Mut zum schlechten Foto . . .

Dicht dran und schön unscharf: die Schnecke.

. . . heißt es in Zeitungsredaktionen oft, wenn kein gutes Bildmaterial vorhanden ist. Schlechte Fotos, lautet die Faustformel, musst du groß machen, um sie zu retten. Naja, da kannman erstens geteilter Meinung sein – ich würde dann lieber auf ein Foto verzichten, es sei denn, das schlechte Foto ist ein Zeitdokument. Oder aber, und das ist die bessere Variante, es gibt gar keine schlechten Fotos mehr. Die Qualität der Fotos, gerade im Lokalen, wo viele Nicht-Fotografen fotografieren, ist in den vergangenen Jahrn beständig besser geworden. Schlechte Fotos gibt es dennoch, kaum noch in der Zeitung, aber im eigenen Archiv. Ein Fotoblog ruft jetzt dazu auf, diese verborgenen Scheußlichkeiten ans Licht zu holen.

Zur Leseraktion „Dein hässlichstes Foto aller Zeiten“ ruft kwerfeldein.de auf. Einige Leser vermuteten zunächst einen Aprilscherz, mit Blick auf das Erscheinungsdatum des Artikels. Falls es ein Aprilscherz war – macht nichts. Ich finde die Aktion gut und bin damit offenbar nicht alleine. Die Resonanz ist groß, und viele Kommentatoren verweisen darauf, dass sie schlechte Fotos rigoros löschen. So ähnliches halte ich es auch, ab und zu durchforste ich das Archiv und lösche konsequent. Nicht nur technisch schlechte Fotos, sondern auch nichtssagende, langweilige. Anlässlich der Leseraktion bin ich noch einmal auf die Festplatte geklettert und habe doch noch ein paar misslungene Aufnahmen gefunden. Was noch alles als Abzug aus analogen Zeiten an schlimmen Bildern in der Schublade liegt, das habe ich ganz beiseite gelassen.

Hier kommen also meine schlechtesten Fotos:

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Unscharfe Füße beim Irish Dance.

Natürlich gibt es genug Entschuldigungen, warum ein Bild nichts geworden ist. Bei der Irish-Dance-Veranstaltung, von der die beiden Fotos oben stammen, gab es wenig Licht und schnelle Bewegungen. Blitzen hätte die Lichtstimmung getötet, ohne Blitz töteten die schnellen Bewegungen der Füße die Schärfe. Ein paar gelungene Aufnahmen sind es trotzdem geworden, aber die sollen hier keine Rolle spielen.

Wrestling: Unsortierte Gliedmaßen.
Wrestling: Unsortierte Gliedmaßen.

Ähnlich liegt der Fall beim Wrestling. Viel Action, viele Seile rund um den Ring, Beine, Arme, die im Weg sind, ein Ringrichter, der stets an der falsche Stelle steht, und viele schnelle Bewegungen. Auf diesem Foto ist zwar alles drauf, aber nichts sortiert. Ein Bild für den Papierkorb.

Lichterstadt – schlicht verwackelt.

Ganz anders ist der Fall Lichtstadt gelagert. In der Vorweihnachtszeit beleuchtete Bäume vor Kirchenfenstern. Und alles hält schön still. Dumm nur, dass auf diesem Foto einfach alles unscharf ist. Grund sind zwei Faktoren, die sich nicht vertragen: lange Belichtungszeit und in der Kälte zitternde Glieder. Das Bild ist aus der Hand fotografiert, ohne Stativ, mit vertikalem Auflegen der Kamera an den Mast einer Straßenlaterne, daher der etwas schiefe Blickwinkel. Genützt hat es nichts. Es war einfach zu kalt.

Knackscharf, aber ohne Aussage: Vorbereitung zum Fototermin im Fitness-Studio.

Die Schärfe ist beim nächsten Bild nun wirklich nicht das Problem. Zugegeben, das war kein ernst gemeintes Bild, einfach nur ein Test, bevor der Fototermin im Fitness-Studio richtig losging. Wo muss die Kamera hin, welcher Winkel ist richtig? Klappt es mit den Spiegeln? Die Bildidee war, zwei Frauen, die vor dem Spiegel Gewichtstangen auf den Schultern tragen, im gespiegelten Doppel zu zeigen. Wer genau hinschaut, entdeckt mich selbst im Spiegelbild beim Einrichten der Kamera. Außerdem ist das Foto ein wunderbares Dokument über einen spiegelblanken Holzfußboden.
Genug der Entschuldigungen. Die gelten sowieso nicht. Ein wahrer, guter Fotograf kriegt solche Schwierigkeiten natürlich lässig in den Griff. Alles ein Frage des Könnens und Wollens, oder?
Das war mein Best-of-schlechteste-Fotos. Alle unbearbeitet, so wie sie aus der Kamera kamen. Die brutalstmöglichen HDR, die auf meiner Festplatte schlummern, habe ich da liegen lassen. Die sind vielleicht irgendwann einmal einen Extra-Beitrag wert.

Ich wette, jeder Fotograf, ob Hobby- oder Profifotograf, hat solche Schätzewie die oben gezeigten in seinen Archiven schlummern. Da hilft selbst das rigorose Durchforsten nichts, ein paar von diesen unsäglichen Fotos bleiben irgendwie immer hängen. Zum Glück sonst hätte es diesen Beitrag mangels Beispielen nicht gegeben. Und morgen gehe ich wieder hinaus und mache Fotos – hoffentlich gute.

2 Kommentare

  1. Hi Susanne,

    ich nutze diesen Beitrag als Antwort auf deine letzte Kommentarergänzung :-) .

    Seit September 2012 befinde ich mich in der Vorbereitung für die Fotografen-Meisterprüfung. Die Handwerkskammer Dortmund ist leider die einzigste Institution in NRW, wo eine Fachprüfung im Bereich Fotografie gemacht werden kann. Und somit war bzw. ist die Zeit knapp für Kommentare. Diese Woche ist jedoch noch schulfrei. Die weiteste Anreise mit über 3 Std. hat eine Kollegin aus Niedersachsen.

    Mal zu deinen schlechtesten Fotos. Was heisst eigentlich schlechtes Foto? Fotos sind letztendlich niemals schlecht. Ihnen fehlt nur eine passende Bildbeschreibung. Und würde ich Dir bei deiner Meinung zustimmen, müsste ich fragen, warum Du dann überhaupt den Auslöser gedrückt hast? Nur um ein schlechtes Foto aufzunehmen? Als Journalistin legst Du ja ziemlich viel Wert in die Sprache. Lass mal im Geiste die Worte an Dir vorbeiziehen: „Ich mache schlecht….“. Und dann spinne einfach mal den Satz und die Reflektion weiter.

    Warum finde ich (persönlich) die Fotos nicht schlecht? Bei den ersten zwei Fotos höre ich als begeisterter Tänzer den Takt des Bodens. Die Faszination der Bewegung. Und stelle mal die Füße so wie auf dem Foto zu sehen. Viel Spaß…

    Beim dritten Foto bin ich froh nicht unten zu liegen. Zudem kannst Du hier wunderbare Ausschnitte wählen, bevor Dich der dumpfe Aufprall und Schmerzschrei erreicht.

    Mit verwackelten Aufnahmen werden ganze Ausstellungen bestückt. Das Kirchenfoto hat was mystisches, und erinnert ein wenig an die Gothicszene.

    Die letzte Aufnahme erinnert an die Tanzspielfilme der 80er, und an RTL „Let´s Dance“.

    Nach meiner Beschreibung haben die Fotos also was zu erzählen. Und Du hast nun ein Problem mit der Selbstgeißelung. Kopf hoch, das wird noch ;-) .

    Liebe Grüße aus NRW

    Dieter

  2. Lieber Dieter,
    vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
    Natürlich gibt es von allen oben gezeigten „schlechten“ Fotos noch bessere Varianten – ich habe einfach für diesen Text nur die schlechten herausgesucht. Gerade beim Fotografieren für die Presse macht man natürlich von jedem Motiv etliche Aufnahmen, um das Beste herauszuholen. Es gibt also noch Wrestling ohne so ein Durcheinander, eine scharfe Kirche und sehr schöne Bilder vom Fitness-Studio, die ich aber hier nicht zeigen kann, weil ich die beiden Damen darauf nicht mehr fragen kann, ob sie einverstanden sind. Ich habe leider keine Kontaktdaten mehr von ihnen, da das Foto bereits vor zwei Jahren entstanden ist.
    Was die angebliche Selbstgeißelung angeht: Das ist für mich eine realistische Selbsteinschätzung. Nichts finde ich schlimmer, als Fotografen, die ihre Bilder toll finden, obwohl sie erhebliche Mängel haben. Da bin ich lieber ein bisschen kritischer mit mir selbst.
    Liebe Grüße,
    Susanne

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