Cis-Männer? Was soll das sein?

Ich kann mich sehr darüber aufregen, wenn Menschen andere Menschen mittels Sprache vom Verstehen ausschließen. Ob das durch verschwurbeltes Verwaltungsdeutsch geschieht, durch unverständliche Fachsprache oder durch Begriffe, die der breiten Öffentlichkeit nicht geläufig sind. Darin steckt für mich eine ordentliche Portion Arroganz. Dieses Um-sich-werfen mit unverständlichen Begriffen beobachte ich immer wieder, gerade wenn es um das Geschlechterverhältnis, um Gleichberechtigung von Mann und Frau, eben ums Gendern geht. Dass ich mit dieser Einschätzung gar nicht so falsch liege, haben die vergangenen Tage bewiesen.

Es ging um Sexismus und Rassismus an einer Polizeischule. Ein Artikel, der auf Facebook eifrig kommentiert wurde. Dabei wurde ein Kommentator von einem anderen als Cis-Mann bezeichnet. Der daraufhin: „Und was bitte soll ein Cis-Man sein???“ Genau dieses Zitat habe ich dann vertwittert. Auch darauf kam eine Reaktion.


Die Bezeichnung Cis-Mann – es gibt übrigens auch Cis-Frauen – ist offenbar lange nicht so geläufig, wie manche glauben. Eine gute und verständliche Erklärung habe ich bei queer-at-school.de  gefunden:

Cis-geschlechtlich „Cis“ (diesseits) bezeichnet, dass eine Person in Übereinstimmung mit ihrem zugewiesenen Geschlecht lebt. Cis-geschlechtlich zu sein entspricht, im Gegensatz zu trans*geschlechtlich, der Norm.

Diejenigen, die das Wort verwenden, wollen damit etwas mitteilen, für oder gegen etwas argumentieren. Dabei übersehen sie allerdings, dass sie damit nur einen eingeschränkten Kreis an Empfängern erreichen, nämlich die, die sofort wissen, was das ist. Ich mache mir übrigens gerne den Spaß und frage Menschen in meinem Umfeld, ob sie den Begriff Cis-Mann kennen. In fast allen Fällen ernte ich nur Unverständnis und Kopfschütteln. Ehe jetzt jemand sagt, das sei nicht der richtige Kreis dafür: Es handelt sich durchaus um intelligente, gebildete und welterfahrene Menschen. Sogar solche, die nicht zu faul zum Denken sind.

Die Erklärung von Dierk finde ich ein bisschen zu sehr um die Ecke gedacht:

Auch seine Reaktion auf diesen Einwand von mir kann ich nicht nachvollziehen.

Ich finde es falsch, den Fehler beim Empfänger der Botschaft zu suchen. Kommt sie nicht an, liegt es am Sender. Wer für seine Haltung, seine Meinung, für eine Sache eintritt, muss dafür sorgen, dass er verstanden wird. Es ist nicht Sache des Gegenübers, erst einmal Vokabeln zu lernen, um zu verstehen, was der andere von ihm will. Das gilt im alltäglichen Gespräch, viel mehr aber noch bei veröffentlichten Texten.

Machen wir es unseren Lesern leicht, uns zu verstehen, dann lesen sie auch, was wir geschrieben haben. Wer darauf beharrt, der Empfänger müsse sich erst einmal schlau machen und etwas dafür tun, uns zu verstehen, der wird schnell erleben, dass der Empfänger aus dem Text aussteigt. Ziel verfehlt.

Das wollen offenbar nicht alle so sehen. Wie sonst ließe sich die Antwort des Facebook-Kommentators auf die ratlose Frage nach dem Wort Cis-Mann des anderen verstehen.

„Aber wer mit Begrifflichkeiten wie cis überfordert ist, der hat sich außerhalb seiner Blase mit der gesamten Problematik noch nie auseinandergesetzt, wie mir scheint.“

7 Kommentare

  1. Das Wort habe ich noch nie gehört. Und ich würde es nicht mit dem cisalpin in Verbindung bringen, das ist für mich ein Zug ;-) Dito Transalpin.
    Mir ist die Erklärung auch zu fest ums Eck gedacht. Das hat für mich nichts mit der Bequemlichkeitsecke zu tun. Man muss wirklich nicht für alles Fremdwörter benutzen, seltene/verarltete erst recht nicht.

    1. Ich keannte Cis dagegen nur aus der Musik, als Erhöhung des C. Erst seitdem ich ein paar Mal über den Begriff Cis-Männer gestolpert bin, habe ich mich schlau gemacht. Man lernt halt nie aus.
      LG, Susanne

  2. „Cis“ liegt als Gegenteil von „Trans“ einfach nahe. „Trans“ ist eine Benennung (kein Begriff), der es in die Normsprache geschafft hat. „Cis“ noch nicht, aber das macht nichts. Sprache lebt ja von ihren Neuerungen. Wenn man deine Haltung auf alles anwenden würde, was Sprache ausmacht, liefe dies auf eine Diktatur von Sprachwächtern hinaus.

    Auch den Fehler beim Sender zu verorten, hat etwas Diktatorisches, wenn damit gemeint sein soll, der Sprecher habe so zu sprechen, dass auch der vorletzte oder letzte Depp noch versteht, was er sagen will. Unter dieser Bedingung kann man gleich aufhören zu reden und muss sich sämtlicher komplexer Aussagen enthalten.

    Mir ist das Vermögen der Entschlüsselung des Empfängers egal und das nicht, weil ich den Empfänger verachtete, sondern weil ich nicht für alle möglichen und unmöglichen Empfänger in dieser Republik verständlich schreiben kann. Und ich will es auch nicht, Punkt!

    1. Richtig, Sprache verändert sich und es gibt immer wieder neue Wörter, die in den Sprachgebrauch eingehen. Viele davon sind irgendwann für jeden verständlich und können deshalb getrost verwendet werden. Andere bleiben den meisten Menschen ein Rätsel, man denke nur an das neue Modewort temporär, bei dem sich wahrscheinlich viele nicht trauen zuzugeben, dass sie gar nicht so genau wissen, was damit gemeint ist.
      Natürlich können wir alle nicht für „den letzten Depp“ schreiben, aber immerhin, wie wir Zeitungsleute sagen, wir Oma Meier. Ich halte es für die vornehmste Aufgabe jedes Schreibers, nicht platt, aber so so zu schreiben, dass es die Mehrheit der Menschen versteht. Und gerade beim Cis-Mann sehe ist das nicht.

  3. Cis ist kein neuer Begriff – als ich vor 17 Jahren mein Coming Out hatte, war das schon fest verankert unter Trans-Menschen.
    Ja, das mag ein Vokabular einer sehr kleinen Gruppe Menschen sein. Aber das macht nichts. Ich weiß auch nicht, wie Metal-Fans unter sich reden …

    Apropos Ausschluss: Schon mal darüber nachgedacht, dass der Begriff „normal“ meist diskriminierend gebraucht wird?

    Denn in aller Regel sagt das ein „normaler“ Mensch (was auch immer das gerade sein soll) zu jemanden, der eben als nicht normal empfunden wird.
    Das kann man jetzt auf Trans, die Hauptfarbe oder irgendwelche Vorlieben münzen – passt immer.
    Leider.

    Und wer jetzt denkt, das würde im aufgeklärten Deutschland keine Rolle spielen, der soll sich die Kommentare unter dem Tagesschau-Artikel „Streit um Transgender-Gesetz in North Carolina“ unter http://meta.tagesschau.de/id/111489/streit-um-transgender-gesetz-in-north-carolina durchlesen. Nach dem Lesen hab ich als Transmann kein gutes Gefühl.

    1. Hallo Tim,
      Du hast etwas sehr Wichtiges geschrieben: Viele Worte sind das Vokabular einer kleinen Gruppe von Menschen, siehe Metal-Fans. Innerhalb der Gruppe sind – ich formuliere es mal generell – Fachwörter durchaus angebracht und richtig. Das gilt für Metal-Fans genauso wie für Trans-Menschen oder für Wissenschaftler. Anders sehe ich es, wenn ich versuche, mit Texten eine große Öffentlichkeit zu erreichen. Dann darf man natürlich Fachbegriffe verwenden, muss sie aber erläutern. Sonst lässt man den Leser oder Hörer tatsächlich ratlos zurück.
      Normal? Das Wort habe ich in meinem Text nicht verwendet. Ich grenze Menschen damit nicht von anderen ab, wenn ich auch nicht ausschließen will, dass es mir manchmal im gesprochenen Wort unterläuft. „Normal“ sind wir doch all – oder keiner, je nach Sichtweise.
      LG, Susanne

  4. Lieber Cis als ein A-Moll, finde ich.
    Auf welche Bezeichnungen man so kommt! Wer die wohl erfindet und dann verbreitet?
    Aber ich habe einmal mehr dazu gelernt, vielen Dank!
    LG
    Sabienes

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