#tourdemuseum: Felix Nussbaum und Felka Platek

Ich habe mit einem Jahr Verspätung die Museumstour angetreten, die ich mir bereits im vergangenen Jahr vorgenommen hatte. Erste Station: Das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück. Von einem Tag ganz allein im Museum und einer aus dem Blick geratenen Künstlerin.

Über Felix Nussbaum (1904-1944) bin ich vor einiger Zeit eher zufällig durch seine Biographie gestolpert. Die Karriere des Malers der Neuen Sachlichkeit endete abrupt im Holocaust. Nussbaum starb ebenso wie seine Frau Felka Platek irgendwann im Herbst 1944 in Auschwitz. Weder das Datum des Todes der beiden Künstler noch dessen Umstände sind bekannt.

Seit dem ich das Buch gelesen habe, hat mich dieser Maler fasziniert. Auf meiner Sommertour bin ich nun in dem Museum gewesen, das seine Heimatstadt Osnabrück für ihn erbaut hat. Entworfen hat es der Architekt Daniel Libeskind, und das ist Segen und Fluch zugleich für dieses Museum.

Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück
Museumsbau von Daniel Libeskind.

Segen deshalb, weil das in sich zerrissene Gebäude den Besucher immer wieder auf Irrwege schickt. Ich war an diesem Nachmittag heute ganz alleine im Gebäude, und ich habe mich dauernd verlaufen. Freundliche Museumsaufseherinnen wiesen mir den Weg – und erklärten mir, diese Wirrnis sei durchaus gewollt. So verloren und orientierungslos wie ich mich fühlte, habe sich auch Felix Nussbaum gefühlt auf der Suche nach einem sicheren Versteck vor den Nazis. Natürlich ist das nicht annähernd vergleichbar, aber ein wenig von dem Gefühl wollte der Architekt vermitteln.

Allein im Museum

Ich war ganz allein im Museum, kein anderer Besucher war da. Zunächst habe ich mich sehr beobachtet gefühlt von den Aufseherinnen, die niemanden anders zu beobachten hatten. Dann bin ich mit ihnen ins Gespräch bekommen und habe mich gefreut, wie stolz sie auf ihren großen Künstler Felix Nussbaum sind und wie sehr sie ihren Beruf leben und lieben. Eine hat mich dann auf die Führung am Abend hingewiesen, ein sehr wichtiger Tipp.

Ich habe alle Säle durchschritten, alle Bilder angesehen, einige nur kurz, andere sehr lange. Felix Nussbaums Bilder sind beredtes Beispiel dafür, warum Gemälde im Original etwas ganz anderes sind als Gemälde in Büchern und auf Bildern. Sein überaus feiner Pinselstrich, seine ungeheurer Detailreichtum, seine sichere Zeichenhand werden nur sichbar, wenn der Betrachter direkt vor den Gemälden steht.

Gemälde von Felix Nussbaum, Detail
Detail aus Felix Nussbaums letztem Gemälde „Triumpf des Todes“ von 1944. Die Schreibmaschine mit den verbogenen Typen hat es mir besonders angetan.
Gemälde von Felix Nussbaum
Der ganze „Triumpf des Todes“. Wie kann jemand mit der Angst davor, verschleppt und ermordet zu werden, so große Kunst schaffen?

Felix Nussbaums beeindruckendsten Werke entstanden, als er sich vor den Nazis verstecken musste. Als er wusste, dass sie ihm nach dem Leben trachteten. Nussbaum hat bereits in jungen Jahren bemerkenswerte Gemälde geschaffen – viele davon wurden bei einem Atelierbrand zerstört -, aber seine Spätwerke, wenn man dies denn bei einem gerade mal 40-Jährigen sagen kann, sind für mich besonders beeindruckend. Vielleicht hat er nur angesichts seiner besonderen und besonders bedrohlichen Lebenssituation Werke von solcher Tiefe und Bedeutung schaffen können.

Ein früher Star der Kunstszene

Vielleicht tue ich ihm damit aber auch Unrecht. Denn Felix Nussbaum war bereits vor dem Exil und dem sich Verstecken müssen ein großer Künstler. Davon künden seine frühen Werke. 1926 porträtierte er, gerade mal 22 Jahre alt, seine Eltern, ein Jahr später sich selbst mit grünem Hut.

https://flic.kr/p/2grbjDw
Die Eltern von Felix Nussbaum, vom ihm porträtiert 1926.
Gemälde von Felix Nussbaum, Selbstporträt des Künstlers mit grünem Hut, 1927.
Selbstporträt mit grünem Hut von 1927.

Das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück verfügt über 220 Bilder des Künstlers. Die wichtigsten sind in einer ständigen Ausstellung zu sehen. Allerdings hat die Architektur des von Daniel Libeskind entworfenen Museums einen Nachteil. Manche Bilder sind nicht richtig zu sehen, weil sich die Lichtbänder in der Betonfassade und dem Dach in ihnen spiegeln. Das ist schade.

Gemälde von Felix Nussbaum, Detail
Detail eines Nussbaum-Gemäldes mit unschöner Lichtspiegelung.
Gemälde von Felix Nussbaum
Gang im Museum mit Doppelporträt von Felix Nussbaum und seiner Frau Felka Platek und den typischen Lichtbändern.

Das Felix-Nussbaum-Haus zeigt nicht nur Gemälde von Felix Nussbaum, sondern auch welche von Felka Platek (1899-1944). Selbst eine gute Malerin, teilte sie Exil, Versteck und Tod in Auschwitz mit ihrem Lebensgefährten und späteren Ehemann Felix Nussbaum. Verfügt das Museum über 220 Bilder von ihm, sind es von ihr gerade mal 25. Auch viele ihrer Werke gingen bei dem Atelierbrand verloren. Später hielt sie ihm den Rücken frei, sicherte mit Auftragsarbeiten und Kunsthandwerk das finanzielle Überleben des Paares im Exil und trat hinter seinem Künstlergenius zurück.

Die Künstlerin ins Licht gerückt

Ich hatte an meinem Besuchstag das Glück, eine Führung von Anne Sibylle Schwetter, Kuratorin der Sammlung Nussbaum, mitzuerleben, die sich besonders auf Felka Platek konzentrierte. Der Titel: „Bilder aus dem Versteck“. Schwetter stellte heraus, dass Platek als Künstlerin Nussbaum in Nichts nachstand. Extra dafür hatte sie zwei frühe Porträts von Platek aus dem Fundus geholt und auf Staffeleien gestellt.

Frühe Porträts von Felka Platek
Zwei frühe Porträts von Felka Platek.

Eindringlich stellte Schwetter die Qualität von Plateks Malerei heraus. Am Ende erlag aber auch sie dem Zauber der Werke von Felix Nussbaum. Platek war gut, sogar sehr gut, Nussbaum war besser. Allerdings hatte sie gar nicht die Chance, ihr ganzes Können auszuspielen. Wer weiß, wie Leben und Karriere der beiden Künstler ohne die Nazis und ihren frühen Tod im Holocoust verlaufen wären?

So bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass die Nazis zwei große Künstler ermordet haben, nur weil sie Juden waren. Dem Zufall und dem Beharren vieler Menschen ist es zu verdanken, dass so viele Bilder von Felix Nussbaum trotz allem erhalten geblieben sind. Von Felka Platek sind es nur wenige. Aber wenigstens die wenigen sind da und beweisen ihr Können, ihre Künstlerschaft. Schön, dass das Museum ihr eine eigene Führung gewidmet hat.

Mein Besuch im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück hat meine Erwartungen mehr als erfüllt. Morgen geht die #tourdemuseum weiter zu meinem Lieblingsschloss, dem westfälischen Versailles, Schloss Nordkirchen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert