Costa Rica: Über den Wipfeln

Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, muss man eben in die Wipfel. Frei wie ein Vogel darf sich der Wanderer fühlen im Regenwald von Arenal – der Weg führt auf Hängebrücken über die Baumkronen hinweg. Der Nationalpark in Costa Rica setzt wie das ganze Land auf nachhaltigen Tourismus und lehrt die Leute das kennen und lieben, was er schützen will: die Natur. Wer sich darauf einlässt, den erwarten spektakuläre Erlebnisse. Ob Hängebrücke oder Canopy, das Gleiten am Seil in luftiger Höhe – das Ziel ist es, Einblicke zu eröffnen, die dem Menschen sonst verborgen bleiben.

Hängebrücken über dem Urwald von Arenal.
Hängebrücken über dem Urwald von Arenal.

Drei Kilometer lang windet sich der Weg zwischen Walking Palms – Wanderpalmen – Blattschneiderameisen-Straßen, Helikonien und Riesenfarnen durch den Regenwald, immer wieder durchschnitten von tiefen Tälern und Bachläufen. Und da beginnt das Abenteuer. Neun kleine Gitterbrücken – sie sind vergleichsweise unspektakulär – und sechs zwischen 48 und 92 Meter lange Hängebrücken führen in bis zu 60 Metern Höhe über die Baumwipfel hinweg. Wem von der Höhe und dem leichten Schwanken der Stege nicht die Knie zittern und wer Augen hat zu sehen, der staunt nur noch. Wie gelb-rot-grüne Sicheln hängen Palmrispen in Augenhöhe, fügen sich Blätter jeder Form und Größe zu einem grünen Flickenteppich zusammen, in dem feuerrote Blüten Kolibris anlocken. Dazwischen flattern handtellergroße Schmetterlinge. Wer Glück hat, entdeckt sogar eine Schlange oder einen Affen. Zumindest, darauf weist Führerin Katja Bärwolf, Beauftragte von Travel-for-Nature, hin, strömt der strenge Gestank an einer Stelle des Regenwaldpfades aus Affenkot hervor.

Aber es geht noch etwas spektulärer – ohne Affenkot, aber dafür schneller, höher, weiter: Canopy oder auch Sky-Treck heißt die rasante Fahrt an dünnen Stahlseiten, an die der Mutige mit dem Hosengurt angehängt wird. Start und Ziel sind Plattformen in den Bäumen, von dort geht es in rasender Fahrt über die Wipfel hinweg. Für ganz Mutige ist an einer Stelle ein Tarzan-Sprung vorgesehen, im freien Fall an einer stählernen Liane hängend. Doch auch wer sich hier nicht traut, kann den rasanten Rundweg durch die Bäume absolvieren. Die Gruppe Kanadier, die nach knapp eineinhalb Stunden wieder am Ausgangspunkt eintrifft, strahlt jedenfalls über alle schmutzigen Backen: Unterwegs hat sie ein heftiger Tropenregenschauer erwischt, der gleich noch Roste und Dreck von Rollen und Stahlseilen direkt auf die Hobby-Tarzane gespült hat.

Für ganz Mutige: Canopy oder Sky-Treck.
Für ganz Mutige: Canopy oder Sky-Treck.
Wanderung am Vulkan Arenal - einem der ganz aktiven.
Wanderung am Vulkan Arenal – einem der ganz aktiven.

Tiere und Pflanzen im Regenwald, atemberaubende Aussichten auf den Arenal-See und den Arenal-Vulkan – all das ist nicht nur Menschen ohne Höheangst vorbehalten. Gut zu Fuß sollte aber schon sein, wer Costa Ricas Naturschönheiten bewundern will. „Alles ist Vulkan“, sagt Katja Bärwolf über ihre Wahlheimat. Das Land der 262 Vulkane, von denen noch sechs aktiv sind, ist von den feuerspeienden Bergen geprägt. Sie sind neben dem Regenwald das Ziel der vielen Naturtouristen, die es in das kleine mittelamerikanische Land zieht. Der Arenal und der Poás sind die bekanntesten. Der Arenal, nach dem der gleichnamige Nationalpark benannt wurde, erhabt sich als perfekter Kegel in der Landschaft. 1986 brach er erstmals nach 400 Jahren wieder aus und vernichtete die Dörfer Pueblo Nuevo und Tabacon, 87 Menschen fanden den Tod. Seither rülpst der Arenal regelmäßig, ein Umstand, der die Menschen beruhigt. Dann staut sich nichts in ihm auf, hoffen sie. Seit einem Monat nun ist er ruhig. Deshalb ist eine Wanderung an seiner Flanke dennoch nicht ganz ungefährlich. Immer wieder warnen gelbe Schilder davor, die Wege zu verlassen, so ein Vulkan speit außer Lava auch Gase aus. Es sind schon Touristen gestorben, weil sie zu viel Methan einatmeten. Wer sich einem einheimischen Guide anvertraut, ist jedoch auf der sicheren Seite. Jonathan Serrano ist ein erfahrener Wanderführer. Sein Evakuierungsplan im Notfall: „Follow me, if you can.“ Der Notfall tritt nicht ein. Nach einem leichten Weg mit fast keiner Steigung bleibt der noch junge Regenwald zurück und gibt den Weg frei auf ein steiles Lavafeld, entstanden 1992. Wer über die schwarzen Brocken gekraxelt ist, wird mit einem spektakulären Blick auf den Arenal auf der einen Seite und den gleichnamigen Stausee auf der anderen Seite belohnt.

Ähnlich anstrengend, nicht wegen des Weges, sondern wegen der Höhe von 2700 Metern, ist der Weg zum Vulkan Poás in der Nähe der Hauptstadt San Jose. Die Aussichtsplattform liegt direkt am Krater, der Blick in die blau-graue Lagune in seinem Zentrum ist aber nur wenigen vergönnt, weil allzu oft dichte Wolken den Vulkan verhüllen. Und wenn das weiße Wabern doch einmal aufreißt, dann oft nur für Sekunden. Der nebelverhangene Wald an den Flanken das Poás entschädigt in seiner exotischen Schönheit aber sogar für verpasste Lagunen-Blicke.

Blick in den Krater des Poás.
Blick in den Krater des Poás.
Regen- und Nebelwald am Aufstieg zum Poás.
Regen- und Nebelwald am Aufstieg zum Poás.

Überhaupt der Regenwald – ihn zu erhalten, hat sich Costa Rica seit Jahren zu Ziel gesetzt. Aus gutem Grund: „Costa Rica nimmt nur 0,6 Prozent der Erdoberfläche ein, verfügt aber über sechs Prozent der weltweiten Artenvielfalt“, erklärt Guide Jonathan Serrano nicht ohne Stolz. Diesen Schatz zu schützen ist das Anliegen der heimischen Touristik-Industrie, ist der Wald doch der Ast, auf dem der Costa-Rica-Tourismus sitzt. Das kleine Land – gerade mal so groß wie Niedersachsen – macht vor, wie es geht. Es setzt seit den 1980er Jahren auf regenerative Energien und will bis 2021 kohlendioxidneutral sein. Nachhaltigkeit, so abgegriffen das Wort klingen mag, ist hier Programm. Der Amerikaner Glenn Jamcol betreibt nicht nur das Fünf-Blätter-Hotel (Blätter = Sterne) Finca Rosa Blanca bei San Jose, sondern ist auch Präsident der Vereinigung für Öko-Tourismus in Costa Rica. 1993, berichtet Jamcol, entstand die Idee, Hotels hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu zertifizieren. 200 Häuser und etliche Tour-Veranstalter besitzen inzwischen das Zertifikat, das laut Jamcol sehr schwer zu erringen ist. Das Ziel ist für den Amerikaner die Balance zwischen Qualität und Ökologie. Katja Bärwolf spinnt den Gedanken noch weiter. Für sie ist Nachhaltigkeit auch die für die Bevölkerung des Gastlandes. „Sie soll sich nicht unwohl fühlen, bereist zu werden.“ In Costa Rica blieben 50 bis 60 Cent von jedem Dollar im Land. Für die Bewohner bedeute dies: „Wenn sie die Natur schützen, haben sie in den nächsten Jahrzehnten noch etwas davon.“

Nationalsymbol von Costa Rica: Der Tukan.
Nationalsymbol von Costa Rica: Der Tukan.

Ein Gedanke, der auch die Biologin Xinia Vargas im Ecocentro Danaus im Arenal-Nationalpark bewegt. Vor elf Jahren begann hier die Aufforstung von Weideland, und entstanden ist inzwischen ein geschlossener Sekundärregenwald, in dem bedrohte Baumarten – herangezogen in einer eigenen Baumschule -, Pfeilgiftfrösche, Fledermäuse, unzählige Vogelarten und sogar ein Kaiman eine neue Heimat gefunden haben. Was sie bewegt, dort zu arbeiten? Xinia Vargas: „Es ist Leidenschaft.“

Biologin Xinia Vargas in der Baumschule des Ecocentro Danaus im Arenal-Nationalpark.
Biologin Xinia Vargas in der Baumschule des Ecocentro Danaus im Arenal-Nationalpark.

Linktipp:

http://www.costa-rica.com/home/

2 Kommentare

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert