#MeinBlauerReiter: Kunst lieben – Eine Frage von Alter von Wissen

Blau ist meine Lieblingsfarbe. Kein Wunder, dass ich beim Titel „Blaue Welten“ aufgemerkt habe. Was das ist, verrate ich etwas später. Diese blauen Welten haben mich dazu inspiriert, über mein Verhältnis zu Franz Marc und zur Kunst im Allgemeinen nachzudenken. Ergebnis: Die Liebe zur Kunst ist im Laufe meines Lebens von Alter und Wissen bestimmt worden und hat sich damit verändert. Irgendwann ist sie bei Franz Marc angekommen und darüber hinaus gewachsen.

Ich habe Kunst, vor allem Malerei, immer geliebt. Ich weiß auch genau, woher das kommt. Es gibt zwei Auslöser: Dresden und Tchibo. Dresden deshalb, weil mein Vater von dort stammt und wir als Kinder mit unseren Eltern immer wieder die Stadt besucht haben. Eine Freundin der Familie war dort sogenannte Stadtbilderklärerin, wie es in der DDR hieß, also Fremdenführerin. Sie hat uns ins Grüne Gewölbe mitgenommen, das damals noch nicht wieder im Schloss aufgebaut war. Vor allem aber waren wir mit ihr in der Sammlung Alter Meister. Die Gemälde dort haben mich nachhaltig geprägt. Ich habe sie geliebt und sie mir zu Hause immer wieder in einem Bildband angesehen.

Gemälde, die fast jeder kennt

Und Tchibo? In dem Kaffeegeschäft gab es schon in meiner Kindheit Waren, die nichts mit Kaffee zu tun hatten. Dort habe ich in den 70er Jahre das Buch „Die berühmtesten Gemälde der Welt“* von Manfred Wundram gekauft. Es zeigt 100 der wahrscheinlich bekanntesten Gemälde, die es bis dahin gab. Sie reichen von „Das Paradiesgärtlein“ eines unbekannten oberrheinischen Meisters bis zu „Ertrinkendes Mädchen“ von Roy Lichtenstein. Jedes Werk und sein Künstler werden auf einer großformatigen Seite populärwissenschaftlich beschrieben.

Als ich das Buch gekauft habe, war es vor allem wegen der Alten Meister. Moderne Kunst, wobei die Moderne für mich vor mittlerweile mehr als 100 Jahren begann, interessierte mich nicht. Auch nicht, als ich mit 20 Jahren das Buch „Die Expressionisten“ von Wolf-Dieter Dube geschenkt bekam. Diese Malerei sprach mich zunächst gar nicht an. Das Buch blieb lange ungelesen im Schrank.

Begegnung mit moderner Kunst

Es folgte ein (abgebrochenes) Studium der Kunstgeschichte, das sich zunächst vor allem der Architekturgeschichte widmete und später den regionalen schleswig-holsteinischen Künstlern wie Peter Nagel und Pierre Schumann. Später folgte noch das Funkkolleg „Moderne Kunst“. Das hat mir besonderen Spaß gemacht und ich habe viel über die Kunst gelernt, wie sie sich seit Aufkommen der Fotografie und ihrer Befreiung von der Pflicht zur naturgetreuen Darstellung dargestellt hat. Das Funkkolleg und die dazugehörigen 13 Studienbriefe* haben mein Kunstverständnis nachhaltig geprägt.

Die Expressionisten und die Farbe Blau

Gleichzeitig hat sich meine Liebe zu den Bildern verlagert, weg von den Alten Meistern hin erst zu Goya, mit dem ich mich intensiv beschäftigt habe, dann zu den Impressionisten und schließlich zu den Expressionisten. Da war sie wieder, die Farbe Blau. Beim Blauen Reiter, aber auch bei Franz Marc. Und bei „Unterwegs durch blaue Welten“, einem wunderbaren Blogpost von Schauspieler und Regisseur Michael Stacheder. Unser Kontakt beschränkt sich bisher auf Twitter und auf Mails, Michael hat mir mal für einen Blogpost ein Interview zum Thema Persönlichkeitsbildung und Theater gegeben. Ich hoffe, ihn irgendwann mal persönlich zu treffen, aber München ist weit.

Das Museum Ludwig in Köln zeigt als Teil der Sammlung Haubrich etliche Bilder der Expressionisten.

Vor allem hat mich Michales Text „Unterwegs durch blaue Welten“ sehr berührt. Nicht nur wegen der Lieblingsfarbe. Michaels jüngstes Projekt, schon unter dem Eindruck und der Belastung durch Corona, ist der Briefwechsel zwischen Franz und Maria Marc unter dem Titel „Ich will Dich an der Hand führen, um Dir die Wunder der Welt zu zeigen.“ Da ist das Blaue Land, das Murnauer Moos, das nicht nur Franz und Maria Marc, sondern auch Wassily Kandinsky faszinierte. Da ist aber auch der „Blaue Reiter“, die Künstlergruppe. Im Almanach „Der Blaue Reiter“ schreiben die Künstler über Musik, Malerei, Theater.

Der Maler der bunten Tiere

Der Weg ist nicht weit vom Blauen Reiter zu den blauen Pferden. Franz Marc ist der Maler der bunten Tiere und hebt sich damit von den übrigens Expressionisten ab. Seine Bilder sind ihm stets unzweifelhaft zuzuordnen. Vor allem aber explodieren sie wie die Bilder der anderen Expressionisten förmlich vor Farbe und Intensität. Etwas, was ich erst als Erwachsene schätzen gelernt habe und seitdem sehr liebe.

August Macke: „Dame in grüner Jacke“ von 1913.

Es war ein langer Weg von den Alten Meistern – besonders mochte ich den „Zinsgroschen“ von Tizian – bis zu den Expressionisten und darüber hinaus. Je älter ich wurde und je mehr ich mich mit Kunst beschäftigt habe, desto näher rückte ich dem 20. Jahrhundert. Ich begann die Expressionisten so sehr zu schätzen wie einst die Alten Meister. Zunächst Kandinsky, der mir aber etwas dadurch verleidet wurde, dass seine Bilder gefühlt überall als Poster hingen. Dann August Macke, den dieses Schicksal ebenfalls ereilt hat, wenn auch nicht so heftig. Franz Marc nahm mit seinen Tierbildern stets eine Sonderrolle ein.

Ihm haben Poster seiner Werke, seine mit Füßen getretenen Füchse (als Fußmatte*) nichts anhaben können. Seine Kunst ist unantastbar und einmalig. Ob blau oder nicht. Marcs Tiere sind so zeitlos wie Tiere es nunmal sind.

Der Krieg tötet die Kunst

Wir wissen nicht, wie sich Franz Marc und August Macke, die beiden Impressionisten, die so jung dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen sind, weiterentwickelt hätten. Erste Ansätze hin zu mehr Abstraktion sind erkennbar. Wären sie dem Trend zur ungegenständlichen Malerei gefolgt? Beide haben nur eine sehr kurze Schaffensperiode gehabt, die um so prägender war.

Ich bin in meinem Kunstverständnis und meiner Liebe zur Kunst nicht stehengeblieben. Ich habe für mich immer neue Maler aus immer späterer Zeit endeckt. Yves Klein, den Meister des Blaus (da ist es wieder). Wols, dessen „Blaues Phantom“ mein Lieblingsgemälde ist, Jackson Pollock, Mark Rothko. Maler, deren Werk nur durch Wissen zu verstehen ist. Wer weiß, der liebt und schätzt diese Kunst. Es geht nicht nur ums Gefallen, es geht ums Fühlen, um Geistiges. Malerei ist ein Transportmittel für das Leben da draußen. Das hat Franz Marc gewusst, das ist durch seine theoretischen Schriften belegt.

Museum Ludwig in Köln
Monochrom blau: IKB 73 (links) und Blaues Schwammrelief: RE 19, beide von Yves Klein.

Was die Kunst zur Kunst macht

Dieses Wissen, dass Malerei mehr ist als Farbe auf Leinwand, macht die Kunst zur Kunst. Wer weiß, kann es spüren. Dann sind auch die Bilder der Expressionisten mehr als nur die Dekoration, als die sie oft verwendet werden.

Trotz aller Begeisterung für den Blauen Reiter, die blauen Welten und die blauen Pferde, muss ich Franz Marc allerdings in einem widersprechen. Im Dezember 1910 charakterisierte er die Farben. Dort heißt es: „Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig.“ Als Liebhaberin der Farbe Blau finde ich das nicht sehr treffend. Aber was weiß ich schon?

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Ein Kommentar

  1. Liebe Susanne,

    auch an dieser Stelle noch einmal ein ganz großes Dankeschön, dass Du bei #MeinBlauerReiter mitgemacht hast. Ein schöner und vor allem persönlicher Text über die Kunstliebe und welche Bedeutung Kunst in diesen Tagen für viele von uns hat. Ein Lebenselixier! Danke.
    Herzliche Grüße aus dem Süden in den Norden, Michael

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