Dänemark – Welterbe und 1000 Jahre Geschichte
Geschichte, Kultur, Natur und herausragende Architektur. Dänemark jenseits des Klischees ist mindestens ebenso spannend wie das Klischee hyggelig ist.
Das Welterbe trägt ein rotes Hemd. Hans Schmidt, Ofensetzer in neunter Generation, ist Teil des Weltkulturerbes Christiansfeld in Dänemark. Er ist Mitglied der Herrenhuter Brüdergemeine (kein Tippfehler), deren 1773 gegründete Tochtersiedlung Christiansfeld in Dänemark seit 2015 Unesco-Welterbestätte ist. Dazu trägt nicht nur das bis heute intakte Stadtbild von damals bei, sondern auch die Handwerkskunst der Brüder, so wie die von Christian Schmidt.
Er setzt nicht nur einfach Kachelöfen, sondern Herrenhuter Kachelöfen. Die sind hoch und schmal, mit einem seitlichen Feuerloch für langes Holz und mehreren sogenannten Kochlöchern, horizontalen Aussparungen, in die Kochplatten eingelassen sind. Hans Schmidt brennt für sein Handwerk. Das spürt jeder sofort, der ihn in besten Deutsch darüber reden hört. Sein Prunkstück, entworfen von seiner Frau Domenika, ist aus geschwungenen Kacheln gefertigt und verzichtet auf die Kochlöcher. „Jede Generation muss ihr eigenes Design an Herrenhuter Öfen machen. Das ist ganz neu“, sagt Schmidt stolz und streicht den Kacheln über die Hüften.
Jenseits des Dänemark-Klischees
Pietistisch streng ausgerichtete gelbe Häuser mit wenig Zierrat, eine Kirche ohne Altar und Ofensetzerkunst wie vor über 200 Jahren, das ist nicht das dänische Klischee. Aber jenseits dieses Dänemark-Klischees von Ferienhäuschen und Strandbesuchen gibt es noch ein anderes Dänemark.
Die Dänen sind stolz darauf, über neun Welterbestätten zu verfügen, sechs des Weltkultur- und drei des Weltnaturerbes, davon je eine auf Grönland. Christiansfeld ist die bescheidene, die zurückhaltende Weltkulturerbestätte, deren Charme sich auf den ersten Blick, deren Bedeutung sich aber erst mit Erläuterungen erschließt. Die gibt gerne Finn Johannsen, Stadtführer und Standesbeamter und profunder Kenner von Brüderhaus, Schwesternhaus und Witwenhaus.
Die Festung der Wikinger
Deutlich spektakulärer als die Herrenhuter Brüdergemeine kommen die Wikinger daher. Jelling in Jütland ist der Ort, an dem Dänemarks erster König Gorm der Alte, seine Frau Thyra und sein Sohn Harald Blauzahn an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert lebten. Der Ort, eine der bedeutendsten archäologischen Fundstätten Dänemarks, wurde 1994 zum Weltkulturerbe gekürt.
Das Ensemble aus Kirche, zwei hohen Grabhügeln und zwei Runensteinen kündet von einer bewegten Zeit, in der der Grundstein für die Christianisierung und die Einigkeit Dänemarks gelegt wurde. Der größere der beiden Runensteine, der Haraldstein, oft auch als Taufstein Dänemarks bezeichnet, trägt die Aufschrift „König Harald befahl, diesen Stein zu errichten zum Gedenken an Gorm, seinen Vater, und an Thyra, seine Mutter. Der Harald, dem sich ganz Dänemark und Norwegen unterwarf und der die Dänen zu Christen machte.“
Die Steine sind da, die Grabhügel sind da, die Kirche ist da, aber von der einstigen Wikingerburg in Jelling ist nichts übrig geblieben, weder von der sogenannten Schiffssetzung, noch von den Palisaden oder den drei Kasernen für die Krieger. Weiße Stelen des Künstlers Ingvar Cronhammar symbolisieren heute den Palisadenwall, weiße Steine die in Schiffsform angelegten Gräber der Krieger, weiße Steinfelder die Grundrisse der Kriegerhäuser.
Wissenswertes zum Welterbe
Wie Christiansfeld bedarf auch Jelling der Erklärung. Der pensionierte Lehrer Søren Mols macht das mit Hingabe, ebenso wie Marco Brodde, Naturbegleiter im dänischen Wattenmeer rund um die Insel Fanø, und Klaus Melbye, der Leiter des Wattenmeerzentrums in Ribe. Das dänische Wattenmeer ist seit 2014 Teil des Weltnaturerbes Wattenmeer. So wie Schmidt für seine Herrenhuter Kachelöfen brennt und Molt für seine Runensteine, so brennen Brodde und Melbye für das Wattenmeer. Für alle drei gilt, was Melbye über sein Welterbe sagt: „Man muss das Wattenmeer erklären.“
Drei besondere Museen
Erklären ist die Aufgabe von Museen, und da gibt es drei außergewöhnliche Einrichtungen in Dänemarks Welterbestätten, die allein für sich einen Besuch lohnen. Im interaktiven Erlebniscenter Kongernes Jelling geht es zurück in die Wikingerzeit – einschließlich Erstechen eines am Boden liegenden gezeichneten Kriegers, aus dem bei jedem Speer- oder Messerstich Blut sickert, dargestellt durch rote Farbe. Es ist schon beängstigend zu sehen, mit welcher Begeisterung Kinder den Gegner meucheln, und sei es nur virtuell. So wird auch der Einzug nach Walhall, ins Paradies der Wikinger, zelebriert, mit Farben, Schatten und flackernden Lichtern.
Erst vor wenigen Jahren eröffnet, freut sich das Tirpitz-Museum in Blavand bereits über 100.000 Besucher. Das liegt nicht nur an der einzigartigen Sammlung, unter anderem mit Bernsteinschatzkammer und zur Geschichte der dänischen Nordseeküste, sondern auch an der außergewöhnlichen Architektur. Big, die Bjarke Ingels Group, hat Schlitze in die Dünen geschnitten und dort hinein die verglasten Museumswände gestellt. Ein Augenschmaus zwischen Himmel und Erde.
Außergewöhnliche Architektur zeichnet auch das Wattenmeerzentrum in Ribe aus. Reet nicht nur auf dem Dach, sondern auch an den Wänden lässt es zwischen Dünen und Strandhafer optisch fast verschwinden. Im Inneren wird das Wattenmeer zelebriert, einschließlich einer beeindruckenden Videoinstallation zum Vogelzug.
Geschichte, Kultur, Natur und herausragende Architektur. Dänemark jenseits des Klischees ist mindestens ebenso spannend wie das Klischee hyggelig ist. Das kleine Land bietet viel mehr als Ferienhäuschen und Strandurlaub.