Paul Gerhardt: Wuchtige Worte nicht nur zum Karfreitag

Kirchenmusik ist die Kunst, Botschaften des Wortes mittels Harmonien und den Klängen von Stimmen und Instrumenten in Gefühl umzuwandeln. Dabei sind diese Worte, vor allem wenn sie nicht aus der Bibel stammen, für uns heute nicht immer gefällig und manchmal sogar unverständlich. Doch es gibt einen Meister der Kirchenlieddichtung, dessen wenn auch manchmal altertümliche Sprache noch heute großen Eindruck macht und dessen Texte ohne Musik für sich allein stehen können: Paul Gerhardt.

„O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret, gegrüßet seist du mir.“

So lauten die wohl bekanntesten Textzeilen Paul Gerhardts zum heutigen Karfreitag. Der Dichter hat aber viel mehr geschrieben, überliefert sind 139 Liedtexte in deutscher Sprache, darunter so bekannte wie das Weihnachtslied „Wie soll ich dich empfangen“ und das Frühlingslied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“. Viele kennen heute noch die Lieder, aber ihr Dichter ist nur in Kirchenkreisen noch so präsent, wie er es verdient hätte.

Paul Gerhardt lebte von 1607 bis 1676. Ein Großteil dieser Lebensspanne wurde vom Dreißigjährigen Krieg bestimmt, jenem verheerenden Ereignis, das ähnlich wie der Zweite Weltkrieg Europa in seinen Grundfesten erschütterte und viel Leid über die Menschen brachte. Auch Paul Gerhardt erfuhr viel Schweres. Vier seiner fünf Kinder starben früh, Krieg, Krankheit und Tod prägten sein Leben. Umso erstaunlicher, wie sehr seine Texte von Gottvertrauen, Trost und Hoffnung geprägt sind.

Nichts symbolisiert dieses Gottvertrauen so sehr wie das Gedicht „Befiehl du deine Wege“, hier in der Originalschreibweise.

Befiehl du deine wege /
Und was dein hertze kränckt /
Der allertreusten pflege
Deß / der den himmel lenckt /
Der wolcken / lufft und winden /
Gibt wege / lauf und bahn /
Der wird auch wege finden /
Da dein fuß gehen kan.

Dem HErren must du trauen /
wann dirs soll wol ergehn:
Auf sein werck must du schauen /
Wann dein werck sol bestehn.
Mit sorgen und mit grämen
Und mit selbsteigner pein
Läßt Gott ihm gar nichts nehmen /
Es muß erbäten seyn.

Dein ewge treu und gnade /
O Vater / weiß und sieht /
Was gut sey oder schade
Dem sterblichen geblüt /
Und was du denn erlesen /
Das treibst du / starcker Held /
Und bringst zum stand und wesen /
Was deinem rath gefällt.

Weg hast du allerwegen /
An mitteln fehlt dirs nicht /
Dein thun ist lauter segen /
Dein gang ist lauter liecht /
Dein werck kan niemand hindern /
Dein arbeit darf nicht ruhn /
Wenn du / was deinen kindern
Ersprießlich ist / wilt thun.

Und ob gleich alle teufel
Hie wolten widerstehn /
So wird doch ohne zweifel
Gott nicht zurücke gehn /
Was er ihm fürgenommen /
Und was er haben wil /
Das muß doch endlich kommen
Zu seinem zweck und ziel.

Hoff / o du arme seele /
Hoff und sey unverzagt /
Gott wird dich aus der höle /
Da dich der kummer plagt /
Mit grossen gnaden rücken /
Erwarte nur die zeit /
So wirst du schon erblicken
Die Sonn der schönsten freud.

Auf / auf / gib deinem schmertze
Und sorgen gute nacht /
Laß fahren / was das hertze
Betrübt und traurig macht /
Bist du doch nicht Regente /
Der alles führen sol /
GOtt sitzt im regimente
Und führet alles wol.

Ihn / ihn laß thun und walten /
Er ist ein weiser Fürst /
Und wird sich so verhalten /
Daß du dich wundern wirst /
Wann er / wie ihm gebüret /
Mit wunderbarem rath
Das werck hinaus geführet /
Das dich bekümmert hat.

Er wird zwar eine weile
Mit seinem trost verziehn
Und thun an seinem theile /
Als hätt in seinem sinn
Er deiner sich begäben /
Und soltst du für und für
In angst und nöthen schweben /
So frag er nichts nach dir.

Wirds aber sich befinden /
Daß du ihm treu verbleibst /
So wird er dich entbinden /
Da dus am wengsten gläubst /
Er wird dein herzze lösen
Von der so schweren last /
Die du zu keinem bösen
Bisher getragen hast.

Wohl dir / du kind der treue /
Du hast und trägst davon
Mit ruhm und danckgeschreye
Den sieg und ehrenkron /
Gott gibt dir selbst die palmen
In deine rechte hand
Und du singst freudenpsalmen /
Dem / der dein leid gewandt.

Mach end / o HErr / mach ende
An aller unser noth /
Stärck unser füß und hände /
Und laß bis in den tod
Uns allzeit deiner pflege /
Und treu empfohlen sein /
So gehen unsre wege
Gewiß zum himmel ein.

Auffällig ist die Schreibweise HErr und GOtt mit jeweils zwei Versalien am Textanfang. Das ist kein Tippfehler, sondern taucht auch bei anderen geistlichen Texten aus dieser Zeit auf. Eine Theologin hat es genauer erklärt: „Besondere Worte schreibt man besonders.“

Paul Gerhards Texte sind vielfach vertont worden und haben als Lieder und Musikstücke die Zeit überdauert, nicht als Gedichte. Dabei stehen die Texte für sich, sind auch ohne Töne lesenswert. Mit Musik entfalten sie allerdings erst ihren ganzen Zauber. Hier eine Karaoke-Version von „Befiehl du deine Wege“ mit Noten und Text zum Mitsingen.

Ich wünsche allen einen besinnlichen Karfreitag.

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