Gestüt Hochstetten: Wenn Städter Pferdekitsch verzapfen

Kitschig schön: Pferdeauge im abendlichen Gegenlicht.

Ich bin nicht der Typ, der sich Herz-Schmerz-Filme anguckt. Manchmal landet man aber doch unversehens auf einem Sender, der so etwas ausstrahlt. So ging es mir mit dem ARD-Vierteiler Gestüt Hochstetten. Ich bin erschüttert, wie viel falscher Pferdekitsch dort serviert wird.

Natürlich ist ein Spielfilm kein Dokumentarfilm. Es kommt nicht auf Detailtreue an, sondern auf gute Unterhaltung. Abgesehen davon, dass Gestüt Hochstetten eher weniger unterhaltsam ist, strotzt der Film jedoch nur so von Fehlern, die Pferdekenner das Gruseln lehren.

Da ist der dreijährige unbezähmbaren Hengst Dezember. Ein Prachttier, zugegeben, aber ein Bankert, Produkt eines Seitensprungs des Hochstetten-Elitehengstes und einer Arbeitsstute. Dezember hat keine Papiere, kein reines Blut, keinen Stammbaum, aber er ist immer noch Hengst. Was für ein Schmarrn! Im echten Leben wäre er längst zum Wallach degradiert worden. Aber das passt natürlich nicht zur rührseligen Geschichte vom unbezähmbaren Rapphengst und der blonden Gestütserbin Alex, die in ihrem bisherigen Leben nicht näher als bis 50 Meter an ein Pferd herangekommen ist.

Telepathie im Stall

Das hindert sie allerdings nicht daran, auf Dezembers blankem Pferderücken ohne Zaumzeug, nur mit einem Knotenhalfer, über die Wiesen zu galoppieren und sich frei zu fühlen. Dass Dezember überhaupt galoppieren kann, hat er nur Alex telepathischen Kräften zu verdanken. Als das nach einem Unfall gelähmte Pferd im Stall liegt und eingeschläfert werden soll, ruft sie ihm in Gedanken ein verzweifeltes „Steh auf!“ zu. Und siehe da: Dezember steht auf und wandelt künftig unversehrt auf Erden. Das gab es zuletzt in der Bibel.

Dieser Schwachsinn geht über vier Folgen zu je 90 Minuten. Kein Wunder, dass die Produktionsfirma so viel Zeit braucht, schleppt sich die Handlung doch phasenweise so zäh dahin wie ein alter Ackergaul. Hauptfigur Alex passt besser zu den maulfaulen Norddeutschen als ins ländliche Österreich, wo das Gestüt liegt. Man möchte sie manchmal anstoßen, damit sie auf das reagiert, was um sie herum passiert.

Warnhinweis

Folge drei und vier von Gestüt Hochstetten tue ich mir nicht mehr an. Das wäre zu viel von diesem „riesenhaften Trauerkitschmärchen“ (FAZ) aus Österreich. Allen Städtern, die reiten möchte, rate ich zudem dringend davon ab, den nächsten „unbezähmbaren dreijährigen Hengst“ zu besteigen. Sonst könnten sie ein Drama erleben, von dem sich „Gut Hochstetten“ ein ordentliche Scheibe abschneiden könnte.

4 Kommentare

  1. Deine Worte in den Ohren jener, die z.B. einen total kerngesunden Hengst/ total gesunde (trächtige) Stute vom Schlachter retten und dann mindestens in die Klasse S reinreiten. Alles nachzulesen auf Foren, in denen meist 11-19-jährige Pferdenärrinnen schreiben und alles glauben, was sie so verzapfen. Und sie wissen alles besser.
    Ich habe die Serie nicht gesehen und werde sie mir jetzt erst recht nicht antun. Stelle mir aber gerade bildlich vor, wie sie nicht nur mit Knotenhalfter, sondern mit wehendem Blondhaar und trägerlosem, weisen, geblümten, auch wehendem, Sommerkleidchen auf besagtem Hengst rumgaloppiert. Und ob das Knotenhalfter den Knoten auch am richtigen Ort hat?
    Ich bin wohl auch zu pragmatisch für solche Serien. Künstlerische Freiheit in Ehren, aber es gibt Grenzen, die in diesem Vierteiler zu häufig überschritten wurden.

  2. So ähnliche Gedanken kommen mir fast bei jedem Krimi, den ich „mitsehen“ muß. Da gehen die Ermittler grundsätzlich alleine los, dokumentieren nichts und begeben sich ständig in höchste Gefahr!

    1. Ja, das denke ich auch oft. Andererseits ist ein Fernsehfilm nunmal kein Dokumentarfilm. Trotzdem: Manchmal möchte ich die Protagonisten schütteln, weil sie so unlogisch reagieren, egal ob bei Kirsch oder Krimi.

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