Mehr fotografieren als die Polizei erlaubt

Nur eine Übung: Kein Journalist würde einen schwer Verletzten so fotografieren, hier ist es ein Dummy

Meistens geht es problemlos vonstatten, wenn Pressefotografen Einsätze der Polizei fotografieren. In den seltensten Fällen verwahren sich die Beamten dagegen, mit aufs Bild zu geraten. Schließlich sind sie im Einsatz und mit ihrer Uniform eindeutig als  Einsatzkräfte zu erkennen. Doch mitunter haben Journalisten auch Schwierigkeiten, wenn sie Polizisten im Dienst fotografieren.

Ein solcher Fall lag jetzt dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Es hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass es rechtswidrig ist, wenn die Polizei Journalisten verbietet, Beamte eines Spezialeinsatzkommandos bei der Arbeit zu fotografieren. Die Richter argumentierten, das Anfertigen der Fotos dürfte nicht schon deshalb verboten werden, um die Enttarnung der SEK-Beamten zu verhindern, weil zwischen dem Fotografieren und der Veröffentlichung genug Zeit liege, um dieses Anliegen mit anderen Mitteln zu erreichen.

Damit stärkt das Bundesverwaltungsgericht die Position der Presse und bestätigt eine Haltung, die ich in meinem vielen Jahren als Polizeireporterin immer vertreten habe und auch begründen kann. Erst einmal fotografieren, denn das lässt sich nicht nachholen. Darüber, ob die Fotos hinterher veröffentlicht werden sollen, kann später in Ruhe entschieden werden. Im Alltag steht der Fotograf/Fotoreporter allein beim Einsatz, muss sofort entscheiden, was er tut. Er hat weder Kollegen der eigenen Redaktion dabei, mit denen er sich beraten kann, noch kann er schon vor Ort abschätzen, was später wirklich relevant ist und was nicht. Und was vielleicht im Laufe des Einsatzes noch passiert. Vielleicht ist ja das erste Foto später das wichtigste. Deshalb habe ich mir zur Regel gemacht, immer erst einmal alles einzusammeln, natürlich nicht, ohne eine gewisse Pietät walten zu lassen. Es gibt auch Momente, in denen die Kamera ruhen sollte, etwa wenn Feuerwehrleute die Leiche eines Unfallopfers aus einem Auto heben. Aber sonst gibt es erst einmal wenige Grenzen.

Das bringt einem vor Ort oft böse Kommentare ein, mitunter wird man sogar angepöbelt: „Ah, die Geier sind wieder da.“ Habe ich genau so schon gehört. Aber letztlich verstehen erfahrene Polizeibeamte und erfahrene Rettungsassistenten oder Feuerwehrleute, wann und dass sie es mit erfahrenen Journalisten zu tun haben. Wir sind, und das hat sich inzwischen auch bei den Rettungskräften herumgesprochen, letztlich alle Profis. Die wissen auch, dass man die Gesichter von SEK-Beamten nicht in der Zeitung zeigt. Deshalb verpixele ich sie immer, und alle Kollegen tun das auch. Insofern trifft das Leipziger Urteil die Lebenswirklichkeit in den Redaktionen.

Bei allen anderen Fotos von Unfällen, Katastrophen, Bränden oder Straftaten und ihren Opfern gilt: Es gibt einen genauen Abwägungsprozess, was im Blatt gezeigt wird, was vertretbar ist, was lieber in der Schublade verschwinden sollte. Dass es auch Zeitungen und Journalisten gibt, die dabei vielleicht mal über das Ziel hinausschießen, heißt nicht, dass es in der Mehrheit der Redaktionen nicht verantwortlich gehandhabt wird.  Nicht alles, was in der Kamera ist, kommt auch in die Zeitung. Das sollte jeder wissen, der an einer Einsatz- oder Unfallstelle einen Fotografen sieht oder gar meint, ihm sagen zu müssen, wie er seinen Job machen soll. Aber wie gesagt: Erfahrene Einsatzkräfte wissen das.

Im übrigen gelten die Verhaltensgrundsätze Presse-Polizei, die von den Innenministern der Länder und den Journalistenverbänden vereinbart wurden.

Dort steht es noch einmal eindeutig:

Das Fotografieren und Filmen polizeilicher Einsätze unterliegt grundsätzlich keinen rechtlichen Schranken. Auch Filmen und Fotografieren mehrerer oder einzelner Polizeibeamter ist bei Aufsehen erregenden Einsätzen im allgemeinen zulässig. Die Medien wahren die berechtigten Interessen der Abgebildeten und beachten insbesondere die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes bei Veröffentlichungen des Film- und Fotomaterials.

Das Law-Blog hat das Leipziper Urteil ausführlicher kommentiert.

Zur Vorsicht beim Fotografieren von Polizisten rät die von mir sehr geschätzte Seite „Recht am Bild“ in diesem aktuellen Beitrag.

 

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