Brauchen wir Schulfotografie?

Vier Jahre Grundschule, vier Jahre lang jedes Jahr das selbe Spiel: Das Kind kommt heim, erzählt, dass morgen der Fotograf komme, es gut frisiert und gekleidet sein müsse. So sicher wie das Amen in der Kirche kommt nach dem Besuch des Schulfotografen eine Mappe mit ein paar Porträts in Sepia, ein paar in Farbe, zwei Bögen mit selbstklebenden Winzlings-Passfotos, ein Klassenbild und eine Rechnung über einen Betrag irgendwo zwischen 16 und 29 Euro. Das Geld sei abgezählt in einem Briefumschlag mit Name und Klasse des Kindes abzuliefern. Dazu der Hinweis, die Bilder müssten nicht gekauft werden (aber gut und richtig sei es doch).

Zugegeben, die Fotos haben mir immer gefallen, das Kind ist aber auch sehr fotogen. Ein wenig geärgert habe ich mich jedes Mal über die Selbstverständlichkeit, mit der der Kauf vorausgesetzt wird. Mit jedem Jahr habe ich das Mäppchen stärker aussortiert, mehr Bilder zurückgehen lassen und mich über die, die ich behalten habe, gefreut. Mein Verhältnis zu Schulfotografie ist gespalten.

Sinn oder Unsinn?

Brauchen wir jedes Jahr neue Fotos? Eigentlich nicht. Ich bin selbst Fotografin, fotografiere mein Kind oft und gern. Andererseits weiß ich selbst, wie gern ich auch nach 30 oder 40 Jahren noch meine Klassenfotos, die Gruppen- und Einzelfotos von der Konfirmation und vom Tanzstunden-Abschlussball (das gab es in meiner Jugend noch) herauskrame. Und wie gern meine Tochter diese alten Bilder betrachtet, nicht ohne die Bemerkung, wie seltsam unsere Kleidung und Frisuren damals aussahen.

Insofern ist meine Einstellung zu Schulfotos gespalten. Damit bin ich offenbar eine Ausnahme, denn eine Untersuchung der TNS Infratest Sozialforschung hat eine überwiegende Zufriedenheit der Eltern mit diesen Bildern festgestellt (http://www.bvds-ev.de/files/Studie.pdf). Aber elf Prozent der Befragten fühlte sich auch unter Kaufzwang gesetzt.

Warum macht die Schule das?

Für die Schule sind die Fotoaktionen Aufwand. Trotzdem machen es fast alle. Denn die Schulen haben etwas davon, werden von den Unternehmen mit Sach- oder Geldleistungen unterstützt. Die wenigsten Eltern wissen davon. Mehrfach diskutiert wurde in den vergangenen Jahren, ob diese Art der Unterstützung etwas mit Vorteilsnahme oder Bestechung zu tun hat, denn der Markt ist hart umkämpft. Schulfotografen, die den Zuschlag an einer Schule bekommen, haben dort das Monopol, und was einmal gut funktioniert, ändern beide Seiten nicht.

Etwas merkwürdig ist es in meinen Augen aber, dass die Schule sich zum Erfüllungsgehilfen der Fotografen macht: Unterrichtszeit wird zur Verfügung gestellt, die Kinder klassenweise vor die Kamera geschickt, das Geld eingesammelt.

Der BGH hat kürzlich einen Freispruch des Landgerichts Hildesheim aufgehoben. In dem Verfahren waren zwei Schulfotografen vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen worden. Das sah der BGH anders, nun muss in Hildesheim neu verhandelt werden. Einwand des BGH unter anderem: Es sei nicht von Belang, ob“der Abschluss eines derartigen Vertrages schulverwaltungsrechtlich überhaupt zulässig ist.“ Tatsächlich haben die Kultusverwaltungen der Länder nichts gegen die Schul-Fotografen-Symbiose.

Es gibt eine Alternative

Heutzutage gibt es in jedem Haushalt einen Fotoapparat oder zumindest ein Fotohandy. Sollen die Eltern ihre Kinder doch selbst fotografieren. Und für die Schule gilt – und das deckt sich mit meiner Erfahrung – das Klassenfotos nur dann einen Sinn haben, wenn dazu alle Namen der abgebildeten geliefert werden. Und das kann nur ein Jahrbuch oder etwas ähnliches, in dem Klassenfotos und Namen verzeichnet sind. Am Gymnasium unserer Tochter gibt es so etwas. Das macht mehr Arbeit, bringt aber allen mehr. Dann kann getrost auf die Schulfoto-Mappen verzichtet werden.

Heike von Köln-Format hat mit einem Artikel „Lieber Kindergartenfotograf“ das Thema ganz anders dargestellt – sehr amüsant und lesenswert.

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8 Kommentare

  1. Die Argumentation, Schulfotografie als Unsinn hinzustellen, weil Mann/Frau als Alternative selbst mit eigenem Fotoapparat das Kind fotografieren könne, kann ich nicht nachvollziehen, warum dann das Produkt überhaupt jedes Jahr gekauft wird.!?

    Liegt es an der Unfähigkeit dem Kinde „Nein!“ zu sagen? oder…
    Liegt es an der Unfähigkeit dem Fotografen „Nein, danke!“ zu sagen? oder…
    Liegt es an der Unfähigkeit selbst ausreichend schöne Fotos anzufertigen, die den individuellen Bedarf ausreichend abdecken?

    Was es auch ist, es ist allein eine Frage des Marktes. Was gewollt ist, wird auf dem freien Markt angeboten. Was nicht gewollt ist, findet keinen Absatz. Allein nur der Verbraucher bestimmt, ob sich ein Produkt auf dem Markt halten kann oder nicht. Und dabei hat jeder einzelne – anders als bei der GEZ – stets die Möglichkeit der Wahl „Gefallen oder Nichtgefallen“. Das heißt, haben wollen oder nicht haben wollen. Darüber sollte man schon Klarheit haben und auch dazu stehen!

    Wo genau liegt denn jetzt die Problematik der Schulfotografie?

  2. Lieber Gast (hast Du übrigens auch einen Namen?)
    Grundsätzlich hast Du Recht, der Markt regelt vieles. Bei der Schulfotografie haben die Eltern aber keinen Einfluss darauf, ob überhaupt ein Schulfotograf kommt und ihr Kind fotografiert. Das regelt die Schule ganz allein. Und selbst wenn man die Bilder nicht kauft: Die meisten Fotografen verbuchen sie bei sich mit Name und Schule, um Eltern die Möglichkeit zu geben, Fotos online nachzubestellen. Ein Thema, das auch die Datenschutzbeauftragten beschäftigt, ebenso wie die häufig dreingegebenen Schülerausweise.
    Gruß, Susanne

    1. Liebe Susanne
      Ich glaube, dann unterschätzt du den Einfluss der Eltern an der Schule aber gewaltig.

      Zum Einen können die Eltern sehrwohl das Fotografieren ihres Kinder untersagen lassen, genauso die Datenweitergabe ihres Kindes, wenn es nicht fotografiert wird. (wozu dann auch die Daten) Zum Anderen… ist es so, dass die Fotografen sogar eine schriftliche Einverständniserklärung zum Ablichten von den Eltern benötigen. (Vielleicht nicht überall, aber das liegt ja allein am Anfordern) Desweiteren, würde kein Verkauf der Bilder stattfinden, würde auch kein Fotograf erscheinen. Da sind wir wieder beim Markt.

      Fazit: Die Eltern, die von ihrem Kind absolut keine Bilder aus der Schulfotografie erwerben möchten, wissen auch genau wie das geht, dass ihr Kind erst gar nicht fotografiert wird. Sie erreichen für die Schulakte eine schriftliche Unterlassung ein. FERTIG. Klar, dass es dann natürlich auch keinen Schülerausweis gibt. Klar ist auch, wenn die Schule nur über ein Sicherheitssystem mit einem Schülerausweis betretbar ist, dass dann das Kind vor der verschlossenen Schule steht und nur in Begleitung rein kommt.

      Irgendwie lese ich naive Gedanken heraus – Es sind einfach Widersprüche darin, nicht zu wissen, was man möchte „Ich möchte gern ein professionelles Bild von meinem Kind, aber bitte fotografiert es nicht.“ oder auch „Ich möchte die Bilder auf schnellstmöglichen Weg, am besten gleich nach Hause geliefert bekommen. Aber meine Adresse verrate ich natürlich nicht.“

      Deshalb noch mal meine Frage:
      Wo genau liegt denn nun das Problem bei der Schulfotografie?

      1. Da sind meine Erfahrungen etwas anders: Fotografieren nein, das gilt für Zeitungsfotos, Internet u.ä., aber nicht für den Schulfotografen. Und den Schülerausweis stellt bei uns immer noch die Schule aus, dann steht kein Schüler draußen. Bei mir gibt es da halt ein gewisses Unbehagen. Aber die Mehrheit will offenbar die Schulfotografie. Dann soll sie sie auch haben. Wie gesagt, der Markt regelt es halt.

  3. Liebe Susanne
    „Fotografieren nein, das gilt für Zeitungsfotos, Internet u.ä., aber nicht für den Schulfotografen.“ hm, hab ich grad nicht verstanden…

    Aber was ich jetzt gegen Schulfotografie heraus lese, ist, dass sich der Ärger anscheint nur auf die Datenübermittlung richtet (bzw. richten soll?) und hat gar nichts mit dem eigentlichen Fotografieren des Kindes zu tun.

    Und auch hier habe ich nur Unverständnis, weil es in meinen Augen eine Milchmädchenrechnung ist. Wie gesagt, möchte ich mir was zusenden lassen, benötigt der Versender auch die Adressdaten. Und erwartet die Schule, dass jedes Kind vom Schulfotografen fotografiert wird und mit der Übergabe der Daten ein digitaler Schülerausweis von ihm produziert werden soll, dann sollten sich schwache Eltern stark gegen die Verfahrensweise der Schule machen und nicht an der falschen Stelle Fehler/Unbehagen in der Ausübung der Schulfotografie suchen.

    Schulfotografie gab es schon in den 50ziger ja vielleicht auch 40ziger Jahren und wären die Ansprüche der Eltern und Schulen gleich geblieben, wären auch keine Daten für Schülerausweise und Versandadressen nötig. ;-)

    Man sollte schon wissen, will ich jetzt Sinn oder Unsinn von Schulfotografie oder oder von der Datenübermittlung, die die Schulen ausüben.

    1. Um es noch einmal genauer zu formulieren: An unserer Grundschule war es so, dass ein Fotoverbot zwar grundsätzlich galt, dennoch aber alle Kinder, auch die mit Verbot, vor den Schulfotografen gesetzt wurden.
      Es ist gar nicht so, dass ich grundsätzlich gegen Schulfotografie bin. Wir haben sehr schöne Fotos bekommen, andere machen das nicht so schön, wie ich bei meinen Nichten und Neffen gesehen habe.
      Ich wende mich nur gegen den subtilen Kaufzwang, der seitens der Schulen dadurch ausgeübt wird, dass man ein Mäppchen mit Bildern und die Aufforderung bekommt, das Geld abgezählt und im Umschlag mit Namen des Kindes in der Schule abzuliefern. Dass man das Angebot zurückweisen kann, findet man eher im Kleingedruckten.
      Mein weiteres Unbehagen richtet sich gegen das Angebot des Schülerausweises. Warum stellt den der Schulfotograf aus? An der jetzigen Schule meiner Tochter macht es das Schulsekretariat.
      Das alles ist kein Argument gegen Schulfotografie, sondern bezeichnet nur mein Unbehagen damit.
      Liebe Grüße, Susanne

      1. Dein nun geschildertes Problem liegt nicht darin, wieviel Sinn oder Unsinn Schulfotografie macht, sondern die fragwürdige Abwicklungsmethode deiner Schule mal zu hinterleuchten.

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