Kein Einsatz für die Weihnachtspolizei

An diesem Wochenende gibt es bei uns bereits etliche Weihnachtsmärkte und Adventsbasare. Dabei ist doch heute erst Toten- oder Ewigkeitssonntag. Über die eiligen Weihnachtsmärkte habe ich mich hier schon einmal aufgeregt. Ich will diese Litanei nicht noch einmal anstimmen. Aber etwas anderes bewegt mich in diesem Zusammenhang. Wie wichtig sind uns Rituale, wie wichtig der strukturierte Jahresablauf, und ist das nicht völlig unmodern und unzeitgemäß?

weihmarkt

Neujahr – Neujahrsempfänge – Karneval – Fastenzeit – Ostern – Konfirmationen – Abiturienten – Sommerloch – Einschulungen – Volkstrauertag – Basare und Weihnachtsmärkte – Weihnachten – Silvester: Der klassische Jahresablauf einer durchschnittlichen Lokalredaktion ist auch der klassische Jahresablauf vieler Menschen, mit kleinen Abweichungen. Einiges wird vom Wetter oder von Institutionen vorgegeben, vieles aber ist eine von den Kirchen geprägte Tradition. Während Konfirmation, Abitur der Kinder und Einschulung je nach persönlicher Situation stattfinden oder wegfallen, sind andere Punkte des klassischen Jahreslaufs immer gleich. Aber muss das so sein? Können wir diese Struktur nicht einfach über Bord werfen? Warum sollen wir nur am Totensonntag unserer Toten und nur am Volkstrauertag der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedenken? Warum sollen Weihnachtsmärkte erst zum 1. Advent beginnen und nicht schon am Ewigkeitssonntag? Können wir nicht auch im September im Garten Eier suchen?

Ja, können wir. Wollen wir aber nicht. Ich jedenfalls nicht. Meine Generation ist von Kindheit an geprägt von diesen Jahresläufen, und bei vielen anderen ist es auch so. Das sitzt tief und fest. Letztlich korrespondieren die Eckpunkte des Jahres mit den äußeren Bedingungen. Ostereier gibt es im Frühjahr, weil die Hühner früher erst mit den längeren Tagen wieder begannen, Eier zu legen. Als die Tiere noch nicht so auf Ertrag gezüchtet waren wie heute, stellten sie das Eier legen im Winter ein, so wie es alle anderen Vögel noch heute tun. Die stillen Trauertage liegen im November, dem trüben und stillen Monat, wenn auch die Natur erstirbt. Im Juli wären sie undenkbar.

Es gibt also durchaus Gründe für gewisse Abläufe im Jahr. Allerdings ist damit keineswegs in Stein gemeißelt, dass Weihnachtsmärkte nicht vor Ende der Trauertage stattfinden sollten, oder? Offenbar gilt das heute nicht mehr, und immer mehr Anbieter lassen es völlig außer Acht. Nicht nur kommerzielle, sondern auch Vereine.

Ich rege mich immer noch darüber auf. Und doch verordne ich mir an dieser Stelle Toleranz, auch wenn es mir schwer fällt. Ich besuche keinen Adventbasar oder Weihnachtsmarkt vor dem 1. Advent. Auch die Weihnachtsdekoration kommt nicht vorher auf den Tisch oder ans Fenster. Da bin ich konservativ und stur. Wer es aber gern anders hätte, soll es ruhig tun. Schließlich gibt es noch keine Weihnachtspolizei. Das wäre ja noch schöner.

Ein Kommentar

  1. Da bin ich ganz bei dir. Und aus aktuellem Anlass gerade noch mehr.
    Hier haben die Detailfachgeschäfte heute geöffnet. Sie nennen das irgendwas mit Markt und dass es die ideale Gelegenheit sei, Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ach so, Markt… Nein, keine Stände, die Geschäfte haben einfach ausnahmsweise am Sonntag gelffnet. Und ich habe das „Vergnügen“, Impressionsfotos machen zu dürfen-müssen…

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