Knäste im Supermarkt

Überall werden zurzeit neue Supermärkte gebaut, selbst das unbewegliche Flaggschiff Aldi hat festgestellt, dass es etwas ändern muss. Oder wie es ein bei Aldi für Neubauten zuständiger Ingenieur einmal formulierte: „Die Kunden wollen heute mehr, dem müssen wir entsprechen.“ Mit breiteren Gängen und einem größeren Frischesortiment zieht aber auch eine neue Art von Knast in die Supermärkte ein. Zum Brötchenknast gesellt sich jetzt der Zigarettenknast.

Die Zeiten der offenen Regale mit Zigarettenschachteln sind fast überall vorbei. Erst kamen verschlossene Kästen, aus denen ein Päckchen der per Fingerdruck gewählten Marke unten herausfiel, dann die modernisierte Form dieser Kisten und nun gibt es sogar externe Zigaretten-Knäste. Der Kunde wählt zunächst wieder per Touch an der Kasse eine Marke, daraufhin wird ein Bon mit einem Strichcode ausgedruckt. Der wird an der Kasse eingescannt, der Kunde bezahlt und geht dann in einem anderen Teil des Supermarktes an den Ausgabeautomaten, wo der Barcode gelesen und die Zigaretten ausgeworfen werden.

Neu gebaute Supermärkte haben Platz für solche Zigarettenknäste, da die Leergutautomaten jetzt in Extraräumen stehen und der freigewordene Platz sich prima für einen Zigarettenknast eignet. Der unterscheidet sich äußerlich auch gar nicht so sehr vom Leergutautomaten, nur dass da nicht Flaschen hinein-, sondern Teerstäbchen herauskommen. Gleiches gilt für den Bon. Der Zigarettenknast gibt keinen Bon aus, sondern hat ein extra Fach, in den der nun wertlos gewordene Bon hinein soll. Der ist übrigens bar jeder Kommata formuliert. Der Kunde liest: „Das Produkt muss innerhalb von 72 Stunden nachdem es an der Kasse bezahlt wurde abgeholt werden.“ Genau so. ich musste es zweimal lesen. Ich bin übrigens Nichtraucherin, sollte nur für jemanden Zigaretten mitbringen. Sie aus dem Knast zu befreien, erforderte erst einmal einige Überlegungen und Nachfragen bei der Kassiererin.

Kein Leergutautomat, sondern einer von den neuen Zigaretten-Knästen.
Kein Leergutautomat, sondern einer von den neuen Zigaretten-Knästen.

Deklariert wird das dann als Easy Shopping, was Schönfärberei ist, denn es macht den Kauf der Fluppen nicht einfacher. Soll es vielleicht auch gar nicht.

Immerhin ist der Zigarettenknast nicht ganz so schwierig zu bedienen wie der Brötchenknast. Ich habe zwar zwei Hände, aber genau das ist das Problem. Meistens komme ich mit meinen zwei Händen ganz gut durchs Leben. In einer Situation aber wünsche ich mir dringend eine dritte Hand: wenn ich im Supermarkt Brötchen kaufe.

Beim Bäcker um die Ecke gibt es die freundliche Verkäuferin, die nach den Wünschen der Kunden die Tüte füllt. Aber im Supermarkt mit angeschlossenem Backofen und frischen Brötchen, die in Stiegen hinter Plexiglas-Klappen, also im Brötchenknast, liegen, wird das Eintüten zum Problem. Weil drei Dinge gleichzeitig zu erledigen sind: Klappe auf-, Tüte fest- und offen halten und mit der hygienischen Zange nach den Brötchen angeln. Dass die Zange an die Kette gelegt ist, damit sie niemand mitgehen lässt, macht die Sache nicht leichter. Dass die Zangenbacken nicht brötchenergonomisch gestaltet sind auch nicht.

Da wäre jetzt die dritte Hand vonnöten, um all das zu schaffen. Oder gar eine vierte, die die Brötchentüte so offen hält, dass das mühsam geangelte Brötchen problemlos in die Tüte flutscht – und nicht an der Tütenaußenseite gen Boden gleitet.

Da ich aber nun mal wie alle anderen Menschen auf der Welt nur zwei Hände habe, muss ich mir meine Brötchen im Supermarkt im Schweiße meines Angesichts mit einer schwierigen Jonglage verdienen. Immerhin haben sich mittlerweile einige Supermärkte dieser Nöte angenommen und bieten zusätzlich oder anstatt Zangen Einweghandschuhe an. Das macht es ein bisschen leichter.

Übrigens passt es da doch gut ins Bild, dass zusätzlich zu den Knästen in vielen Geschäften jetzt den Spirituosen Handschellen angelegt werden: Diebstahlssicherungen, die erst an der Kasse nach dem Bezahlen entfernt werden und die das Öffnen der Flaschen verhindern. Der Kunde ist zwar König, aber manche Kunden sind offenbar diebische Könige.

Der oben verlinkte Brötchenknast-Beitrag vom Supermarkt-Blog ist übrigens wunderbar geschrieben und nimmt herrlich das von mir so gerne beschworene Schwurbeldeutsch auf die Schippe. Ich sage nur Krümelrutsche.

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