Der Journalist, das verachtete Wesen

Journalisten sind Profis. Aber sie haben es in den seltensten Fällen bei ihrer Arbeit mit Profis im Umgang mit der Presse zu tun. Das kann auch niemand verlangen. Bemerkenswert ist aber, wie manche Leute die Arbeit der Presse sehen und was sie davon halten. Das ist aus ihren Äußerungen gegenüber uns Journalisten ablesbar. Und solche falschen Einschätzungen beschränken sich nicht mal auf Laien. Sogar Profis der Pressearbeit haben diese Sprüche im Repertoire.

Drei Sätze, drei Irrtümer

Über Kosten müssen wir nichts schreiben.“

Der das sagt, ist Mitarbeiter einer kommunalen Verwaltung. Er ist von einem Redakteur gefragt worden, was eine bestimmte Baumaßnahme kostet. Der Mann, im Umgang mit der Presse nicht besonders geübt, hat sich bei seinem Fachbereichsleiter rückversichert und kontert die Frage nach den Kosten mit genau diesem Satz. Moment mal. „Wir“ schreiben hier erst einmal gar nichts. Wenn er etwas schreiben will und darauf beharrt, das müsse so sein, wie er es will, muss er eine bezahlte Anzeige schalten. So einfach ist das. Journalismus ist die Kunst, Informationen zusammenzutragen, aufzubereiten und zu veröffentlichen. Und zwar mit eigenen Worten und nach eigener Einschätzung darüber, was wichtig ist und welche Information nicht fehlen darf. Darüber entscheidet kein Verwaltungsmitarbeiter. Einmal ganz davon abgesehen, dass Behörden eine Auskunftspflicht haben. Hier geht es nicht um Info-Almosen, sondern um einen Anspruch der Presse – und damit der Öffentlichkeit – auf Informationen.

Wir wollen aber nicht, dass der Artikel eine Schlammschlacht wird.“

Heiß konkret: Bitte jetzt hier nicht gegenseitige Vorwürfe aufschreiben, sondern nur unsere Botschaft transportieren und sonst keine. Es geht um einen Geschichte, in der tatsächlich gegenseitige Schuldzuweisungen eine Rolle spielen. Zwei Gruppen stehen sich gegenüber. Jede bezichtigt die andere, etwas falsch gemacht zu haben. Eine Gruppe hat die Presse eingeladen, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Aber bitte nur in ihrem Sinne. Das wird auch unmissverständlich deutlich gemacht: „Wir haben Sie eingeladen, dann müssen wir auch Einfluss darauf haben, wie der Artikel geschrieben wird.“ Nein, ganz und gar nicht. Wir von der Presse machen uns über die Recherche ein Bild. Wir von der Presse lassen beide Seiten zu Wort kommen. Das ist unsere Pflicht. Und wir von der Presse beantworten mit unseren Artikeln Fragen, die sich jeder stellt, wenn er den Sachverhalt vorgelegt bekommt. Warum also sollen wir im Interesse einer von beiden Seiten diese ehernen Grundsätze vernachlässigen?

Kann ich den Artikel vor dem Erscheinen lesen? Ich will ja nicht, dass da verdrehte Tatsachen drin stehen.“

Ach ja, bei uns Presseleuten steht ja in der Stellenbeschreibung, dass wir von Berufs wegen Tatsachen verdrehen (Achtung: Ironie). Ganz ehrlich: Einen solchen Satz verstehe ich als Unverschämtheit. Ich gehe ja nicht bei jedem Artikel hin und überlege mir zunächst einmal, wie ich die Tatsachen am schönsten verdrehen kann. So eine Behauptung unterstellt mir Bösartigkeit, und die liegt mir völlig fern. Ich stelle Tatsachen nach bestem Wissen dar und lasse die Menschen richtig zitiert zu Wort kommen.

Alle drei Sätze dokumentieren für mich, wie gering die Leute die Presse schätzen. Und dass sie keine Ahnung von unserer Arbeitsweise haben. Dabei gibt es sehr gute Argumente, Journalisten mit wertschätzenden Augen zu sehen und ihnen professionelles Handeln zu unterstellen.

1. Journalismus ist ein Beruf, für den feste Regeln gelten. Es gibt journalistische Grundsätze, die sind unantastbar. Einer der wichtigsten: Immer die Gegenseite hören. Jede Information gegenchecken. Keine Vorwürfe erheben, die nicht belegbar sind oder auf die der Angegriffene nicht antworten kann. Das sind nur einige wenige journalistisch-ethischer Grundsätze, die im Pressekodex des Deutschen Presserates aufgeführt sind. Der Pressekodex ist unsere Bibel, an deren Gebote wir uns halten.

2. Auch wenn der Beruf des Journalisten kein hohes Ansehen genießt: Journalisten sind hoch gebildete Leute mit einer umfassenden Ausbildung. So gut wie jeder, der den Beruf ergreift, hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Etliche meiner Kollegen haben promoviert. Viele blicken auf eine Jahrzehnte lange Berufserfahrung zurück. Ihre Intelligenz und ihr Können sind ein Garant dafür, dass sie keinen Fehlinformationen aufsitzen (Fehler machen wir natürlich alle mal), dass sie ihre Aufgabe ernst nehmen, dass sie schlicht wissen, was sie tun. Sie beherrschen ihr Handwerkszeug genauso wie ein Klempner oder Arzt, sie sind präzise in Wahrnehmung und Wiedergabe und sie verfügen über soziale Kompetenz und Lebenserfahrung. Das hat sich aber offenbar nicht überall herumgesprochen, sonst gäbe es solche Äußerungen wie die oben nicht.

Zum Weiterlesen: Die Charta „Qualität im Journalismus“, beschlossen auf dem Verbandstag des Deutschen Journalistenverbandes 2002 in Chemnitz.

Acht Spielregeln für den fairen Umgang mit der Gegenseite gibt es in der „journalist“-Redaktionswerkstatt.

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