Der lange und der kurze Grünkohl: Einem Text die Luft rauslassen

Seit sich Texte leicht per Mail verbreiten und einfach ins Internet schreiben lassen, wird mehr Text abgesondert als in allen Jahrhunderten zuvor. Ich habe keine Belege dafür, aber ich nehme es einfach mal an. Wenn der Computer die Schreibmaschine abgelöst hat, heißt das aber nicht automatisch, dass bessere Schreiber daran sitzen und gute Texte schreiben. Täglich begegnen mir Texte, die viel zu viele angeblich wichtige Informationen enthalten. Sie zu kürzen, macht sie nicht nur besser, sondern auch verständlicher. Mal ganz abgesehen davon, dass manche Leute vor dem Lesen langer Texte zurückschrecken.

Der lange Grünkohl

Z-Stadt. Ein Hauptanliegen der XY-Partei Z-Stadt war und wird auch weiterhin stets die Informationen über politische Sachthemen sowie der persönliche Kontakt mit und zu allen Bürgern und Bürgerinnen der Gemeinde Z-Stadt sein. Und so liegt es nahe, dass zur traditionellen Winterszeit, welche oftmals auch als Grünkohlzeit betitelt wird, der XY-Partei-Vorsitzende, Karl Napf, wieder recht herzlich einlädt, dem diesjährigen „Traditionellen Grünkohlessen“ der XY-Partei Z-Stadt für jedermann und „jederfrau“ beizuwohnen. Die Veranstaltung findet statt am Sonnabend, 13. Februar 2016, Beginn: 19.30 Uhr im Restaurant „Zum wilden Hirschen“. Das Team vom Hirschen serviert auch in diesem Jahr wieder leckeren Holsteiner Grünkohl mit Kohlwurst, Kasseler, Schweinebacke, süßen Kartoffeln und Röstkartoffeln sowie ein leckeres Überraschungsdessert zum Vorzugspreis von € 13,00 pro Person. Selbstverständlich ist auch für den Schnaps „danach“ gesorgt, der nach dem leckeren Schlemmen den gemütlichen und sicherlich wieder sehr diskussionsfreudigen Abend einläutet. Es wird gebeten, sich unter Telefon xxx/xxx xxx oder per Mail an karl.napf@wasweißich.de bei Karl Napf anzumelden; über Mitfahrmöglichkeiten informiert Karl Napf ebenfalls gerne. Der Vorsitzende freut sich gemeinsam mit seinem Vorstand und den XY-Gemeindevertretern sowie der XY-Landtagsabgeordneten Pola Politica auf einen kulinarisch deftigen Abend mit Gesprächen rund um die Politik aus Bund, Land und Kommune in gemütlicher Runde. Selbstverständlich sind – wie immer – auch Ehepartner, Angehörige, Freunde und politische Interessierte Menschen herzlich dazu eingeladen.

Die XY-Partei Z-Stadt freut sich auf Ihren Besuch!

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Der kurze Grünkohl

Die XY-Partei Z-Stadt lädt für Sonnabend, 13. Februar, 19.30 Uhr, zu ihrem Grünkohlessen in das Restaurant „Zum Wilden Hirschen“ ein. Das Team vom Hirschen serviert Holsteiner Grünkohl mit Kohlwurst, Kasseler, Schweinebacke, süßen Kartoffeln und Röstkartoffeln sowie ein Überraschungsdessert zum Preis von 13 Euro pro Person. Es wird gebeten, sich unter Telefon xxx/xxx xxx oder per Mail an karl.napf@wasweißich.de beim Vorsitzenden Karl Napf anzumelden. Er informiert auch über Mitfahrgelegenheiten.

(68 Wörter, 501 Zeichen)

Alles drin, was der Leser wissen muss. Warum also so viele Worte machen? Falls sich der nichtnorddeutsche Leser jetzt fragt, wo beim Text unten der Schnaps danach geblieben ist: Den muss man hierzulande nicht extra erwähnen, der gehört zwingend zum Grünkohlessen dazu. Darauf hinzuweisen wäre so, als würde man schreiben, zum Essen würden auch Messer und Gabel gereicht.

4 Kommentare

  1. Wäre die Langversion auf Englisch, würde sie wohl als Storytelling-Versuch durchgehen. Die Kurzversion enthält überhaupt keine Storytelling-Elemente. Ist dies in Deutschland verpönt?
    Mir fehlt in der Kurzversion die Begründung, warum man am Grünkohlessen teilnehmen sollte. Auf die Info, welche im Absatz „Der Vorsitzende freute sich…“ steckt, würde ich nicht verzichten wollen. Den Schnaps würde ich trotzdem erwähnen, weil ja nicht unbedingt jeder, der in Norddeutschland wohnt, mit norddeutschen Sitten und Gebräuchen vertraut ist.

    1. Es kommt immer darauf an, wofür ein Text gedacht ist. Hier geht es nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, sondern über eine Veranstaltung zu informieren. Der Leser will schnell wissen, worum es geht und wann was wo stattfindet. Dass Grünkohlessen von Parteien eine Mischung aus gesellschaftlichem Ereignis und politischer Information sein sollen, liegt doch auf der Hand. Und dass sich Vorstände auf das Erscheinen von Besuchern oder Gästen freuen, ist ein Gemeinplatz und muss nicht erwähnt werden. Alles andere wäre ein Wunder. Zudem stelle man sich eine Zeitungsseite mit mehreren solcher Ankündigungen vor und unter jeder stünde, der Vorsitzende freue sich über Zuspruch.
      Was den Schnaps angeht, gebe ich Dir Recht. Das könnte man noch dazuschreiben.

  2. „Den muss man hierzulande nicht extra erwähnen, der gehört zwingend zum Grünkohlessen dazu.“

    Ich hoffe doch, dass niemand gezwungen wird, Schnaps zu trinken. :-)

    „Der gehört hierzulande zum Grünkohlessen“ hätte also ausgereicht.

    1. Ich bekenne mich schuldig: beim zwingen hätte ich noch ein kleines bisschen Luft herauslassen können. Das zwingend bezieht sich, denke ich, eher auf den Gastwirt als den Gast. Am Schnaps darf nicht gespart werden.

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