Die alten Säcke, die Jungen und der Platztausch

Ja, ich bin ein alter Sack. Ich sitze seit mittlerweile 26 Jahren auf einer Planstelle  in einer deutschen Zeitungsredaktion. Nicht immer auf derselben, aber nach sieben Jahren als Freie in meinen jungen Jahren seitdem fest und angestellt. Ich bin die, die ihren Platz nicht frei macht, den Medienwandel blockiert und den deutschen Journalismus zu Tode aussitzt. Jedenfalls wenn ich dem glaube, was ich manchmal über Journalismus im Netz lese.

Gerade hat es Andreas Grieß wieder auf der Social Media Week in Hamburg gesagt, Wir Alten verweigern uns dem Medienwandel, machen den Jungen nicht die Plätze frei und frustrieren sie so sehr damit, dass sie keine Lust mehr auf regulären Journalismus haben. So jedenfalls verkürzt mein Eindruck von dem Vortrag. Ein bisschen hat Andreas Grieß ihn selbst inzwischen in den Kommentaren im Blog von Christian Jakubetz relativiert:

Natürlich kann ich differenzieren. Es handelte sich bei dem Talk jedoch um einen fünf Minuten Talk und ähnlich wie bei einem Kurzkommentar in der Zeitung überspitzt man dabei und konzentriert sich auf einen Aspekt. Ich denke den meisten ist auch klar, dass ich nicht enttäuscht, sondern vielmehr motiviert bin. Der Talk ist nicht in erster Linie ein Aufruf gegen die Medienbranche, sondern für die jungen Leute mehr zu machen und nicht darauf zu warten, dass Verlag X oder Y einen darum bittet.”

In die gleiche Kerbe wie Andreas Grieß schlug vor einiger Zeit schon einmal Tim Wessling, der uns ältere Redakteure als „Jammerlappen“ bezeichnete und dem ich hier widersprochen habe.

Zunächst einmal: Alt heißt nicht dumm und erfahren im Job heißt nicht, allem Neuen verschlossen gegenüber zu stehen. Ich glaube, das ist eine Typ-, keine Altersfrage. Als ich junge Redakteurin war, habe ich gedacht, die lahmen älteren Kollegen seien wegen ihres Alters so. Es gab übrigens auch agile Ältere. Heute weiß ich und sehe ich an mir selbst: Engagement, Aufgeschlossenheit und Schwung haben nichts mit dem Alter zu tun. Wie viele technische Revolutionen haben wir altgedienten Journalisten nicht schon hinter uns? Der Job aber ist gleich geblieben, der Reiz an der Kommunikation auch, nur die Kanäle haben sich geändert. Viele von uns Alten bespielen sich dennoch mit Begeisterung. Dass einige, vielleicht auch die Mehrheit, den neuen Möglichkeiten verschlossen gegenüberstehen, ist nichts Neues und nichts, was mit dieser Branche zu tun hat. Dass es für die Jungen mitunter frustrierend ist, kann ich gut nachvollziehen. Das war damals, als ich in den Journalismus strebte, nicht anders. Als alle Kollegen bereits auf Computern schrieben, gab es immer noch einige, die sich standhaft weigerten, das zu tun. Sie schrieben weiter auf Manuskript-Papier, zählten ihre Schlagzeilen per Hand aus und ließen anschließend eine Sekretärin alles abtippen. Irgendwann musste dann auch der letzte Dinosaurier dieser Art auf diese Arbeitsweise verzichten. Und so wird es auch mit der Internet-Revolution gehen. Die sich heute weigern, werden sich morgen beugen müssen.

Zurück zu Andreas Grieß: Ich freue mich, dass junge Kollegen so engagiert, so mutig, ja, so fordernd sind. Wenn sie das uns Alten gegenüber sind, sind sie es auch bei der Recherche und beim Schreiben. Andreas Grieß schreibt toll, seine Rede, so er sie so gehalten hat wie es im Manuskript steht, ist mitreißend. Da kann ich mit meinem weisen Haupt nur zustimmend nicken. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, dass er mit 26 Jahren über die Berufserfahrung, das Wissen und Können von jemandem verfügt, der diesen Beruf schon zehn, 20 oder 30 Jahre lang ausübt. Auch ich habe vieles in meinen ersten Berufsjahren von älteren Kollegen gelernt. Ohne die geht es nicht, und wenn die Jungen noch so sehr stürmen und drängen.

Wenn man überhaupt einen Job im Journalismus findet, ist der schnell sehr frustrierend für unsere Generation.

Auch das ist ein Satz aus Andreas‘ Rede. Kommt mir sehr bekannt vor. Genau diesen Satz habe ich Anfang der 1980er-Jahre oft gehört, als ich junge Redakteurin war und mich als Freie durchschlug. So ähnlich denkt wohl jede junge Generation, mal mehr, mal weniger. Der Aufruf an uns Alten ist wohlfeil. Doch ich will meinen Platz nicht räumen. Ich habe ihn mir mit viel harter Arbeit erstritten und arbeite noch immer viel. Ich habe mich lange nach oben gearbeitet. Ich habe noch ein Kind zu ernähren. Vor allem aber habe ich viel zu viel Spaß an diesem Job, um mich vorzeitig aufs Altenteil schieben zu lassen. Ich will noch ein bisschen mitmachen beim großen Medienwandel in den Zeitungen. Der macht mir nämlich viel Spaß. Und Andreas wünsche ich, dass er eine Redaktion findet, die seine Ideen ernst nimmt und ihm den Weg bereitet dahin, wo er hin will. Dass es trotzdem natürlich auch im Journalismus viel Schwarzbrot gibt, dürfte er als realistischer junger Kollege wissen. Aber der Kuchenanteil ist in unserem Beruf deutlich größer als in anderen. Und den muss man genießen. So ein ordentliches Stück Sahnetorte hilft über manches andere hinweg.

2 Kommentare

  1. Hej Susanne,

    da können wir uns ja die Hände reichen. Ich habe mittlerweile auch bereits 28 Jahre auf dem Buckel – zudem noch in einer sehr vorurteilsbehafteten Berufssparte, ohne sie hier näher benennen zu wollen. ;-)

    Dieser Berufssparte sagt man eine gewisse Trägtheit und Unflexibilität nach. Und immer wieder erlebe ich diese Momente, in denen mir die Menschen in meinem Beruf anfangs ablehnend gegenübertreten und nach einen Gespräch gutgelaunt und zufrieden mein Büro verlassen.

    Natürlich kenne ich auch diverse (ältere) Kollegen, die sich am liebsten noch mit mechanischer Schreibmaschine und Karteikasten durchwursteln. Aber wie Du so treffend beschreibst: Aufgeschlossenheit und Wissbegierigkeit hat nichts mit dem Alter sondern mit dem Charakter und der inneren Einstellung zu tun.

    Als ich noch zwanzig Jahre jünger war, saß ich mit einer älteren Kollegin in einem Büro, die nur so danach lechzte, endlich einen PC zu bekommen. Sie war diejenige, die immer das neueste Handy besaß und … damit klarkam.
    Wenn ich sie heute in ihrem Ruhestand treffe, erzählt sie mir von ihrem iPad und welche Fortschritte sie bei ihrem Englisch-Kursus bei der VHS gemacht hat.

    Im Gegenzug habe ich unter den Auszubildenden in meinen Berufszweig schon so viele Schluffies erleben dürfen … meine Güte, der Horror! Da erlebe ich meinen jenseits der 70 Lenzen zählende Vater als weitaus aufgeschlossener und er hat mehr Pep im Allerwertesten als so mancher Zwanzigjähriger. Sorry, dass ich mich jetzt so ausdrücke, aber so empfinde ich es eben.

    Mag sein, dass mit zunehmenden Alter vielleicht die Gehirnwindungen nicht mehr ganz so zügig Neues verarbeiten. Aber das heißt nicht, dass sie es nicht können. Ich kann für mich behaupten, wesentlich besser auf Menschen eingehen zu können, als das noch vor 20 Jahre der Fall war. Ich bin immer noch total neugierig, werde wütend, wenn ich etwas auf Anhieb nicht umsetzen kann und recherchiere und probiere mit immenser Hartnäckigkeit.

    Susanne, wir wissen, wieviel wir wert sind und dieses Selbstbewusstsein lassen wir uns nicht nehmen, gell? :-)

    Lieben Gruß
    Sylvi

    1. Liebe Sylvi,
      vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
      Ja, so ist es eigentlich immer im Leben: Es gibt engagierte Leute und es gibt Leute, die mogeln sich durchs Leben, vielleicht sogar noch auf Kosten anderer. Wir werden sie nicht ändern und müssen sehen, dass wir unseren Weg gehen. Ich glaube allerdings schon, dass sich Menschen eines gewissen Typs zu bestimmten Berufen hingezogen fühlen, in denen sie dann Engagement oder Pflegma ausleben bzw. ungestört pflegen können. Dass es immer wieder positive Ausreißer in diesen Sparten gibt, ist erfreulich. Ich lasse mir jedenfalls mein Engagement ebenso wenig nehmen wie Du.
      Liebe Grüße,
      Susanne

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