kombination von (annähernd) Komplementärfarben. Die Farbkombination wird gerne bei Schlössern verwendet und zeigt womöglich, welche Charakterveränderung der Eigentümer im Sinn hatte. Ich wette, die Sockelmauern waren früher verputzt und wurden nun freigelegt.

    Viel problematischer für den Eigentümer wird es wohl werden, wenn er in ein paar Jahren feststellen wird, dass die verwendete Farbe in Kombination mit den offenen Sockelsteinen die Substanz des Gebäudes massiv geschädigt haben werden.

    • Susanne

      Ich kenne das Haus noch, als es echtes Fachwerk hatte, also bevor alles übermalt wurde. Da es auch noch an einem exponierten Platz in der Innenstadt steht, ist es doppelt schade, dass der Charakter hier so vollkommen verloren ist. Viel schlimmer scheint mir aber tatsächlich zu sein, dass ein solcher Anstrich nicht gut für die Bausubstanz ist. Aber das zeigt sich erst viel später.

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