Fotografen: Begegnung mit der „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“

Ihr kennt diese vom Testosteron gesteuerten Mannsbilder. Die, denen die Technik über alles geht. Sei es beim Auto oder – auch das eine schöne Spielwiese für diese Spezies – beim Fotoapparat. Ich nenne sie die „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“ und habe gerade zwei Mal eine beeindruckende Begegnung mit solchen Fotografen gehabt.

Ein größerer, aber regionaler Pressetermin. Der alte Spruch „Die Tür geht auf, keiner kommt rein, DPA ist da“ stimmt mal wieder. DPA ist nämlich nicht da, sondern ich für die örtliche Regionalzeitung – wir sind die, die immer da sind – und eine ganze Heerschar an Fotografen. Eine Fototasche ist dicker als die andere, ein Objektiv größer, goldringiger, länger, eine Kamera mit dicken Akkugriffen getunter als die andere.

Protzen mit der Gegenlichtblende

Sehr beliebt sind auch Gegenlichtblenden: leicht, billig und machen ungeheuer viel her. Den Vogel schießt ein Fotograf ab, der die Gegenlichtblende seines Bomber-Objektivs mit einem signalorangen Klebeband mit der Aufschrift „zerbrechlich“ verziert hat. Damit auch ja jeder sieht, dass hier ein Profi fotografiert. Merke: Wahre Profis kleben eher noch die hellen Teile der Kamera mit Isolierband ab, damit sie nicht auffallen. Könnte ja durchaus sein, das man mal aus der Hüfte schießen oder sich unauffällig bewegen muss. Gilt gerade für Pressefotografen.

Wie auch immer, beim Blick darauf, wer da für was fotografiert, fällt einem dann doch ein böser Spruch ein: Je kleiner die Auflage, desto mehr gehört der Fotograf zur „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“. Klar, das lässt sich nicht verallgemeinern, aber in diesem Fall stimmt es sogar. Was noch auffällt: Ich habe mich als einzige um die richtigen Fotomotive gekümmert, die anderen haben stumm drumherum gestanden und erst losgeknipst, nachdem ich die Motive in Szene gesetzt hatte. Mitdenken ist bei der Testosteron-Abteilung offenbar nicht unbedingt mitgeliefert worden.

Die zweite Begegnung mit den Technikjunkies war noch viel extremer. Bühne, Blues, Besucher = kleineres Open-Air-Fest in einer Kleinstadt. An der Bühnenrampe reiben sich die Fotografen, dicht an dicht stehen sie da und halten mit ihren langen Rohren auf die Musiker. Hier hat die „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“ eine echte Spielwiese gefunden.

Zubehör ist alles

Das kompakte Kameraequipment wird gerne noch kombiniert mit Monster-Fototaschen, Safariewesten mit tausend Taschen und albernen Hüten oder nach hinten gedrehten Schirmmützen. Und da stehen sie mit ihren langen Rohren am Bühnenrand und ich denke immer: Fotografiert der jetzt die Plombe im letzten Backenzahn des Leadsängers? Aber wer weiß, welches Zauberobjektiv der drauf hat.

Ich weiß nicht, welche Bilder dabei herauskommen. Gute Technik macht gute Bilder, wenn sie von einem guten Fotografen bedient wird. Ich wette, ich kann diese Fotos irgendwann sehen, wenn ich die Veranstaltung bei der Fotocommunity oder bei Flickr oder bei welcher Fotogemeinschaft auch immer ins Suchfeld eingebe. Dort findet man auch Profile der „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“.

Beliebt in Fotogemeinschaften: Die Besitzliste im Profil.
Beliebt in Fotogemeinschaften: Die Besitzliste im Profil.

Ich weiß jedenfalls, welche Bilder ich mit meiner sehr durchschnittlichen Kameraausrüstung mitbringe: brauchbare. Ich glaube sogar sehr brauchbare. Ich benötige für mein Selbstbewusstsein keine „Meiner-ist-länger-als-deiner-Ausrüstung“. Ich freue mich über lichtstarke Objektive, eine ordentliche Kamera mit vielen Funktionen, einen guten Blitz, wenn ich ihn brauche. Ich möchte meine Arbeit nicht mit einer Ritschratsch-Klick-Kamera machen müssen. Aber ich habe keine Monster-Ausrüstung und kann gut damit leben.

Andere brauchen offenbar auch kein Mega-Equipment. Denn es gibt unter den Rampen-Fotografen auch Minimalisten. Solche. Das wäre nun auch nichts für mich. Eine richtige Kamera sollte es schon sein, eine Spiegelreflex-Kamera. So ein bisschen Technikjunkie bin ich ja auch.

Das andere Extrem: Handyfotografie
Das andere Extrem: Handyfotografie.

Und dann sind da noch die Fotografinnen. Ich wehre mich zwar immer gegen die pauschale Behauptung, Frauen seien bessere Menschinnen. Aber beim Fotografieren gilt: Sie haben Technik, aber sie protzen nicht damit.

Stilvoller und weniger protzig: Frauen an der (Profi)-Kamera.
Stilvoller und weniger protzig: Frauen an der (Profi)-Kamera.

Dasselbe gilt übrigens für die wahren Profis. Die möchte ich hier ausdrücklich in Schutz nehmen. Auch sie fotografieren mit sehr hochwertigen Ausrüstungen, aber für sie sind sie Arbeitsgeräte und nicht Statussymbole. Und das sieht man.

Und ihr? Kennt ihr die „Meiner-ist-länger-als-deiner-Fraktion“ unter den Fotografen? Oder gehört ihr gar selbst dazu?

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9 Kommentare

  1. Bin selbst keiner und kenn direkt keinen, aber stimm dir zu, dass man sie öfter sieht.

    Hauptsache das riesige Objektiv ist weiß. Die Farbe allein. Das zeigt ja schon einen gewissen Stand. ;)

  2. Ich fotografiere meist nur just for fun und habe keine Lust, mich in die Reihe der besagten Fraktion einzureihen,
    aber ich geb’s zu –
    hach ja, so manches Mal würde ich so ein kleines Teilchen von den „längeren“ auch schon haben wollen …

  3. Max, über die Farbe habe ich noch gar nicht nachgedacht, ab Du hast Recht: weiß kommt gut, fällt mehr auf.
    Gerda, klar, so ein tolles Teil hätte ich auch gerne, aber ohne die Show dazu. Wir wollen doch mit unseren Fotos punkten.

  4. Habe mich bei deinem post köstlich amüsiert.
    Die Rivalität herrscht auch unter Touris. Neulich in Bern: Japaner mit mindestens drei „Meiner-ist-der-Längste-Dingern“. Das war wirklich beeindruckend!
    Habe mir leider nicht getraut, sie zu fotografieren – bin immer so schüchtern mit meiner kleinen Kamera…

    Gruß Annette

  5. Mir stellt sich immer die Frage, ob sich diese riesigen Objektive irgendwann auch mal refinanzieren lassen über die Bilder. Da müssten ja schon überragende Bilder, die sonst keiner machen kann, bei rauskommen. Für das Geld bekomme ich mitunter ja auch schon einen gebrauchten Kleinwagen.

  6. Liebe Susanne,

    kann ich bestätigen, die Szenarien. Und setze noch eins drauf: Auch der richtige Name auf dem Kameragehäuse ist für viele entscheidend. Gerade im Profibereich.
    Jetzt eine ernsthafte Anmerkung: Wenn man nunmal nur mit einer Kamera unterwegs ist und dann ständig das Objektiv wechseln muss, wird es auch blöd. Also bleibt man mitunter bei dem, das gerade drauf ist, entweder ein Standard oder Weitwinkel. Nur mitunter ist es praktisch bei PK die Mimik der Gesprächspartner einzufangen. Das geht dann sozusagen im Sitzen mit dem Tele besser. (Jedenfalls dann, wenn man gleichzeitig schreibt und Foto/Video macht….Gruß aus Mitttelhessen, Christoph

    1. Hallo Christoph, das ist mal ein Kommentar aus der Praxis (der auch schreibenden Kollegen), ich sehe, wir verstehen uns. Im übrigen habe ich nichts gegen zwei Bodys, bei manchen Terminen ist das einfach die richtige Wahl. Unbestritten. Und als Hinweis an alle, die mir hier Arroganz unterstellen, weil ich ihre fotografische Intention nicht verstehe: Ich habe die Profis in meinem Text ausdrücklich ausgenommen.

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