Der Aschenbecher und das Geheimnis des Eisbären

Familiengeschichte ist oft mit Rätseln behaftet. Eines unserer Rätsel heißt Eisbär und ist ein Zigarrenascher aus dem späten Art Deco. Hergestellt hat ihn die Porzellanfabrik Peters & Rauschert.

Aschenbecher, Eisbär, Art Deco, 1933, Peters & Rauschert
Art-Deco-Aschenbecher mit Eisbär aus Thüringen.

Der Eisbär stand stets auf dem Schreibtisch meines Großvaters Johannes Frege (1904-1972). Er war Diplom-Ingenieur, erst in Cossebaude bei Dresden, denn in Gevelsberg bei der Firma Krefft, später Bauknecht. Aus seiner beruflichen Tätigkeit in Dresden muss der Eisbär stammen. Aber aus welchem Anlass hat er ihn bekommen, welche Geschichte steckt dahinter?

Der Aschenbecher trägt eine Aufschrift. Vorne steht „Porzellanfabrik Peters & Rauschert“ sowie „Hüttengrund Hüttensteinach i. Th.“ und in der Mitte das Datum „1. IV. 1933“. Der Boden ist signiert mit dem Wort „Annawerk“.

Noch eine Familiengeschichte

Eine Firma Rauschert gibt es noch. Sie stellt Technische Keramik und Kunststoff-Formteile her. Das Unternehmen geht zurück auf eine Fabrik, die am 1. Juli 1898 in Hüttengrund/Thüringen gegründet wurde. Sie stellte sogenanntes Elektroporzellan und wenig später auch Beleuchtungsporzellan her. Dazu gehören Isolatoren, aber auch Fadenführer und Abspanneier.

Roland P. Rauschert, der Geschäftsführer der heutigen Firma Rauschert, hat ein bisschen für uns nachgeforscht, aber nicht viel herausfinden können. „Auch durch Rückfragen bei älteren Familienmitgliedern konnte ich nicht klären, ob dieser Aschenbecher eine Einzelanfertigung oder ein Werbeartikel ist.“ Rauschert vermutet ebenfalls, dass das Datum vom 1. 4. 1933 auf einen besonderen Anlass schließen lässt.

Rätselhaft bleibt, welche Bedeutung das Datum für das Unternehmen hatte. Die Firmengeschichte vermerkt dazu lediglich: „Durch Erbauseinandersetzung verliert Rauschert 1933 die Werke Hüttengrund und Steinwiesen.“ Es muss aber einen Anlass gegeben haben, zum 1. April 1933 ein so wertvolles Werbegeschenk wie den Eisbären zu produzieren. Denn eine Art Werbegeschenk muss der Aschenbecher gewesen sein. Warum sonst sollten Firmennamen und Datum vermerkt sein? Was heute der – manchmal auch hochwertige – Kugelschreiber mit Firmenaufdruck ist, war damals eben ein Zigarrenascher.

Der unbekannte Weg des Bären

Unbekannt ist zudem, wie der Eisbär vom Elektroporzellan-Hersteller an einen damals noch recht jungen Diplom-Ingenieur geriet, der in einer Eisenwarenfabrik in Cossebaude arbeitete. Warum und zu welcher Gelegenheit mein Großvater den Eisbären bekam, ist in der Familie unbekannt. Nur dass der Aschenbecher Jahrzehnte auf dem heimischen Schreibtisch von Johannes Frege stand, daran erinnern sich seine Kinder und Enkel noch gut.

Jetzt steht er auf meinem Schreibtisch. Ich wüsste zu gerne, aus welchem Anlass er hergestellt wurde. Es gibt ihn, das hat eine Internetrecherche ergeben, auch ohne Werbeaufschrift. Und er scheint ein sehr seltenes Stück zu sein. Aber nicht deshalb, sondern als Erinnerung an meinen Großvater werde ich ihn in Ehren halten.

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5 Kommentare

  1. Hallo Susanne,
    ich habe diesen Bericht durch Zufall gefunden und da ich aus einer der Porzellanfamilien stamme, kann ich vielleicht ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen.
    Der Aschenbecher war damals ein gängiges Kundengeschenk unter Direktoren, da gerne Zigarre geraucht wurde, so auch meine Großväter; das Zigarrerauchen war damals ein Statussymbol unter coolen Geschäftsleuten.
    Der Ascher wurde sicher vom Annawerk, Rödental (heute Saint Gobain) ausgegeben, und zwar als Kundengeschenk an den damaligen Kunden (hier Peters & Rauschert, Hüttengrund) von feuerfesten Schamottsteinen und Platten, die bei der Herstellung von Porzellan beim Brennvorgang Verwendung fanden.
    Wie schon richtig erwähnt, war das Hauptwerk in Hüttengrund früher das Kernstück der Rauschert Firmengruppe und wurde vorher 1932 durch eine Erbauseinandersetzung in Realteilung an die Witwe vom damaligen Firmenchef Carl Rauschert (der selbst durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam), nämlich an Maria Rauschert, geb. Wittmann, und deren neuen Ehemann Peters abgetreten. Die Firma wurde umbenannt in Peters & Rauschert, obwohl sie gar nicht mehr zur Rauschert Gruppe gehörte und sich die beiden Firmen von nun an in Konkurrenz befanden. Man hatte den Namen Rauschert wohl mit in den Firmennamen übernommen, um sich mit dem guten Namen zu rühmen und, um damit indirekt in Verbindung gebracht zu werden; in Wirklichkeit war es aber eine Erbauseinandersetzung mitten in der tiefsten Rezession, die die Rauschert Gruppe fast an den Rande des Ruins gebracht hätte.
    Der Eisbär als solcher ist auf vielen Devotionalien der damaligen Zeit zu finden, er könnte aber auch das Wahrzeichen des Annawerkes gewesen sein.
    Nun zum Datum, dem 1.4.1933: das war der Tag an dem die Nationalsozialisten den Judenboykott proklamierten; man sollte bei keinem jüdischen Geschäft oder Unternehmen mehr kaufen.
    Warum nun der Acher zu diesem Tag ausgegeben wurde, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, man kann das nur vermuten.
    hier noch ein paar Links:
    http://www.ebay.de/itm/Art-Deco-Keramik-Aschenbecher-mit-Eisbaer-Baer-Annawerk-Oeslau-Coburg-Roedental-/371395420268?nma=true&si=AXFLVXpETb9qo8%252BCCZzsB6cbKQY%253D&orig_cvip=true&rt=nc&_trksid=p2047675.l2557
    https://www.dhd24.com/archiv/2010/4/5284/1/Antiquitaeten-Kunst-Sammlungen/43/Glas—Porzellan-Antiquitaeten/71699449/Aschenbecher-ANNAWERK.html
    https://www.google.at/search?tbm=%20isch&q=Annawerk+Eisb%C3%A4r&ei=XQ8NWeX6CqqCgAb866mYDA

    1. Vielen Dank für die weiterführenden Informationen, und dann noch aus berufenem Munde. Ich hatte immer eine Schwäche für Geschichte und vor allem für Familiengeschichte. Der Eisbär hat meine Phantasie angeregt und ich freue mich über jedes weitere Detail dazu.

      1. Ich vergaß noch zu erwähnen, dass der neue Ehemann der Witwe Maria Rauschert, geb. Wittmann, Herr Peters (Vorname?) der damalige (~1932) Direktor des Annawerks war. Es könnte Gerhard Peters gewesen sein, denn auf ihn sind zahlreiche Patente für das Annawerk eingetragen worden; derjenige könnte aber auch der Sohn sein, da Patente bis 1994 angemeldet wurden.
        Vielleicht wissen dies Dritte besser – das wäre schön, wenn sich hierauf eine Antwort finden ließe…..

    2. Hallo,
      ich habe eben solchen Aschenbecher aus Hannover geschenkt bekommen. Wie der in die Familie gekommen ist konnte mir der Besitzer nicht mehr sagen.

      1. Das ist oft so bei Gegenständen, die schon so lange in Familien sind. Diese Aschenbecher sind um die 80 Jahre alt, da gehen die Erinnerungen an ihre Herkunft schon mal verloren.

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