Wikipedia-Umfrage: Männer und Frauen wie Hund und Katz?

Das kann nicht unwidersprochen bleiben: Anatol Stefanowitsch, der gern und ausgiebig im ungerechten Zorn wider das generische Maskulinum zu Felde zieht, hat sich in einem Beitrag für geschlechtergerechte Sprache im Netzlexikon Wikipedia stark gemacht. Die in dem im Sprachlog erschienenen Artikel „Wikipedia und die starken Männer“ angeführten Argumente sind meiner Meinung nach doch sehr weit hergeholt. Mehr noch: Der Beitrag diskriminiert mich als Frau. Bin ich Hund, bin ich Katze?

An drei Punkten in Stefanowitschs Text bin ich gestolpert.

1. Wikipedia hat offenbar, so schreibt er, ein Frauenproblem. 90 Prozent der Beiträge würden von Männern verfasst oder editiert. Ich kann nicht überprüfen, ob das so ist. Ich finde aber die angeblichen Ursachen dafür schwer nachvollziehbar: Wikipedia mache Frauen keine Angebote, durch sie sich sicher und willkommen fühlen, schreibt Stefanowitsch. Zur Begründung verlinkt er auf einen Beitrag von kleinerdrei.org. Einspruch, euer Ehren: Sind wir nicht Frau genug, unsere Meinung und unser Wissen kund zu tun, auch gegen Widerstände? Glaubt man dem Beitrag von kleinerdrei.org, liegt es in der Natur der Frauen, davor zurückzuschrecken und eher einen Rückzieher zu machen, als sich durchzusetzen. Nein, so bin ich nicht, und so will ich auch nicht gesehen werden.  Und das lasse ich mir auch nicht einreden. Hört endlich auf, uns Frauen immer wieder zu sagen, wie wir zu fühlen haben und dass wir Förderung und Schutz brauchen und ihr uns Sichtbarkeit verschaffen wollt. Das alles nehmen wir uns schon selbst. Ihr redet uns die Schwäche ein, gegen die ihr ankämpfen wollt. Ganz davon abgesehen finde ich es schlimm, dass hier versucht wird, die Forderung von Radikalfeministinnen nach geschützten Räumen für Frauen im Netz jetzt auch auf Plattformen wie Wikipedia durchzudrücken. Ich will ein freies Netz für alle.

2. Stefanowitsch führt an, zwei deutsche Wikipedia-Nutzer hätten sich mit der „umfassenden Forschungslage zur geschlechtergerechten Sprache auseinandergesetzt, die relativ einhellig zeigt, dass das „generische Maskulinum“ in der Sprachverarbeitung nicht generisch, sondern eben als Maskulinum interpretiert wird“. Das mag ja sein, dass die umfassende Forschungslage das ergeben hat. Aber wo hat sie geforscht? Im universitären Raum? Ich bin keine Wissenschaftlerin und habe keine Untersuchungen unternommen. Aber ich kenne den allgemeinen Sprachgebrauch, wie er mir täglich begegnet. Und entgegen aller viel beschworenen Forschungen wird das generische Maskulinum dort genauso verstanden, wie es gemeint ist. Für Männer und Frauen.

3. Stefanowitsch hackt noch ein bisschen auf dem generischen Maskulinum herum und versteigt sich dann zu einem Satz, der mich zusammenzucken lässt.

Bis dahin ist es aber ungefähr so sinnvoll, wie die Idee, Hunde und Katzen speziesneutral unter dem Oberbegriff Hunde zusammenzufassen.

Moment mal. Hunde und Katzen sind verschiedene Spezies. Frauen und Männer sind Menschen, alle beide. Der Vergleich hinkt ungemein. Und er ist gemein. Er unterstellt, Männer und Frauen seien so unterschiedlich wie Hunde und Katzen. Aber genau so ist es bei Menschen eben nicht. Mensch ist eine Spezies, Mann und Frau ein Geschlecht. Daran kann wohl kein Zweifel bestehen.

Man kann Wikipedia vieles vorwerfen. Das hat gerade erst ein Monitor-Beitrag zum Einfluss von PR auf Wikipedia deutlich gemacht. Aber die Zahl der dort schreibenden und editierenden Männer und Frauen auf die Frage des generischen Maskulinums zu reduzieren, wird dem Problem nicht gerecht. Die beiden Wikipedia-Nutzer wollen ab heute Abend ein Meinungsbild einholen. Für sich selbst haben sie schon klar ausgedrückt, dass sie das generische Maskulinum beibehalten wollen. Eine richtige Entscheidung.

8 Kommentare

  1. Wie wäre es, alternativ „Haustiere“ statt des genannten „Oberbegriffs“ „Hunde“ zu denken? Dieser Spezies gehören beide Tierarten an. Ebenso wie Männer und Frauen beide der Spezies Mensch angehören. Werden die Spezies Mann/Frau dadurch unterschiedslos, dass sie der gleichen Spezies angehören?

    Anderer Ansatz: Der Satz „Haustiere müssen täglich spazieren geführt werden.“ wird wohl den meisten Menschen, die mit Haustieren leben, die KEINE Hunde sind, seltsam anmuten. Von Menschen hingegen wird erwartet, dass sie bei der Verwendung des generischen Maskulinums selbstverständlich Frauen mitdenken.

    1. Haustiere statt Hunde und Katzen ist schon ein bisschen besser als Hund und Katze. Aber nicht ganz ernst gemeinter Einwand: Ich kenne eine Frau, die täglich ihr Pony ausführt.
      Aber jetzt im Ernst: Du schreibt, von Menschen werde erwartet, dass sie bei Verwendung des generischen Maskulinums selbstverständlich Frauen mitdenken. Ich glaube, und das erlebe ich immer wieder, dass das nicht nur erwartet wird, sondern dass das auch so ist, mit wenigen Ausnahmen. Wenn jemand Studenten sagt, meint er natürlich nicht nur die männlichen. Wenn jemand Schüler sagt, dann ist sind an unseren Schulen immer Jungen und Mädchen gemeint, sonst würde er sagen „die Jungen an unserer Schule“. So ist die Lebenswirklichkeit, wie ich sie sehe. Das mögen andere anders sehen, aber ich glaube, das ist eine sehr akademische Einstellung.
      Anders sieht es aus, wenn in einem Beruf nur Frauen arbeiten. In einer Kita mit ausschließlich weiblichem Personal von Erziehern zu sprechen, ist unangemessen und falsch. Aber das tut auch niemand, zumindest in meinem Umfeld und nach meiner Beobachtung.

    1. Hallo Susanne, ich beziehe mich auf folgendes Zitat von dir

      „Hört endlich auf, uns Frauen immer wieder zu sagen, wie wir zu fühlen haben und dass wir Förderung und Schutz brauchen und ihr uns Sichtbarkeit verschaffen wollt. Das alles nehmen wir uns schon selbst.“

      Das kann ich nur unterschreiben. Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, Beiträge zur Wikipedia, die ich in meiner Freizeit unentgeltlich verfasse, so zu formulieren, dass Frauen sprachlich in Erscheinung treten. Ich habe keine Lust, mir von einer Clique, die ich in die Nähe von Maskulisten rücke, erzählen zu lassen, wo ich mich mitgemeint fühle und wo nicht; bzw. wo Frauen enzyklopädisch mitwahrgenommen werden und wo nicht.

      Beste Grüße

      1. Hallo Moa,
        Bravo. So wie ich mir das nicht beim generischen Maskulinum vorschreiben lassen will, willst Du es auch nicht, aber mit anderer Zielrichtung. Genau das meinte ich: Lasst uns Frauen doch selbst entscheiden, was wir wollen.
        Das Problem bei veröffentlichten Texten ist nur leider, dass sie sich nicht jeder nach seinem Gusto stricken kann. Und dieses Problem ist unauflöslich, eine Lösung sehe ich leider auch nicht. Das Mittel der Abstimmung hat genauso seine Tücken wie die Verordnung von oben bzw. vom Herausgeber.
        Ich selbst plädiere bei veröffentlichten Texten für eine breite Öffentlichkeit, z. Bsp. in Zeitungstexten oder eben bei Wikipedia, für das generische Maskulinum und gegen jede Art von Sprachkrücke, um die Lesbarkeit zu erhalten. Ich habe in einem anderen Text mal einen Auszug aus der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung zitiert, der das sehr schön zeigt: http://wp.me/p1J2oJ-17z
        In seinen eigenen Texten, die keinem Lektorat oder keiner Schlussredaktion unterworfen sind und die der Autor selbst verantwortet, ist es natürlich jedem und jeder selbst überlassen, wie er schreibt.

        1. So wie ich die Wikipedia-Community kenne, ist diese in der Lage Texte bei Bedarf (das Beispiel mit dem Babyunterricht finde ich gut) gendersensibel zu verfassen, ohne dass der Text unverständlich oder verhunzt rüberkommt. Aufgrund dieser Kompetenz ist schlicht kein weiterer Regelbedarf vonnöten.

          Dass der Bedarf gendersensibler Formulierungen von Autor zu Autorin unterschiedlich eingeschätzt wird, liegt in der Individualität der Community. Mit etwas Toleranz kann man dem Hauptautor des Artikels hier die „Gestaltungshoheit“ einfach lassen. Dies wird auch in anderen Fällen so gehandhabt.

  2. Nun man kann auch Themen suchen, wo in Wirklichkeit keine sind. Gerade Wikipedia ist doch das Medium wo jeder, gleich welchen Geschlechtes mitmachen kann, ohne dass er Vorurteile erfährt. Eine Bekannte von mir ist eine begeisterte Wikipedia Autorin. Gerade an ihrem Beispiel kann man sehen, wie sich in dieses Projekt auch Frauen ohne Schwierigkeien einbringen können.

  3. Liebe Susanne,
    danke für Ihre wohlwollenden Worte zum generischen Maskulinum. Das Meinungsbild in der Wikipedia ist unter anderem auch als Stellungnahme zur feministischen Kritik an dieser grammatikalischen Form gedacht. Die Initiatoren halten das generische Maskulinum für eine angemessene und nicht diskriminierende Form geschlechtsneutralen Formulierens.

    Die Unsitte, Meinungsgegner in extremen politischen Lagern zu verorten („Maskulisten“), scheint mir ein Ausdruck geistiger Bequemlichkeit. Keiner der beiden Initiatoren würde sich als „Maskulist“ bezeichnen.

    Leider ist die komplette Debatte von ausgeprägtem Lagerdenken geprägt.

    VG Bra

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