Japanhäuser: Die weißen Villen am Ostseestrand

Die weißen Häuser von Timmendorfer Strand sind längst Legende. Genauer: die Japanhäuser. Der Unternehmer und Verleger Jürgen Hunke hat dort seine Vorstellung von japanischer Wohnkultur umgesetzt. Hochwertiger Kitsch oder coole Stil-Ikone? Und wie viel Exotisches verträgt die holsteinische Stadtlandschaft?

Jürgen Hunke hat Timmendorfer Strand an der Ostseeküste erst eins, dann zwei und jetzt das dritte Japanhaus ganz in Weiß beschert. Zusätzlich hat er eine Buchhandlung mit japanischen Architektur-Elementen versehen und der Gemeinde noch ein asiatisches Teehaus für die neue Seebrücke geschenkt. Das einst umstrittene Gebäude hat sich zu einem der beliebtesten Fotomotive an der Ostsee gemausert. Es ist zu einem echten Anziehungspunkt im Ort geworden.

Insgesamt gesehen baut sich da jemand mit Geld sein Japan an den Ostseestrand. Die Kommentare über derlei exotische Versatzstücke an der Ostsee sind nicht immer freundlich. „Kein Wunder, daß Regionen/Städte/Landschaften ihre Charakteristika verlieren. Behörden/Ämter lassen ja alles verwässern/verschwurbeln . . .“, empört sich Twitterer @seewolfDE und findet „Na denn: wer asiatische Atmosphäre sucht, kann dann eben nach Timmendorfer Strand fahren :)).“

Die Gartenseite
Die Gartenseite

So pessimistisch sehe ich das nicht. Natürlich, die weißen Japanhäuser von Timmendorfer Strand passen nicht in die norddeutsche Baukultur. Nicht zu reetgedeckten Häuschen und Rotstein-Wänden. Aber müssen sie das? Haben wir den Spleens einflussreicher oder reicher Leute nicht viele wunderbare und bewunderte Bauwerke zu verdanken? Was wäre unsere Welt ohne Neuschwanstein, die Dresdner Zigarettenfabrik Yenidze , ohne das Bauhaus in Dessau oder die Sagrada Família von Antonin Gaudi in Barcelona? Auch sie waren beim Bau umstritten. Heute ist jede Stadt, die solch ein berühmtes Bauwerk in ihren Mauern hat, dankbar dafür.

Keine Experimente – das bringt die Kultur nicht weiter. Ob in der Architektur, der Malerei und Bildhauerei, der Musik oder der Literatur, wer immer nur am Populären hängt, wird die Welt nicht revolutionieren. Einst ausgebuhte Opernaufführungen, von niemandem gekaufte Gemälde und verpönte Bauten gehören heute zu den größten Kulturgütern der Menschheit. Nur wer wagt gewinnt die Zukunft.

Nun will ich die Japanhäuser von Timmendorfer Strand nicht mit dem Bauhaus auf eine Stufe stellen. Sie sind nicht revolutionär neu, sondern nur Ausdruck eines exotischen Stilempfindens. Oder schlicht Kitsch, aber Kitsch mit Niveau, wie Kritiker meinen. Dennoch finde ich, dass die Japanhäuser dem Ort Timmendorfer Strand gut stehen. Das von seinem Tourismus-Manager gern als Premium-Destination angepriesenen, etwas abgedrehte Ostseebad verträgt die ebenso abgedrehten Häuser. Warum soll ein Ort nicht etwas haben, an dem sich die Gemüter erhitzen und das zu heftigen Diskussionen anregt, wie die von Jürgen Hunke gesammelten Presseartikel belegen. „Wie viel Asien verträgt die Ostsee?“, war eine der zentralen Fragen, als Hunke dem Ort sein Teehaus-Geschenk präsentierte. In einem Bürgerentscheid sprach sich die Mehrheit für das Teehaus aus. Richtig so. Ich finde, drei Häuser, ein Buchhandlungspavillon und ein Teehäuschen sind eine Dosis Fernost, die in Ordnung geht.

Zumal Timmendorfer Strand keinesfalls ein geschlossenes architektonisches Bild abgibt. Da baut sowieso jeder, wie es ihm passt und es das großzügige Bauamt zulässt. Da gibt es kein historisches Ensemble, in das die Japan-Häuser ein stilistisches Loch reißen würden. Also, gönnen wir Timmendorfer Strand seine spleenige Architektur. Historie lasst uns woanders bewahren.

Japanische Villa am Ostseestrand
Japanische Villa am Ostseestrand


Wer mal ins Innere der Häuser schauen will: Das Manager-Magazin online hat den Hunke-Villen einen Artikel und eine Fotostrecke gewidmet.

Merken

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert