Wie viel Fachsprache darf’s denn sein?

Im Anschluss an meinem letzten Text hier zum Baumkataster hat sich eine kleine Diskussion zum Thema Fachsprache entsponnen. Wie viel Fachausdrücke dürfen in Texten vorkommen, darf man sich darüber lustig machen und haben Fachleute einen Anspruch auf ihre Fachsprache?

Lasst mich mit einer kleinen Geschichte anfangen. Über Jahre hat das Verteidigungsministerium die Bundeswehrstandorte reformiert. Einer nach dem anderen musste schließen. Es traf auch ein Bataillon im hohen Norden. Und was schrieb der Presseoffizier in einer Pressemitteilung dazu? „Das Bataillon wird disloziert.“ Ich wette, 99 Prozent der Zeitungsleser wissen nicht, was das ist. Unsere Aufgabe als Journalisten ist es, solche Fachbegriffe in für jeden verständliches Deutsch zu übersetzen. Wobei dislozieren und Dislokation eher selten als militärischer Fachbegriff genutzt werden, sagt Herr Duden.

Die kleine Debatte über Fachbegriffe entzündete sich an einem Tweet von @hermes3s.

Daran schloss sich eine ausführliche, in Tweets geführte Debatte an, die hier nachzulesen ist.

Als ich noch junge Redakteurin war, hatte ich Chefs, die mir eines immer wieder eingebleut haben: Schreibe für den dümmsten Leser. Schreibe so, dass es jeder versteht. Auch Karl Napf und Else Schnickenfittich müssen sofort wissen, was gemeint ist. Ein Rat, den ich mir zu Herzen genommen habe und den ich bis heute befolge. Ich will kein Lexikon zur Hand nehmen müssen, um Texte zu verstehen. Und ich weiß, dass andere das nicht nur auch nicht wollen, sondern lieber einen Artikel nicht zu Ende lesen, anstatt erst herauszufinden, was ein Fremd- oder Fachwort bedeutet.

Nun verwenden nicht nur Fachleute Fachbegriffe. Oft schwappen diese Wörter über in Politik und Verwaltung. So findet sich auf der Seite des Auswärtigen Amtes dieser schöne Satz:

So waren 2010 und 2013 deutsche Luftverteidigungs-Fregatten in US-amerikanische Flugzeugträgergruppen integriert und 2013 ein deutscher U-Bootverband fast fünf Monate zur Zusammenarbeit mit der amerikanischen Marine an der Ostküste der USA disloziert.

Womit wir wieder beim ach so vielen Menschen geläufigen Begriff dislozieren wären. In der Fußnote des Textes heißt es übrigens, er stelle eine Basisinformation zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen dar.

Aufgabe von uns Journalisten ist es also, dem Laien unverständliche Fachbegriffe zu übersetzen. Das mag den Fachleuten nicht immer schmecken, ist aber im Interesse des Lesers. Aber ist das allein unsere Aufgabe? Oder haben Verwaltungen und Politik auch eine Bringschuld?

Um noch einmal Hermes zu zitieren:

Wenn Journalisten aus technischen Gremien und über technische Themen berichten. Wer hat da die Bringschuld? Schwierig.

Die passende Antwort darauf kommt von Udo Stiehl, meinem Nachrichtengiftschrank-Kollegen:

Beide. Weil beide dafür zu sorgen haben, dass ihre Inhalte verstanden werden. Dafür werden beide schließlich bezahlt.

Nur leider stelle ich fest, dass Wirtschaft, Politik und Verwaltung genau diese Bringschuld nicht erbringen. Die Last der Übersetzung liegt fast ausschließlich auf Seiten der Journalisten. Nur sind sie in Zeiten des Internets nicht die alleinigen Überbringer der Nachrichten. Wie das Beispiel des Textes vom Auswärtigen Amt zeigt, bieten Gemeinden, Städte, Kreise, Länder und der Bund umfassende Informationen auf ihren Seiten an. Leider unübersetzt und deshalb oft schwer verständlich. Merke: Ohne Journalisten als Übersetzer geht es eben doch nicht. Das ist gut so für diesen Berufsstand. Wir werden eben doch gebraucht. Und sei es nur als Übersetzer (was ja nicht unser Kerngeschäft ist).

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