Das Aufwachsen des Defizits: Schwurbeldeutsch für Kommunalpolitiker

Ich habe den Stoßseufzer einer Kommunalpolitikerin noch im Ohr: „Ich habe den Satz jetzt mehrmals gelesen, aber ich verstehe ihn nicht.“ Ja, es ist mitunter harte Kost, die Verwaltungen nicht nur den Bürgern, sondern auch den ehrenamtlichen Ortspolitikern zumuten. Gerade ist mir ein besonders schönes Beispiel in die Hände gefallen. Es geht ums Geld, ums Sparen, also um Konsolidierung. Auch so ein kompliziertes Wort.

Beispiel gefällig:

„Das ergänzende Konsolidierungskonzept soll weitere Konsolidierungsmaßnahmen beinhalten, die geeignet sind, eine weitere Rückführung der strukturellen und aufgelaufenen Fehlbeträge zu bewirken.“

Das ist noch harmlos. Im Verlauf des Papiers geht es noch viel schwurbeliger weiter:

„Begünstigt durch die konjunkturellen Begleitumstände, die zum Jahr 2014 vollzogene Anpassung der Steuern und fortgesetzt zugeflossene Fehlbetragszuweisungen und Konsolidierungshilfen ist es im Jahr 2014 dann erstmals wieder zu einem spürbaren Abbau der aufgelaufenen Fehlbeträge gekommen.“

Im gleichen Atemzug wird jedoch vor einem „weiteren Aufwachsen des Defizits angesichts geänderter Rahmenbedingungen“ gewarnt.

Mein Vorschlag wäre, die Formulierung „die vollzogene Anpassung der Steuern“ umzuformulieren in „nach dem Vollzug der Anpassung der Steuern“. Ich finde, der Satz hat noch viel zu viele Verben, da passen noch ein paar mehr Substantive hinein.  Dass etwas wegfällt oder noch besser wegbricht, lässt sich doch auch mit einem Substantiv ausdrücken.

„Ein Wegbrechen des bereits zurückhaltend ausgeprägten Kommunalengagements würde insoweit regelmäßig unmittelbare Folgelasten für die Städte und Gemeinden und für weite Teile der Bevölkerung verursachen und einer fortschreitenden Entsolidarisierung insbesondere des ländlichen Raums weiter Vorschub leisten.“

Ich bin ganz begeistert, dass jemand solche Sätze fabrizieren kann. Was muss das für ein Aufwand sein – oder was hat derjenige für ein wenig ausgeprägtes Sprachbewusstsein. Außerdem stelle ich mir die Frage: Redet der auch so? Mitunter ja, wie ich in vielen kommunalpolitischen Sitzungen bereits erleben durfte. Aber zum Glück gibt es auch Verwaltungsmitarbeiter, denen es gelingt, komplizierte Inhalte in verständliche Sätze zu übersetzen. Meistens allerdings in der mündlichen Form. Schriftliche Vorlagen für Ausschüsse und Gemeinderäte bedürfen offenbar zwingend der schwer verständlichen Verwaltungssprache.

Ein vielversprechender Sparansatz ist übrigens für Verwaltungen wie für Unternehmen das Personal. Während die Wirtschaft Stellenabbau mit so schönen Wörtern wie Freisetzung zu verbrämen versucht, klingt das bei der Verwaltung ganz anders. Dort arbeiten keine Menschen, sondern ein Personalkörper.

„Im Bereich des Personalkörpers ist es gleichwohl nochmalig gelungen, weitere Stellenanteile durch verwaltungsorganisatorische Restrukturierungsprozesse in den Aufgabenfeldern Boden- und Gewässerschutz und Naturschutz dauerhaft einzusparen.“

Da müssen Kommunalpolitiker schon ganz genau aufpassen, was sie beschließen. Umso mehr Hochachtung habe ich vor der Kommunalpolitikerin, die unumwunden zugab, nicht zu verstehen, was hier gesagt werden soll, und das vor allen Mitpolitikern und Zuhörern. Die Größe muss man erst einmal haben. Ich wünsche mir, dass viel mehr ehrenamtliche Politiker den Mut haben und der Verwaltung bei der Sprache auf die Finger schauen. Sonst ändert sich in den Amtsstuben nie etwas.

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