Internet – jedem sein Fluch und sein Segen

Ist das Internet toll? Oder ist es ein Fluch? Macht es süchtig oder schlau? Wollen wir das oder wollen wir es nicht? Und wenn wir es nicht wollen, können wir uns ihm entziehen? Man sollte glauben, im Jahr 13 (grob geschätzt) nach Beginn der flächendeckenden  Internetnutzung sind das Fragen, die längst beantwortet sind. Denkste. Das Thema treibt immer neue Blüten – mit Recht.

Warum ich mich jetzt damit beschäftige? Auslöser ist ein Artikel von Sascha auf gesichtet.net. Dort stellt er die Frage „Blogs und Soziale Netzwerke – zerstören wir die Gesellschaft?“ und bezieht sich dabei auf einen Artikel von Horst Schulte, bei dem es darum geht, ob das Internet eine destruktive Wirkung auf unsere Gesellschaft erzielt. Beide beschäftigen sich mit der Frage, wie Menschen im Netz ihren Standpunkt vertreten und vor allem, wie sie sich dabei benehmen. Dass das nicht immer auf die feine Art geschieht, wissen alle, die regelmäßig im Netz unterwegs sind. Wie ich damit umgehe, habe ich bei Sascha in einem Kommentar geschrieben.

Jeder blamiert sich, so gut er kann. Fällt solche Pöbelei nicht auf den zurück, von dem sie kommt? Zeigt sie nicht, wes Geistes Kind derjenige ist? Außerdem ist es im Internet doch fast wie im wirklichen Leben. Die Seiten die ich besuche, die Leute, denen ich auf Twitter folge, die Blogs, die ich abbonniere, suche ich mir doch selber aus. Wenn mir etwas nicht passt, entfolge ich oder kündige das Abonnement. Oder aber, wenn die Texte gut sind, aber die Kommentare unsäglich, dann lese ich sie einfach nicht. Letztlich ist jeder selbst dafür verantwortlich, wie er das Internet nutzt und was er an sich heranlässt.

Zwei Lehrerinnen, zwei Meinungen

Hier will ich jetzt aber die Kommentare mal beiseite lassen. Es geht mir mehr darum, ob das Internet für uns, speziell für mich, Fluch oder Segen ist. Zuvor möchte ich von einem Elternabend in der 3. Klasse der Grundschule berichten. Erst stellte sich Lehrerin 1 vor, dann, als die andere schon in der nächsten Klasse verschwunden war, Lehrerin 2. Und beide gaben ihre Meinung zum Thema Internet zum besten (aus der Erinnerung zitiert und zugegeben etwas überspitzt wiedergegeben).

Lehrerin 1:

Liebe Eltern, lassen Sie Ihr Kind bloß nicht an den Computer und schon gar nicht ins Internet. Das ist alles Teufelszeug, das ist so schädlich, wenn Sie das zulassen, werden Ihre Kinder nie und nimmer einen guten Weg durchs Leben nehmen. Da gibt es nur Schmutz und Schund, vor dem Sie Ihre Kinder schützen müssen. Der Computer sollte für die Kinder tabu sein.

Lehrerin 2:

Liebe Eltern, üben Sie bitte mit Ihrem Kind täglich am Computer. Lernen Sie den Umgang mit Suchmaschinen, vermitteln Sie ihnen, was es im Internet alles gibt, aber auch, wie es sich schützen kann. Vor allem aber lassen Sie den Umgang mit dem Computer und dem Internet zu etwas ganz normalem werden, was Ihr Kind gut beherrscht. Das wird es auf der weiterführenden Schule brauchen.

Die Frau hatte Recht. Schon in Klasse 5 des Gymnasiums wurden Übungsaufgaben und Informationen über ein schuleigenes Intranet verbreitet, auf das die Kinder von zu Hause zugreifen konnten. Was dieser Elternabend aber besonders für mich symbolisiert, ist die Zwiespältigkeit, mit der die Gesellschaft dem Internet gegenüber steht.

Das Netz brennt nicht

Da sind die oft Zitierten, die hoffen, dass „dieses Internet wieder weggeht“. Eine Haltung, die von Unkenntnis zeugt. Das haben vor 500 Jahren schon Leute vom Buchdruck gehofft. Als auch der beziehungsweise die von ihm verbreiteten Informationen nicht wieder weggingen, griffen sie zu Verboten und zum Feuer. „Dieses Internet“ lässt sich nun nicht einfach verbrennen. Aber wie jede neue Technik der Informations- und Wissensvermittlung – Wissen ist Macht und damit gefährlich – sieht es sich Versuchen ausgesetzt, es zu zähmen. Aber es ist wie mit dem Geist, der erst einmal aus der Flasche ist: Hinein kommt er nie wieder.

Die Parallelen zwischen dem Internet und dem Buch sind aber noch viel größer. Das Kunststück ist hier wie dort die Auswahl und die Kompetenz, diese vornehmen zu können. Schund kommt überall vor, zwischen Buch- und Zeitschriftendeckeln und im Netz. Porno ebenfalls. Schwachsinn genauso. Der Unterschied liegt höchstens in der Reichweite.

Das gilt auch für das demokratische Internet. Nicht jeder kann Bücher schreiben, aber jeder kann seine Meinung ins Internet schreiben. Und da fängt das Problem an. Da kommen alle niederen Instinkte zum Vorschein, da wird gepöbelt und geschludert, gehetzt und beschimpft, was das Zeug hält. Aber da gibt es auch so viel Kluges zu lesen, schlaue Einwände und wohl überlegte Analysen. Ganz wie immer: Alles ist möglich, alles gibt es.

Neue Horizonte

Für mich überwiegen die Vorteile dennoch bei Weitem. Ich kann bösartige Kommentare überlesen oder ignorieren, ich lese dummes Zeug einfach nicht, meide Seiten, deren Inhalt mir nicht passt. Das Internet ist trotz all dieser Dinge eine wunderbare Sache. Es eröffnet mir Horizonte, zu denen ich bisher nie hätte sehen können. Es bringt mich Menschen in Kontakt, die weit von mir weg wohnen und mit denen ich sonst nie ein Wort gewechselt hätte. Es zeigt mir Fotos, die sonst nie bis zu mir vorgedrungen wären. Es ist eine wunderbare neue Welt, die wir nutzen müssen. Mit etwas Kompetenz alles kein Problem.

Mein Fazit: Ich liebe das Internet. Den Satz von Kommentator „Broken Spirit“ bei Sascha kann ich nicht nachvollziehen. Er schreibt:

In meinen Augen ist das Internet mittlerweile ein kompletter Griff ins Klo.

Dann lass doch den Deckel zu. Und öffne stattdessen lieber die Schatzkiste.

6 Kommentare

  1. Richtig, eigentlich ist es wie im wahren Leben. Da kann auch jeder seine Meinung äußern. Ich muss für mich entscheiden, was ich an mich heranlasse. Das Problem am Internet ist, dass alles archiviert wird und somit mir immer wieder vor Augen geführt werden kann. Sofern ich es denn zulasse.

    1. Na klar, wird alles archiviert. Aber wie schnell es aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwindet, kann jeder anschaulich beschreiben, der sich im Netz tummeln und einen Blog betreibt oder ähnliches. Wo immer neue Inhalte hinzukommen, rücken ältere rasend schnell aus dem Blickfeld. Wie so mancher Blogartikel, den man mühsam und mit viel Herzblut geschrieben hat. Aber eben auch Pöbeleien und allerlei Schund.

  2. :mrgreen:

    Das war jetzt aber geschickt aus dem Zusammenhang gerissen. Ich sehe das ja zum großen Teil als Urheber und da hat man im Internet eben schlechte Karten.

    Aber hast schon recht: den Deckel kann man auch zu lassen (was ich zum großen Teil bereits umgesetzt habe). Also keine Sorge, da bin ich selber draufgekommen ;-)

    1. Stimmt, Du hast es als Urheber gesehen, Sascha aber eher hinsichtlich der Kommentare und ihres Tonfalls. Insofern hast Du zum Teil Recht, und was den Umgang mit anderer Leute Leistung betrifft, ist das Netz oft wirklich ein Griff ins Klo. Ich würde es deshalb trotzdem nicht so umfassend verteufeln, wie Du das offenbar für Dich entschieden hast. Aber vielleicht bin ich da auch etwas blauäugig.

  3. Sehr schön geschrieben. Ich kann dir nur zustimmen. Meine Theorie: Wer das Internet ablehnt und als schlecht hinstellt, hat es einfach nicht verstanden.

    Es wird ja immer Menschen geben, die das ein oder andere ablehnen. Das Internet ist ganz klar Fortschritt und entwickelt sich stetig weiter. Es verbindet Menschen miteinander, die mit dem Internet sich per Videotelefonie unterhalten können und trotzdem tausende Kilometer entfernt sind und und und…

    Das Problem ist einfach, dass die Leute die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, nicht erkennen und zudem mit Hilfe von diversen Tagesblättern mit 4 Buchstaben immer schön aufgeheizt werden. Und wer das Internet ablehnt, sollte auch sein Auto abgeben, das Telefon und all den anderen Fortschritt. Das Internet ist nur soweit ein Griff ins Klo, wie man es zulässt. Man ist zum größten Teil selbst dafür verantwortlich, anhand der eigenen Aktivität und Identität. Ich meine, nach der Logik wäre die ganze Welt ein Griff ins Klo, denn dasselbe ist auf ebendiese schwupp die wupp übertragbar.

    Es tut mir leid, aber ich bin vielleicht noch mehr blauäugiger als du, keine Ahnung. Ich finde es schlimm, immer wieder zu hören, wie schlecht doch das Internet ist, da lauern nur Gefahren. Klar lauern die da, aber auch auf der Straße, an der Straßenecke, im Kühlschrank, im Freibad und trotzdem naja egal.

    1. Liebe Claudia,
      vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Du hast Recht, es ist alles immer eine Frage, was man daraus macht. Und man kann auch von der Teppichkante stürzen und sich das Genick brechen.
      LG, Susanne

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