Kunden, Wasserhennen und nervendes Gendern

Leute, haltet doch mal die Füße still. Werdet erwachsen. Benehmt euch wie normale Menschen und lässt endlich mal das Sensibelchen in euch zu Hause,  nicht nur beim Thema gendern. Befindlichkeiten gehören in den privaten, nicht in den öffentlichen Raum. Egal, ob Kunde, Kundin oder Lacklederstiefel mit hohem Absatz.

Zwei Meldungen sind es, die mich dazu bringen, meinem Ärger mal wieder Luft zu machen. Da ist die Frau, die unbedingt bis zum Bundesgerichtshof klagen musste. Sie wollte erreichen, dass in Schreiben von Sparkassen nicht nur Kunden, sondern auch Kundinnen genannt werden. Meines Erachtens hat das Gericht völlig zu Recht festgestellt, dass mit dem Begriff Kunden weder die Gleichstellung noch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Persönlichkeitsrechte der Klägerin gefährdet werden. Genauso sehe ich das auch: Formulare von Banken und Sparkassen sind Massendrucksachen und Kunde ist für mich ein neutraler Begriff. Außerdem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass komplizierte Texte durch Doppelnennungen noch komplizierter werden. Da führe ich doch wieder gerne ein Beispiel aus der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung an:

Die Gemeindevertretung wählt aus ihrer Mitte ihre Vorsitzende oder ihren Vorsitzenden und deren oder dessen Stellvertretende. Die Wahl der oder des Vorsitzenden in der ersten Sitzung nach Beginn der Wahlzeit leitet das älteste Mitglied, die Wahl der Stellvertretenden leitet die oder der Vorsitzende. Scheidet die oder der Vorsitzende aus, leitet die Stellvertreterin oder der Stellvertreter die Wahl der oder des neuen Vorsitzenden. Die Stellvertretenden vertreten die Vorsitzende oder den Vorsitzenden im Fall der Verhinderung in der Reihenfolge ihrer Wahl. Ein Ausscheiden der oder des Vorsitzenden oder einer oder eines Stellvertretenden während der Wahlzeit gilt bis zur Wahl der Nachfolgerin oder des Nachfolgers, längstens für die Dauer von fünf Monaten, als Verhinderung.

Damit sind wir beim Stichwort Gemeindevertretung. In der Gemeindevertretung von Heikendorf werden zurzeit vor jeder Sitzung eines Ausschusses oder des Gemeinderates die Bilder an der Wand mit Bettlaken verhüllt. Grund: Eine Kommunalpolitikern fühlt sich von den Motiven auf den Bildern von Kai Piepgras sexuell belästigt. Die Frauen argumentierten, die Bilder stießen sie ab. Der Bürgermeister gab nach, um einen reibungslosen Ablauf der Sitzungen zu garantieren.

An dieser Stelle kommt für mich Robert Pfaller ins Spiel. Der Philosoph hat ein Buch mit dem Titel  „Erwachsenensprache“ geschrieben. Pfaller, der nicht im Verdacht steht, sich rechts zu verorten, hat meinem Unbehagen, das solche Meldungen auslösen, Worte gegeben. Und er hat für mich das einzig richtige Argument in diesen Debatten angeführt. Die Empfindlichen, die Mimosen oder Schneeflocken belegt er mit dem Attribut des kulturellen Narzissmus. Dieser Narzissmus empfinde die zivilisierte und urbane Trennung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum als Zumutung. Dass es auch Räume gebe, die nicht nach dem Motto „du oder ich“ konstruiert sind, sondern dem zivilisierten Austausch dienen, wolle der kulturelle Narzissmus nicht wahrhaben.

Pfaller bemüht eine Kultur des Opferseins und schreibt:

In Kulturen des Opferseins jedoch wird versucht, kleinste Verletzungen wahrzunehmen und sie einer möglichst großen Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen.

Das hat auch in Heikendorf funktioniert. Die kleine Gemeinde an der Kieler Förde hat es mit verhüllter Kunst bundesweit in die Medien gebracht. Das Rathaus, in dem die Posse spielt, ist der klassische öffentliche Raum, von dem Pfaller schreibt. Dort wird debattiert und beschlossen, wie es im Gemeinwesen, in diesem Fall der Gemeinde, weitergehen soll. Demokratisch. Über die Entscheidung, die Bilder zu verhängen, ist jedoch nicht abgestimmt worden, soweit ich das erkennen kann. Das hat der Bürgermeister ganz allein entschieden, aufgrund des Vetos von ein, zwei Frauen. Da ist die Frage eines Kommentators durchaus berechtigt:

Hat eigentlich jeder/jede Veto-Recht, wenn ihm oder ihr etwas nicht gefällt?

Ich wünsche mir einen öffentlichen Raum zurück, in dem der öffentliche Diskurs regiert, nicht die Befindlichkeiten einzelner. Wenn der öffentliche Diskurs die Befindlichkeiten zu einer öffentlichen Angelegenheit erklärt, der zu folgen sei, bitte sehr. Dann will ich mich dem beugen. Das ist demokratisch. Was ich aber nicht nur im Fall von Heikendorf beobachte ist, dass einige wenige der Mehrheit ihr Wunschbild aufzwängen und das öffentliche Leben der anderen bestimmen. Bitte nicht mit mir.

Was die Kunden und die Kundinnen angeht und das Beharren darauf, dass Sprache das Denken forme, ist auch das ein Argument, dem ich nicht rückhaltlos folgen kann. Um nicht falsch verstanden zu werden: Eine einzelne Person sollte unbedingt als Anwältin, Kundin oder Patientin angesprochen werden. Aber sonst bin und bleibe ich eine Verfechterin des generischen Maskulinums und wende mich gegen übertriebenes gendern. Wieder möchte ich Pfaller anführen:

Hat denn jemals irgendjemand ernsthaft geglaubt, diese unbeholfenen und verkrampften künstlichen Formen des Sprechens könnten die sozialen Beziehungen der Menschen verbessern. . . . Freilich muss man heute, nach etwa 30 Jahren des PC-Sprechens, nüchtern bemerken, dass dieses Programm massiv fehlgeschlagen ist.

Es gebe nicht mehr Toleranz oder Respekt, eher weniger, attestiert Pfaller der PC-Bewegung und deren Sprachvorgaben.

Menschen, die einander vor 30 Jahren vielleicht noch zugehört hätten, schreien heute aufeinander los und erklären einander zu Unpersonen, mit der Begründung, der andere hätte nicht die korrekten Worte gebraucht.

Es ist, als beschriebe der Autor die heftigen Twitter-Debatten, die immer wieder um die Themen gendern, gerechte Sprache und Feminismus entbrennen. Da werden Menschen niedergeschrien, weil sie angeblich nicht korrekt sprechen oder schreiben. Nein danke, ich werde nicht gendern, schon gar nicht hier in meinem eigenen Blog. Ich plädiere für Gelassenheit. Und für Humor.

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