Kultur ist . . . das ganze pralle Leben

Die Oper - hier "Der Troubadour" gehört zum klassischen Kulturbegriff.
Die Oper – hier „Der Troubadour“ – gehört zum klassischen Kulturbegriff.

Es ist eine ganz große und doch eine ganz einfach zu beantwortende Frage, die Tanja Praske auf ihrem Blog stellt. „Kultur ist für mich . . . „ hat sie ihre Blogparade zum Kulturbegriff überschrieben. Auf die Blogparade bin ich über den Text gestoßen, den Norman in seinen Notizheften gibt. Seine Antworten kommen meinen ziemlich nahe, auch ich pflege für mich eher einen vielleicht als altbacken verrufenen Kulturbegriff. Aber ich will es doch noch einmal andersherum versuchen.

Kultur, habe ich gerade gelesen, ist alles, was nicht Natur ist. Das ist erst einmal die einfachste Definition. Damit wäre alles Kultur. Ja, auch der von mir aktiv wie passiv links liegengelassene Sport. Jenseits vom Natur-Kultur-Gegensatz definiere ich für mich zwei Arten von Kultur.

Die Kultur der Lebensgestaltung

Man kann einfach so durchs Leben schlendern, ohne sich groß um irgendetwas zu kümmern. Das Schicksal anderer Menschen: egal. Das eigene Auftreten: wurscht. Das Nachdenken über dies und das: überflüssig. Familie, Freunde: Hauptsache, sie dienen meinen Interessen. Beruf: möglichst viel Geld bei wenig Arbeit. Jedem das Seine und mir das Meiste. So kann man sein Leben gestalten. Aber es so zu tun, ist eine Unkultur. Lebenskultur ist für mich genau das Gegenteil. Mir und anderen nicht auf die Füße treten, alles einigermaßen wohlgeordnet und – auch das – stilvoll gestalten. Nicht übertrieben, aber so, dass ich und andere sich damit wohlfühlen. Wobei ich mir selbst manchmal sage, dass mir ein bisschen mehr Egoismus manchmal gut täte. Aber als eines von vielen Kindern habe ich früh gelernt, mich erst einmal hinten anzustellen.

Im Laufe meines Lebens habe ich zudem gelernt, mich nicht von Moden beeinflussen zu lassen. Ich gestalte mein Leben, wie es mir gefällt, ohne andere damit einzuschränken oder zu beeinflussen. Ich lasse es an mir abperlen, wenn andere auf meinen Musikgeschmack, meinen Kleidungsstil oder meine Stofftaschentücher herabsehen.

Das Leben mit Kultur

Der erweiterte Kulturbegriff ist für mich alles, was unnötig ist, aber Spaß macht. Früher sagte man, es diene der seelischen Erhebung. Wie man es nennt, ist letztlich egal. Eine große Symphonie ist überflüssig, wenn es um die bloße Existenz geht. Aber sie zu hören, macht glücklich. Die Wirkung der Musik auf die menschliche Psyche ist unbestritten. Ähnliches gilt für die bildende Kunst. Nicht umsonst wurden und werden Bilder zu Propagandazwecken eingesetzt. Musik und Kunst dienen aber auch therapeutischen Zwecken. Literatur und Theater können Ängste wecken oder dämpfen. Ich habe vor langer Zeit eine Theateraufführung gesehen – ich weiß gar nicht mehr, welches Stück es war -, die so eindringlich inszeniert war, dass einige Zuschauer ohnmächtig wurden, andere weinten.

Die Wikipedia definiert Kunst so:

„Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind.“

Nein, die Kultur im zweiten von mir genannten Sinn hat keine Funktion, man kann auch ohne sie leben. Ich kann es nicht. Kultur gehört zu meinem Leben. Das hat auch etwas damit zu tun, dass meine Eltern uns Kinder schon von klein auf an Kunst und Kultur herangeführt haben. Kultur zu genießen, würdigen zu können, hat etwas mit Wissen zu tun. Je mehr ich über Kunst und Kultur  weiß, desto besser kann ich sie genießen. Und selbst das ist noch zu überbieten: Wer selbst Kunst macht, egal ob Musik, bildende Kunst, Theaterspiel oder Schreiben, wird die Wirkung von Kunst und Kultur noch viel unmittelbarer erleben. Kultur genießen ist gut, die eigenen Fähigkeiten zu kultivieren, ist besser.

Dass Kultur viel, viel mehr ist als nur die beiden Aspekte, die ich hier herausgearbeitet habe, hat Stephan in seinem Beitrag für die Blogparade aufgeführt. Wer also noch ein paar Kulturen sucht, der schaue dort nach.

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2 Kommentare

  1. Liebe Susanne,

    endlich komme ich dazu, mich bei dir zu melden, bei mir ist zu Hause gerade der Krankenstand ausgebrochen, ich weiß nicht mehr, wie viele Kapitel ich vom „Kleinen Vampir“ heute gelesen habe … puh … tut auch gut und hat etwas mit Kultur für mich zu tun. Das Vorlesen für die Kinder als Ritual und „Erbauung“. Du benutzt dazu die „Erhebung“.

    Wunderbar, dass dich Normans Beitrag zu #KultDef anregte, dir Gedanken darüber hier zu machen. Nach dir ging noch der Beitrag von zwo 43 ein, der ganz ähnlich, doch anders ist. Und genau das gefällt mir an den bis jetzt unglaublichen 20 Posts zur Blogparade: Alle sind anders! Vor allem bewegt das Thema und stellenweise diskutiert ihr und andere in den Blogs der anderen – herrlich, das ist der Sinn einer Blogparade, den ich aber noch nicht wirklich so verwirklicht sah – toll!

    Nochmals vielen Dank für deinen bereichernden Beitrag zum Kulturverständnis!!!

    Herzlich,
    Tanja

    1. Liebe Tanja,
      danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Ja, ich kenne das, vor lauter anderem Kram kommt man zu nichts, und die Kinder gehen nun mal immer vor. Immerhin eine gute Gelegenheit, geliebte Kinderbücher wieder vorzuholen.
      Schön, dass Deine Blogparade so gut funktioniert. Ich finde das Thema wunderbar und die Blogparade war ein guter Grund, die Gedanken zur Kultur noch einmal niederzuschreiben.
      Liebe Grüße,
      Susanne

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