Lukas, Telemann und Tränen

Es steht wieder ein großes Konzert des St.-Johannes-Chores Kücknitz an. Diesmal ist es die Lukas-Passion von Georg Philipp Telemann aus dem Jahr 1744. Die ist anspruchsvoll für den Chor. Außerdem hält sie ein paar sprachliche Perlen bereit.

Ich mag die Passion nicht so sehr wie andere, obwohl sich mir nach langem Üben langsam der Reiz dieser Musik erschließt. Für uns Sopran-Sängerinnen geht es hoch hinaus. Streckenweise ist das sehr anstrengend. Außerdem fehlt mir ein bisschen die Möglichkeit, schöne Töne zu singen. Das hat Telemann vor allem den Solisten vorbehalten, wir Choristen hetzen meistens durch die sehr kurzen Chorpartien. Kein Wunder, sind wir doch wie in vielen Passionen das Volk, das gehässig, fragend, fordernd, ja manchmal fast geifernd die Dramaturgie der Geschichte von Jesu Passion vorantreibt.

Dann ist da noch der Text, über den es lohnt, ein paar Worte zu schreiben. Es amüsiert uns, dass beinahe jedes Rezitativ mit den Worten „und sprachen“ endet, worauf der Chor einsetzt. Ansonsten bietet der Text nicht viel besonderes, bis auf zwei Stellen, die mir gut gefallen.

In der Nr. 3, dem Choral „Wer fleißigt betet und dir traut“ taucht ein Sorgenstein auf. Es heißt:

Sein Sorgenstein wird in der Eil‘ in tausend Stücke springen.

Was für ein schönes Bild: Ein Stein, der drückt, wie Sorgen es tun. Und der dann zerspringt. Wünschen wir uns nicht alle, dass unsere Sorgen einfach so zerspringen wie ein Stein, der gesprengt wird?

Die zweite interessante Textpassage findet sich in der großen Chorklage (Nr. 35) „Ach klage, wer nur klagen kann“. In schön komponierten Viertelketten rollen die Tränen, werden in halben Noten die Beulen besungen, sogar in Reimform. Hier hat Telemann den Text besonders schön in Musik umgesetzt.

Lasst Tränen von den Wangen rollen, die gütgen Augen sind geschwollen, voll Beulen ist sein heilger Rücken, wer kann dies ohne Schmerz erblicken, wer sieht es ohne Mitleid an?

Übrigens endet das Rezitativ vor der großen Chorklage ausnahmsweise mal nicht mit „und sprachen“, sondern mit „und beweinten ihn“.

Wer sich jetzt noch fragt, woher das Hintergrundfoto des Plakates stammt: Das ist eine Passions-Installation in St. Johannes Lübeck-Kücknitz, die ich vor einigen Jahren von der Empore aus fotografiert habe.

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