Ein Foto und seine Geschichte: Schüsse als Entschädigung

Kein Schuss ins Blaue: Blauhelmsoldaten der Marine bei einer Übung
Kein Schuss ins Blaue: Blauhelmsoldaten der Marine bei einer Übung

Das Fotografieblog Kwerfeldein hat eine neue Serie begonnen: Bilder und Geschichten. Reserviert ist sie für Autoren, die dort über ihre Fotos und die Geschichten dahinter schreiben. Da ich dort keine Autorin bin und auch nicht sein werde, die Idee aber toll finde, will ich hier die Geschichte eines Fotos erzählen. Sofort als ich von der neuen Serie las, fielen mir dieses Bild und seine Geschichte ein.

Es war im Dezember 2006, die Unifil-Mission der Bundesmarine vor dem Libanon hatte gerade begonnen. Als Truppenreporterin – das war ich mal eine Zeit lang – bin ich dienstlich auf Zypern gewesen, um die Marine dort zu besuchen. Ein Fernsehteam und ich waren auf das Leitschiff des Verbandes eingeladen, eine Fregatte, die vor der libanesischen Küste lag, um Waffenschmuggler zu stoppen. Am Morgen sollte es mit dem Schnellboot „Ozelot“ hinaus gehen zu der Fregatte, auf die wir dann übersetzen wollten. Wobei übersetzen harmlos klingt. Gedacht war, mit einem Schlauchboot an die Fregatte heranzufahren und dann über eine Strickleiter an Bord zu gehen.

Nun muss man wissen, dass eine Fregatte so hoch ist wie ein mehrstöckiges Haus und ich nicht schwindelfrei bin. Ich habe in der Nacht zuvor sehr unruhig geschlafen. Die Aussicht, an einer schwankenden Schiffswand hochzuklettern, war schrecklich. Dennoch bin ich todesmutig an Bord der „Ozelot“ gegangen. Zugegeben, mit schlotternden Knien.

Ich hätte mir nicht so viele Gedanken machen müssen. Es sollte nie zum Besuch auf der Fregatte kommen.

Schon kurz nach dem Auslaufen der „Ozelot“ aus dem Hafen von Limassol begann sie fürchterlich zu schlingern und zu stampfen. Der Himmel war blau, es regte sich kaum ein Lüftchen, doch das Boot kämpfte stundenlang gegen Wellen und Gischt an. Schuld sind Fallwinde, die von der Südküste der Türkei aufs Mittelmeer aufschlagen und lange Wellen erzeugen. Tapfer versuchte die nicht sturmerprobte Journaille, der Seekrankheit zu trotzen. Vor allem der Kameramann musste sich aber irgendwann geschlagen geben, nachdem er eine ganze Zeitlang im heißen und stickigen Maschinenraum gedreht hatte.

Zeit für den Kommandanten zu einer Durchsage: „Der Zustand des Presseteams lässt eine Weiterfahrt nicht zu.“ Übersetzen auf die Fregatte wäre übrigens auch nicht möglich gewesen. Die Wellen schlugen zwei Meter hoch, zu hoch, um ein solches Risiko einzugehen. Viel zu gefährlich.

Der Presseoffizier und die Besatzung mühten sich dennoch redlich, den Pressevertretern etwas zu bieten. Also schickten sich die Marineschutzkräfte aus Eckernförde vom Team Dogge an, eine Übung vorzuführen. Als Entschädigung für den entgangenen Besuch auf der Fregatte zeigten sie, wie sie einen Angriff abwehren – mit gezieltem und dauerndem Feuer hinaus auf die blaue See. Ich habe ebenfalls geschossen – mit der Kamera und immer hintereinander weg. Und so ist das Foto oben entstanden. Für mich ein Volltreffer.

Seekrank bin ich nicht geworden, weil ich jede Welle auf dem Deck stehend mit den Knien ausbalanciert habe. Stundenlang. Die Rückfahrt verlief dann etwas ruhiger.

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