Weihnachtslieder alter Meister: Die Wucht der Worte

In den Wochen vor und zu Weihnachten wird viel gesungen: die guten alten Weihnachtslieder und die neuen, oft englischsprachigen. Chöre blicken weit über dieses bekannte Repertoire hinaus und widmen sich auch unbekannteren Liedern und Sätzen. Die bestechen nicht nur durch ihre wunderschöne Musik, sondern auch durch die altmodischen, aber sehr eindringlichen Texte.

Eines dieser Lieder ist „Wie soll ich dich empfangen“. Weise und Satz Johann Crüger (1589 – 1662) und Text – was wunder, bei diesen Versen – von Paul Gerhardt (1607 – 1676). Er ist mein liebster Kirchenliederdichter, weil er innige Frömmigkeit in seinen Texten vermittelt, aber auch schlichte Gläubigkeit, und das in einer Zeit, in der das Leben alles andere als leicht war.

Wie soll ich dich empfangen

1) Wie soll ich dich empfangen / und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, / o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze / mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, / mir kund und wissend sei.

2) Dein Zion streut dir Palmen / und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen / ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen / in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen, / so gut es kann und weiß.

3) Was hast du unterlassen / zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen / in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen, / da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen / und hast mich froh gemacht.

4) Ich lag in schweren Banden, / du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden, / du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren / und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht läßt verzehren, / wie irdisch Reichtum tut.

5) Nichts, nichts hat dich getrieben / zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben, / damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen / und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen, / so fest umfangen hast.

6) Das schreib dir in dein Herze, / du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze / sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet / die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet / und tröstet, steht allhier.

7) Ihr dürft euch nicht bemühen / noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen / mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen, / ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen, / die ihm an euch bewußt.

8) Auch dürft ihr nicht erschrecken / vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken / mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern / zu Trost und wahrem Heil,
schafft, daß bei Gottes Kindern / verbleib ihr Erb und Teil.

9) Was fragt ihr nach dem Schreien / der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen / in einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König, / dem wahrlich alle Feind
auf Erden viel zu wenig / zum Widerstande seind.

10) Er kommt zum Weltgerichte: / zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte / dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne, / und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne / in deinen Freudensaal.

Mein Favorit ist die zweite Strophe. Aber auch ein Satz wie „O Jesu, Jesu, setze / mir selbst die Fackel bei“ ist in seiner Sprache auch heute noch, nach über 650 Jahren, eindringlich und schön.

Noch ein Beispiel gefällig: „Nun singet und seid froh“ von Michael Praetorius (1571-1621). Die Textvorlage ist aus dem 14. Jahrhundert und hieß dort noch auf lateinisch „In dulci jubilo“. Die Übersetzung ist außerordentlich gelungen, wie ich finde.

1. Nun singet und seid froh,
jauchzt alle und sagt so:
Unsers Herzens Wonne
liegt in der Krippe bloß –
und leuchtet als die Sonne
in seiner Mutter Schoß.
(2x:) Du bist A und O!

2. Sohn Gottes in der Höh,
nach Dir ist mir so weh!
Tröst mir mein Gemüte,
o Kindlein zart und rein,
durch alle deine Güte,
o liebstes Jesulein!
Zeuch mich hin nach Dir!

3. Groß ist des Vaters Huld,
der Sohn tilgt unsere Schuld.
Wir war’n all verdorben
durch Sünd und Eitelkeit;
so hat Er uns erworben
die ewge Himmelsfreud.
Eia, wär’n wir da!

4. Wo ist der Freuden Ort?
Ach nirgends mehr denn dort,
da die Engel singen
zusamt den Heilgen all,
und wo die Psalmen klingen
im hohen Himmelssaal.
Eia, wär’n wir da!

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel einer alten, aber starken Sprache, ja, sogar Lyrik, findet sich in „Freut Euch, ihr lieben Christen“ mit einem Text aus Magdeburg von 1540.

Tod, Teufel, Sünd und Hölle,
die han den Sieg verlorn,
Das Kindlein tut sie fällen,
nicht viel gilt jetzt ihr Zorn.
Wir fürchten nicht ihr Pochen,
ihr Macht ist abgetan!
Das Kind hat sie zerbrochen.
Da ist kein Zweifel dran.

Manchmal geben Weihnachtslieder-Texte aber auch Rätsel auf. Zum Beispiel die jeweils letzte Zeiler der drei Strophen von „O du fröhliche“. Dort heißt es: „Freue, freue dich, o Christenheit. Christenheit?“ Die geht auf Jesus Christus zurück. Wie kann sich die Christenheit freuen, wenn der Religionsgründer gerade erst geboren worden ist? Aber das ist vielleicht ein bisschen spitzfindig von mir gedacht. Es ist halt die Freude am Weihnachtsfest, die die Christenheit seit nun fast 2000 Jahren an Weihnachten empfindet.

In diesem Sinne: Weiterhin viel Freude an den Feiertagen.

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