Sportfotografie in der dritten Kuhstall-Liga

Ich plaudere hier ja immer gerne mal aus meiner Frühzeit im Journalismus, vor nunmehr 34 Jahren, als ich in diesen Beruf eingestiegen bin. Ein Feld dieses Berufs, das ich seit damals gemieden habe wie der berühmte Teufel des Weihwasser, ist die Sportberichterstattung. Wenn ich daran denke, wie das damals war, schüttelt es mich noch heute. Aus der Rückschau allerdings klingt es ziemlich lustig, was mir damals so widerfahren ist. Ein Ausflug in die dritte Kuhstall-Liga, geprägt von kompletter Ahnungslosigkeit.

Jung, weiblich, ahnungslos: So wurde ich 1979 auf die Sportberichterstattung losgelassen.
Jung, weiblich, ahnungslos: So wurde ich 1979 auf die Sportberichterstattung losgelassen.

Ich habe mich gleich nach dem Abitur für ein Zeitungsvolontariat beworben und es auch bekommen. Das Studium habe ich dann später nachgeschoben. Meine erste Bewerbung ist allerdings kläglich gescheitert – an einem Umstand, von dem ich nie geglaubt hatte, dass es ihn überhaupt gibt. Im Bewerbungsgespräch bei einer Zeitung am Harzrand wurde ich gefragt, ob ich Fußballtabellen ausrechnen könne. Ich konnte nicht. Damit war dieser Job futsch. Geklappt hat es dann später doch bei der Einbecker Morgenpost. Da habe ich mein Volontariat absolviert. Und dann kam er unweigerlich, der Tag, an dem ich am Sonntagnachmittag die lokale Sportberichterstattung übernehmen musste.

90 Minuten – fünf Spiele

Es war Winter. Es war kalt. Es war Sonntag. Es war Punktspieltag. 15 Uhr Anpfiff. Hilwartshausen II gegen Sievershausen III oder so ähnlich. Von mir etwas spöttisch dritte Kuhstall-Liga genannt (liebe Lokalkicker, bitte verzeiht). Und ich hatte den Auftrag, innerhalb der Spielzeit von zwei Mal 90 Minuten plus Halbzeitpause fünf Spiele abzuklappern, von jedem brauchbar bis gute Fotos mitzubringen und hinterher einen ordentlichen Spielbericht abzuliefern. Deadline: ca. 20 Uhr. Sollte ja alles am nächsten Tag im Blatt stehen.

Der Ball klebt

Also bin ich losgetobt. Nie auch nur ein Sportfoto vorher gemacht. Und da stand ich nun am Spielfeldrand und hatte keine Ahnung, wer welche Mannschaft ist und wer in welche Richtung spielt. Von wegen Namen auf dem Rücken, das gab’s nicht. Die Trikotfarben waren mir auch ein Rätsel. Also durchgefragt. Und dann hatte ich – siehe die Zeitvorgaben – pro Spiel etwa zehn bis 15 Minuten, um ein paar anständige Fotos in den Kasten zu kriegen. Denn ich musste ja bei meinem Zeitplan noch die Fahrtzeiten mit einrechnen. Dass man am besten auf einen Elf-Meter-Punkt scharf stellt und wartet, bis das Spiel da so richtig abgeht, hatte mir ein Kollege zuvor gerade noch verraten. Oh, welche Spannung, wenn die Kontaktbögen (so etwas gab es damals noch) da waren und ich mit der Lupe die Fotos kontrollierte. Etwas Brauchbares dabei? Meistens hat es geklappt, die Szene war gut. Nur der Ball war leider schon weg, als ich endlich abgedrückt hatte. Aber den konnte man ja lässig aus einem zweiten Foto mit der Nagelschere ausschneiden und mit Prittstift in das gelungene Bild einkleben. Nur immer darauf achten, dass der Spieler auch in Richtung Ball blickt. Wie viele Bälle ich damals in Fotos eingeklebt habe, weiß ich nicht mehr. Es dürften viele gewesen sein.

Alles ganz leidlich?

Leider hat sich keines dieser Fotos in meinem Archiv erhalten. Den Spielbericht habe ich nach dem Spiel von den Trainern herantelefoniert, die allesamt im Vereinshaus anzutreffen waren und schon Sieg und Niederlage heruntergespült hatten. Irgendwie ist am Ende immer ein leidlich lesbarer Artikel und ein druckbares Foto dabei herausgekommen. Doch ich habe diese Art des Journalismus – wenn man das überhaupt so nennen kann – hassen gelernt. Zum Glück hat sie mir bald darauf ein vom Fußball begeisterter Kollege abgenommen, der das mit Hingabe und sehr ordentlich gemacht hat. Dem Manne bin ich bis heute dankbar.

Lies oder stirb

Wie die Kicker und ihre Fans meine Berichte fanden, weiß ich nicht. Ich habe es nie erfahren. Letztlich hatten sie keine Alternative, sie mussten nehmen, was in der Zeitung stand. Vogel lies oder stirb. Andere Quellen gab es ja gar nicht. Aber so richtig begeistert dürften sie nicht gewesen sein.

 

3 Kommentare

  1. Toller Bericht! Vielen Dank von einer, die Wochenende für Wochenende und Montag für Montag (bei der Zeitungslektüre des Herrn Sohn und seines Vaters) Kuhstall-Liga-Analysen durchleben muss.

    Herzlichst
    Marie

  2. Klasse Artikel. Man kann sich richtig in deine Lage versetzen. Was wäre der montägliche Lokalsportteil ohne diese Berichte und Tabellen? Ich möchte nicht mehr drauf verzichten. Meinen Respekt denjenigen, die jedes Wochenende auf den Plätzen und in den Hallen unterwegs sind.

  3. Ich habe mich da in meinen Anfängen wiedergefunden, habe in den achtziger Jahren teilweiseauch in drei Stunden vier oder fünf Fußballplätze abgeklappert, den Spielbericht abfotografiert und dann am Telefon gemeinsam mit dem Redakteur in der Zentralredaktion die Spieler identifiziert. „Wer ist der mit den heruntergelassenen Stutzen und dem Schnauzbart?“ Das hat tatsächlich meistens geklappt. Aber wir hatten auch einen Tag mehr Zeit, denn die LN hatten und haben ja keine Montagausgabe.

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