Ein Menschenleben ist fast eine Million Euro wert

Überall in Deutschland veröffentlichen die Polizeidirektionen im Frühjahr die Verkehrsstatistik des Vorjahres, gemeinhin Verkehrssicherheitsbericht genannt. Am Anfang steht bei vielen der gleiche Text als Einführung, darin unter anderem die Definition einzelner Begriffe und ein Hinweis auf das Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz – puh, was für ein Wort -, das die Polizeidirektionen zu diesem Bericht verpflichtet. Und dann kommen Definition und Wert von Unfallopfern.

Ein schwerer Unfall bedeutete Leid und Schmerz. Er hat aber auch ein finanzielle Dimension.
Ein schwerer Unfall bedeutete Leid und Schmerz. Er hat aber auch eine finanzielle Dimension.


Zum Wert von Verunglückten und den Kosten von Unfällen gibt es Euroangaben, die die Schäden beziffern. Erst einmal eine typische Behördendefinition. „Verunglückte bei einem Verkehrsunfall sind alle Personen, die verletzt wurden, einschließlich Mitfahrer.“ Und dann kommen die Unfallkostensätze, die nach den Unfallfolgen berechnet werden. Danach liegt der Kostensatz für einen Getöteten bei 996 442 Euro, für einen Schwerverletzten bei 110 571 Euro und für einen Leichtverletzten bei 4416 Euro. Klingt zynisch angesichts des Leids, dass der Unfalltod oder eine schwere Verletzung über die Unfallopfer und ihre Angehörigen bringen. Dann gibt es noch die Kostensätze für Sachschäden, die bei Unfällen mit Getöteten bei 40 000 Euro liegen und bei Unfällen mit Schwerverletzten bei 19 215. Alle Unfälle ohne Verletzte oder Getötete schlagen bei den Kostensätzen für Sachschäden mit 5643 Euro zu Buche.

Aber was wird da berechnet? Das habe ich die BaSt, die Bundesanstalt für Straßenwesen, die den Kostenindex berechnen lässt, gefragt. In die Kosten fließen Komponenten ein, die dem Laien so zunächst gar nicht einfallen würden. Etwa der Aufwand, den die Polizei für die Bearbeitung des Unfalls leisten muss. Oder die Kosten für die Rechtssprechung in der Folge des Unfalls, die Kosten für die Dauer der medizinischen Behandlung und sogar die für unfallbedingte Zeitverluste bei Staus in Folge von Unfällen auf der Autobahn.

Zurück zu den Kostensätzen. Unter die für Personenschäden fallen

  • stationäre Behandlung
  • ambulante Behandlung
  • Krankentransportkosten
  • Kosten der Nachbehandlung
  • Hilfsmittel
  • Förderungsmaßnahmen
  • Rehabilitation
  • Pflege
  • Arbeitsunfähigkeit
  • Minderung der Erwerbsfähigkeit
  • Kosten für ärztliche Gutachten
  • Kosten der Polizei
  • Kosten der Rechtssprechung
  • Verwaltungskosten der Versicherer
  • Neubesetzungskosten (der Arbeitgeber für den ausgefallenen Mitarbeiter)
  • Kosten für die Leichenschau, Überführung und Bestattung
  • Ressourcenausfallkosten (abgeleitet aus der entgangenen Wertschöpfung dieser Unfallopfer)
  • außermarktliche Wertschöpfung (unbezahlte Leistungen wie Kinderbetreuung)
  • humanitäre Kosten (Schmerzensgeld)

Zu den Kostensätzen für Sachschaden gehören

  • Fahrzeugschaden
  • sonstige Sachschadenskosten (Leitplanken)
  • sonstige adäquat kausale Sachschadenskosten (Bodenaustausch)
  • Verwaltungskosten der Versicherungen
  • Kosten der Polizei
  • Kosten der Rechtsprechung
  • Ressourcenausfallkosten
  • außermarktliche Wertschöpfung

Bleiben wir noch ein bisschen bei kalten Zahlen und Statistik am Beispiel der Ressourcenausfallkosten der Getöteten. Sie zu berechnen, ist kompliziert: Man muss die Zeit bestimmen, in der das Unfallopfer ohne den Unfall noch gearbeitet hätte oder in anderer Weise produktiv für die Gesellschaft tätig gewesen wäre. Das hat mit dem Alter zu tun, mit der sogenannten Restlebenserwartung, und damit, ob das Opfer überhaupt erwerbstätig war – ich vermute mal, Hausfrauentätigkeit fällt nicht darunter. Was noch auffällt: Einige Kosten fallen sowohl unter die Kosten für Personenschäden wie unter die für Sachschäden. Schwer nachzuvollziehen für einen Laien.

Die monetären Unfallkosten sind sicher wichtig. Wichtiger aber ist natürlich, das Leid, die Schmerzen und den Verlust zu sehen, den tödliche Unfälle und auch Unfälle mit Schwerverletzten anrichten. Das Geld kommt in zweiter Linie. Zum Glück ist die Zahl der Unfalltoten und der Schwerverletzten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen, bei stetig wachsendem Verkehr. Die Ursache für diesen Rückgang liegt in den passiven Sicherheitssystemen der Autos. Auch die kosten viel Geld. Aber es ist gut angelegtes Geld, viel besser, als die hunderttausende von Euro, die ein Unfall kostet, um noch einmal bei den kalten Geldbeträgen zu bleiben.

3368 Menschen verloren im Jahr 2014 auf deutschen Straßen ihr Leben, rund 389 000 wurden verletzt.

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