Keine Chance für E-Noten? Wo Totholz (noch) obsiegt

Immer noch überall gängig: Noten, in diesem Fall Klavierauszüge, auf Papier.
Immer noch überall gängig: Noten, in diesem Fall Klavierauszüge, auf Papier.

Wer heutzutage an Bücher denkt, denkt auch an E-Books. Wer an Zeitungen denkt, denkt an E-Paper und Tablets. Ist Gedrucktes auf Papier langfristig also zum Tod oder zumindest zum Nischendasein verdammt? Nein, es gibt noch eine letzte Bastion, in der ich mir absolut nicht vorstellen kann, dass Druckwerke auf Papier durch Tablets oder andere elektronische Speicher- und Lesemethoden abgelöst werden: Noten. Allerdings reicht meine Vorstellungskraft nicht weit genug, denn es gibt offenbar bereits E-Noten.

Die Idee kam mir letztens bei der Chorprobe. Alle hatten ihre Klavierauszüge in der Hand und einen Bleistift, um sich darin Notizen zu machen. Als Liebhaber allerlei mobiler Endgeräte schoss mir die Frage durch den Kopf, ob Noten auf Papier irgendwann von E-Noten abgelöst werden. Schwer vorstellbar. Doch es gibt bereits vielversprechende Ansätze dafür. Ob Orchestermusiker, Pianist oder Sänger, wer mit Anspruch Musik macht, arbeitet seine Noten akribisch durch. Hier wird etwas – immer mit Bleistift – angestrichen, dort eine Interpretationsangabe des Dirigenten vermerkt, dort ein ff (Fortissimo) zum f (Forte) abgemildert, an anderer Stelle ein Ritardando (Verzögerung) vermerkt. Solche Anmerkungen sind auf Tablet oder Reader nicht unmöglich, aber ich stelle es mir schon ein bisschen mühsam vor, wenn ein ganzes Orchester so etwas elektronisch vermerken muss. Vielleicht braucht es aber auch nur ein bisschen Übung dafür.

Die Bamberger Symphoniker haben im Jahr 2000 den Versuch unternommen, Notenblätter durch Laptops zu ersetzen. Es hat nicht geklappt, vielleicht war die Zeit noch nicht reif dafür. Über die Gründe, warum die Bamberger wieder zu den Notenblättern zurückgekehrt sind, habe ich leider nichts gefunden. Die Philharmonie Brüssel hat im Dezember 2012 unter dem Motto „Wischen statt Blättern“ auf Tablets umgestellt und will damit das erste papierlose Orchester sein. Umblättern ist eine andere Sache, die für oder gegen E-Noten spricht. Klappt es problemlos, wenn der Musiker möglichst nicht die Hände vom Instrument nehmen soll? Bei Papiernoten hilft mitunter eine Fotokopie, um schwierige Umblätterstellen zu überwinden. Es gibt sogar professionelle Umblätterer, die neben dem Instrumentalisten sitzen, die Noten mitlesen und im richtigen Moment umblättern. Geht es mit einem Reader vielleicht sogar besser? Ideen dazu gibt es schon. Was alles möglich ist, zeigt ein Werbevideo.

Sieht erst einmal sehr überzeugend (und teuer) aus. Ich frage mich nur, ob ein solches Gerät nicht eher etwas für den Vollprofi ist. Jemanden, der es satt hat, ständig Berge von Noten mit sich herumzuschleppen und der für ein solches Gerät täglich viele Stunden Verwendung hat. Eine andere Alternative stellt dieser Kirchenmusiker vor, der die App OnSong für sein Tablet nutzt.

Ich sehe eher die Nutzung von Noten im Hobbybereich. Und da sind E-Noten für mich schwer vorstellbar. Ein Versuch, das Tablet auf den Notenständer zu stellen, hat zwar funktioniert. Aber die Sorge um das Gerät ist doch recht groß, die ganze Sache sehr wackelig und die Ansicht der Noten nicht gerade komfortabel. Das also scheidet aus.

Nicht ideal: Das Tablet auf dem Notenständer.
Nicht ideal: Das Tablet auf dem Notenständer.

Ein anderer Grund, der zumindest für meinen Chor gegen E-Noten spricht: Das Durchschnittsalter der Sänger ist doch sehr hoch, so dass viele eine Scheu davor haben, sich an E-Noten anstelle des guten alten Klavierauszugs oder Notenblattes zu gewöhnen. Mancher hat nicht einmal einen Computer zu Hause stehen, wie soll er dann ein Tablet oder einen Reader gut finden? Wer sich Musiker, egal ob Orchester, Chor oder Solisten, bei ihren Auftritten anschaut, wird selten bis gar keine E-Noten sehen. Woran es liegt? Vielleicht sind die Geräte und Apps dafür noch nicht ausgereift genug. Vielleicht hat noch niemand daran gedacht? Warten wir die nächsten Jahre ab, vielleicht steht den Notenverlagen eine ähnliche Revolution wie den Buchverlagen bevor: E-Noten statt Klavierauszüge, wie jetzt schon E-Book statt gebundenes Buch. Aber ehrlich gesagt, reicht meine Vorstellungskraft dafür noch nicht so richtig aus. Noch jedenfalls werden Noten hierzulande fast ausschließlich auf Papier (Totholz) genutzt.

Und noch etwas: Noten, zumal Faksimile historischer Ausgaben, haben für mich etwas Sinnliches. Das kann ein Tablet nun nicht bieten.

4 Kommentare

  1. E-Noten? Unbedingt!

    Ich schätze, es wird in nicht allzu ferner Zukunft Notenständer geben, deren Auflagefläche ein Touchscreen ist. So etwas hätte viele Vorteile: Zunächst einmal könnte der Notenständer natürlich wie bisher ganz normal mit Papiernoten genutzt werden.

    Falls denn elektronische Noten zum Einsatz kämen, wäre der Schirm selbstleuchtend, man könnte also auf zusätzliche Notenlämpchen im Orchestergraben verzichten.
    Man könnte die Notenständer untereinander vernezten (z.B. Bluetooth, WiFi), so daß der Dirigent Anmerkungen im Notentext oder Änderungen (z.B. Text, Sprünge) zentral eingeben kann. Ebenso könnte natürlich der Musiker Anmerkungen anbringen.
    Man könnte ein Pedal für die Füße installieren, der das Blättern in den Noten bewirkt. So könnte der Musiker selbst blättern, ohne daß er die Hände dazu nutzen müßte. Oder – etwas aufwendiger, aber durchaus möglich – man könnte die Musik über ein Mikrophon erfassen, und mittels Fourier-Analyse auf den erklungenen Notentext schließen.
    Das System könnte dann sogar selbst weiterblättern (oder sollte vielleicht sogar einfach nur scrollen). Außerdem könnten man dann in einer Art „Übungsmodus“ den Notentext gegen die erklungene Musik vergleichen und auf Unsauberkeiten hinweisen (z.B. „diese Stelle mußt Du noch üben, hier warst Du einen Viertelton zu tief“, „Hier warst Du taktlos“, „hier hast Du einen falschen Ton gespielt“).
    Eine Metronomfunktion wäre für einen Informatiker auch nur noch eine Fingerübung.
    Last but not least wäre es denkbar Musiker mit langen Pausen (typischerweise die Percussionisten) vom stupiden Durchzählen der Takte á la „1-2-3-4, 2-2-3-4, 3-2-3-4, 4-2-3-4, 5-2-3-4, …“ zu erlösen, und stattdessen beispielsweise 5 Takte vor Ihrem Einsatz durch ein optisches Signal wieder einzählen. Es wäre interessant auszuprobieren, inwieweit die Musiker sich dann wohler fühlen oder ob denen etwas fehlen würde.

    Für Orchestermusiker stelle ich mir das toll vor, als Sänger würde ich mich wohl etwas unwohl fühlen. Aber Sänger halten die Noten ja ohnehin meist in der Hand oder singen auswendig.

    Du hast Da ein für mich – Informatiker mit und Hobbysänger – hochinteressantes Thema angesprochen. Herzlichen Dank dafür!

    1. Lieber Jürgen,
      vielen Dank für diesen erhellenden Kommentar. Da ich mit Informatik nun gar nichts zu tun haben, sind mir diese vielen Möglichkeiten gar nicht bewusst gewesen. Insofern hast Du meine Gedanken sehr hilfreich erweitert. Es hätte mich auch gewundert, wenn E-Noten nicht, genauso wie vieles Digitale, viel mehr Möglichkeiten böten als solche auf Papier.
      Trotzdem kann ich mir E-Noten im Hobbybereich bisher sehr schwer vorstellen, unter anderem aus den oben genannten Gründen. Und zugegeben, das Argument, Noten hätten auch etwas Sinnliches, zählt wahrscheinlich letztlich genauso wenig wie dieselbe Aussage bei Büchern. Und gerade die Profimusiker werden wohl eher die Vorteile von E-Noten schätzen als sich an einer sinnlichen Notenerfahrung zu erfreuen.

  2. Hallo,

    es gibt so eine Lösung. Die heisst MusicDesk und läuft unter Windows mit WLAN.

    Wir haben die in unserer Band (4 Mann + Sängerin) im Einsatz und haben ca. 20 Gigs bisher gespielt und sind hochzufrieden.

    Wir hatten vorher Bluetooth Lösungen und IpadsS getestet. Aber entweder war das nicht stabil genug oder vor allem bei Ipads war das Display zu klein.

    MusicDesk ist modular aufgebaut. Wir haben bei SBWSOFT nachgefragt und die haben uns ein Komplettpaket zusammengestellt aus 1 Touchpad 15 Zoll und 4 Touchpads mit 11 Zoll und einem Router. Ganz toll ist, dass die bei Sbwsoft auch Musiker sind die die Software selbst einsetzen und ständig weiterentwickeln. Dabei kostet es pro Platz weniger als wenn du dir ein IPAD kaufst.

    Unser Keyboarder stellt am Auftritt die Runden zusammen. Die werden dann auf die andern Pads zentral synchronisiert so dass die anderen Bandmitglieder ständig wissen was gerade gespielt werden soll.

    Zusätzlich werden mit aufrufen des Liedes via MIDI jeweils lokal die Keyboardprogramme und am Hallgerät das Hallprogramm eingestellt. Toll für den Keyboarder ist auch die MIDI-Kettenfunktion d.h. der kann innerhalb des Liedes via Fußschalter andere Programme aufrufen. An den anderen Pads werden beim Gitarristen und E-Drummer auch gleich via MIDI die entsprechenden Programme an die Geräte durchgereicht. In der Pause wird das Hallgerät und das Licht mittels Fußschalter stummgeschaltet.

    Das alles kann auch über Fußschalter gesteuert werden.

    Zusätzlich ist ein DMX-Pult integriert.

    Funktionen:

    Digitales Notenpult
    DMX-Pult
    Midi IN/OUT Funktion
    MP3 Player
    Karaoke Player
    Bandverwaltung
    Liedverwaltung
    Setlistverwaltung
    Terminverwaltung
    Pausenfunktion

    Nachfolgend die Internetseite

    http://www.sbwsoft.de/entertainment.htm

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