Rassistischer Kinder-Karneval: Die schlimmen Indianer

Da muss man erst einmal drauf kommen: Kinder, die als Indianer verkleidet zum Karneval gehen, begehen Alltagsrassismus. So jedenfalls die Meinung einer Mutter und Bloggerin. Dafür hat sie gleich Widerspruch bekommen. Vielleicht bin ich blauäugig oder es fehlt mir das richtige Bewusstsein, aber die Kritik am sogenannten latenten Verkleidungsrassismus kann ich absolut nicht nachvollziehen.


Den Post habe ich eher durch Zufall gefunden, über die Gegenrede von Stadtneurotiker Ben. Er sieht die Verkleidung der Kinder als Form der Zuneigung, nicht als eine von Rassismus. Seine Kernaussage:

„Wir müssen die Kinder nicht auch noch an Fasching mit unseren guten Absichten und einwandfreien Ansichten überschütten“

Auslöser für seinen Blogpost ist eine ausführliche Abhandlung von Ella über kulturelle Aneignung und Alltagsrassismus im Fasching. Sie begründet darin, warum sie ihren Kindern zum Karneval keine Indianderkostüme näht. Unter anderem führt sie an:

„Europäer*innen haben an Native Americans Völkermord verübt. Das ist nichts, was sich dazu eignet, auf lustige Weise als “Cowboy und Indianer”-Spiel in heimischen Gärten, Zeltlagern oder Bad Segeberg nachzuahmen.“

Ben kontert:

„Ihnen (den Kindern) jedoch aus gut gemeinter Haltung eine Kostümierung zu verbieten, die nicht dem Spott dient, sondern eine Zuneigung ausdrückt, ist falsch.“

Recht hat er. Von den Verfechtern von Ellas These wird angeführt, die Native Americans, wie die Indianer korrekt genannt werden, würden durch kleine Indianer beim Kindergartenfasching diskriminiert, ihre Kultur herabgesetzt. Deshalb sei es nicht angemessen, sich selbst oder sein Kind als Indianer zu verkleiden. Ich kann nicht nachvollziehen, warum ein Knirps beim Kita-Karvneval in Hintertupfingen einen Native American in Colorado in seiner Würde herabsetzen soll. Eine Kommentatorin hat es auf den Punkt gebracht:

„Welche Gruppe also diskriminiert wird, hängt schlussendlich also auch davon ab, wo man sich befindet und – das möchte ich ergänzen – in welcher Zeit man sich befindet.“

Lasst die Kinder doch als Indianer zum Karneval gehen, wenn sie Spaß daran haben. Nicht jedes harmlose Vergnügen, nicht jede Tradition muss immer mit Sinn überfrachtet und auf den Diskriminierungsprüfstand gestellt werden. Eltern und Erzieherinnen können den Kindern im Karneval die Geschichte der Native Americans erzählen und ihnen vermitteln, dass die Indianer aus dem Film und aus Bad Segeberg nichts mit denen zu tun haben, die diesen Völkern angehören.

Spinnt man den Gedanken von Ella weiter und will jede Form von angeblicher oder wirklicher Alltagsdiskriminierung beseitigen, hieße das in letzter Konsequenz nicht nur, Winnetou-Filme und Karl-May-Spiele abzuschaffen, sondern auch die Bücher von Karl May aus den Bibliotheken und Buchhandlungen zu verbannen. Wollen wir das wirklich? Symbolische Bücherverbrennung – sprich Bücherverbannung – im Namen des Guten? Ich will es nicht, ganz und gar nicht. Und vor allem: Wo endet das?

Einen anderen Einwand, der mir bei Texten wie denen von Ella immer wieder auffällt, möchte ich noch aufgreifen. Stets wird betont, die sogenannte weiße Mehrheitsgesellschaft wolle sich anmaßen zu bestimmen, was Rassismus sei. Weißen, und dann noch Männern, stehe das nicht zu. Kann man so sehen. Aber sich ständig über die weiße Mehrheit zu mokieren, ist in einem Land in Mitteleuropa so ähnlich, als rege man sich darüber auf, dass die Fische die Mehrheit im Meer stellen. Wir leben nun mal in einer weißen Gesellschaft. Das gibt uns nicht das Recht, Menschen anderer Hautfarbe zu diskriminieren. Aber das zwingt uns als Weiße auch nicht dazu, ständig in Sack und Asche zu gehen.

6 Kommentare

  1. Als ich klein war, habe ich Western geliebt – und zwar nur die mit Indianern, und am meisten die mit den positiv dargestellten Indianern. „Der gebrochene Pfeil“ ist so ein Beispiel (immer aus der Perspektive von damals betrachtet). Für mich waren das die wahren Helden, auf deren Seite ich stand.

    Kinder, die als Indianer zum Fasching gingen, waren die Coolen, Cowboys die Spießer.

    Ich kann mich noch sehr gut in diese Gefühle von damals hineinversetzen und versichern: Es war mehr Bewunderung für Indianer als irgendeine Art von arrogantem Rassismus.

    Und ich gebe dir recht, wohin soll das bitte führen? Als nächstes kommt der Tierschutzverein und sagt, die Kinder sollen keine Bären verunglimpfen, oder Zehnfusskrebse.

  2. Hi Susanne,

    zuerst dachte ich an einen Aprilscherz. Der kritische Blick auf den Kalender sagte aber was anderes.

    Ich vermute mal das die Schreiberin den Inhalt genau so meint wie er geschrieben ist. Und als Rheinländer, der alle Metamorphosen der Verkleidung hinter sich hat, erstarrt man willkürlich zu Eis, um dann den Kopf permanent gegen die Wand zu schlagen.

    Natürlich kann man sich gegen eine Verkleidung im Karneval sträuben. Aber das Argument, welches dafür herhalten muss, ist aus meiner Sicht eine Schande.

    Meine Exfrau hat in ihrem Kindergarten einmal einen Indianer und Cowboyverein eingeladen, um den Kindern andere Sichtweisen zu zeigen. Schon der Aufbau eines Tipi ist eine Wissenschaft für sich. Hinzu kommen die vielen Rituale, wie etwa der Tanz der Schamanen. Die Kids waren völlig ausser Rand und Band, und völlig fasziniert. Sie (die Kinder) spürten, dass eigentlich keiner ohne den anderen auskommt. Indianer und Cowboys nicht als Gegner zu sehen, sondern als Symbiose für Weiterentwicklung der Gesellschaft. Der Respekt der Kids vor den Indianern und Cowboys wuchs von Stunde zu Stunde. Und als was wollten sich die Kinder später im Karneval verkleiden??? Genau.

    Der Artikel ist auch ein Schlag ins Gesicht der vielen Indianer u. Cowboyvereine, die mit viel Engagement bei der Sache sind. Hier lernen Kinder wie man überlebt, sich in die Gesellschaft einfügt, Respekt anderen gegenüber aufbringt, Spaß am Leben hat.

    Ich schäme mich für keine Zeit, in der ich als Indianer und Cowboy den Karneval verbracht habe.

    Noch ein nachdenklicher Satz, der mir von einem Indianer der Six Nations erzählt wurde:

    Ein am Straßenrand stehender Indianer wird von einem freundlichen Amerikaner mit schnellem Auto mitgenommen. Der Fahrer zeigt dem Indianer was er für ein schnelles Fahrzeug hat, und gibt richtig Gas. Plötzlich schreit der Indianer laut auf: „STOPP…nicht so schnell. Meine Seele kommt nicht mehr mit“.

    In diesem Sinne.

    Dieter

  3. Überall Alltagsrassimus zu sehen ist nichts neues für Social Justice Warriors. Hier ist was vom letzten Jahr wo eine Faschingshasserin vermeintlich gute Tipps gibt.

    http://www.dangerbananas.de/2014/02/kleiner-leitfaden-fur.html

    “ Dann führen Sie Ihre Uralt-Garderobe wieder aus und gehen als 90er Jahre Mensch: Packen Sie Ihre Buffalos wieder aus oder Ihre Schnellf*ckerhose mit den Knöpfen und den drei Streifen am Hosenbein“

    Das die Alte-weisse-Männer-Leier nichts weiter als Rassismus, Sexismus und sog. Ageismus ist, diese Ironie entgeht diesen Leuten.

    1. Hey Susanne,

      ich seh das so wie Sabienes. Wer irgendwo Rassismus sehen will, der sieht den auch überall. Ich habe früher als Kind bei den Schaumküssen auch nie an irgendetwas anderes gedacht, als an eine Süßigkeit. Aber so ist die Welt einfach.

      Lg Mel

  4. Hallo Susanne,

    auch ich habe an Fasching mein Indianerkostüm mit Stolz getragen. Die Bewunderung für diese Menschen stand damit für mich im Vordergrund und natürlich, dass man an kleines Mädchen die perfekte Schönheit von Nscho-tschi nachahmen wollte.
    Manche Dinge die man als Rassismus bezeichnet sind wirklich an den Haaren herbeigezogen. Man kann es Treiben und Übertreiben.
    Dürfen die Kids dann auch nicht mehr als Alien oder Chinesin gehen?

    Liebe Grüße
    Sandra

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