Landwirtschaft – Anbaugebiet für besondere Wörter

Das Bild vom idyllischen Bauernhof mit frei herumlaufenden Hühnern, freundlichen Kühen und sich suhlenden Schweinen gibt es nur noch in der Werbung. Landwirtschaft ist ein hochprofessionelles Geschäft. Als Unternehmer sind Bauern heutzutage eine umworbene Zielgruppe für berufsspezifische Werbung. Dabei entpuppt sich die Landwirtschaft als Anbaugebiet für skurrile Wortschöpfungen. Ich finde sie immer in den Werbebeilagen des Bauernblattes Schleswig-Holstein, bei dem ein ehemaliger Kollege von mir arbeitet.

Kuh-Casting: Auf das Euter kommt es an.
Kuh-Casting: Auf das Euter kommt es an.


Der Bauer heißt heute Landwirt, und dumm darf er schon gar nicht sein. Denn Landwirtschaft ist heutzutage Hightech, und wer’s nicht glaubt, dem sei der Prospekt eines großen Melktechnik-Anbieters empfohlen. Ein Heft mit sieben Siegeln, aber eines, dessen Verständnis einen hohen I-Kuh voraussetzt. Und bitte keine falschen Gedanken hegen, was da steht, ist alles andere als schweinisch gemeint. Schließlich richtet sich der Prospekt an Milchbauern.

Beispiel gefällig? Gelenkter Kuhverkehr steuert den Erfolg. Den gibt es sogar in zwei Varianten, als freier Kuhverkehr und selektiv gelenkten Kuhverkehr. Glaube niemand, eine Kuh könne sich einfach so bewegen, wie sie will. Das geht nur mit Freiheit, eben beim freien Kuhverkehr mit freiem Zugang und Ausgang aus der Melkbox. Noch ein paar Begriffe aus der Melktechnik gefällig? Da geht es um Milchfluss und Milchmengemessung, sichere Gemelks-Überwachung und bimodale Milchflusskurven. Wichtig auch beim Melkprozess-Management: das automatische Anrüsten über Stimo-Puls und das automatische Abschalten der Pulsation. Alles verstanden? Nein? Macht nichts. Sind halt alles sehr kuhle Fachbegriffe.

Viechzeug – ob Kuh oder Schwein – ist heute auch nicht mehr das, was es früher mal war. Die Technisierung des Tiers geht noch viel weiter als nur bis zur Gemelks-Überwachung. Gerade flatterte mir das „Magazin für den unternehmerischen Landwirt“ auf den Tisch. Darin gibt es zwei Spezies, die den Trend zum technischen Tier bestätigen: das elektrische Schwein und die Betonkuh. Mein Favorit ist das elektrische Schwein. Es wühlt ausschließlich in Biogasanlagen und gleicht einer Kreuzung aus VW Käfer und Bobbycar. Das Schweinderl wendet und wälzt den Schlamm in der Anlage um und um und macht sie effizienter. Ob es dabei auch etwas Fressbares findet, ist egal, wird das Tierchen doch per Tropf, na ja, per Elektrokabel am Leben erhalten.

Auch die Betonkuh hat etwas mit Biogas zu tun, sie ist sogar eine Biogasanlage. So nennt sie laut „Magazin für den unternehmerischen Landwirt“ ein Bauer liebevoll, weil so eine Biogasanlage bei Pflege und Fütterung ähnlich sensibel sei wie ein echtes Rindviech. Wenn die hiesigen Bauern aber nun denken, sie seien mit ihren technisierten Tieren weit vorne, haben sie sich getäuscht. Schon vor zehn Jahren habe ich auf Bali die chinesische Kuh kennengelernt. Die wird mit Benzin gefüttert. Hinter dem Namen verbirgt sich ein kleiner Traktor made in China. Der wird liebevoll so genannt, weil er genau die Arbeit erledigt, die sonst die Wasserbüffel in den Reisfeldern leisten.

Ein Kommentar

  1. Also Landwirt möchte ich nicht sein. Ich bewundere alle, die sich ernsthaft mit dem Beruf auseinandersetzen bzw. ihn ausüben.

    Habe heute einen Bericht über einen Biohof mit Milchkühen gesehen. Es gibt sogar einen Kuhflüsterer *lol*

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