Der Totschlag-Troll

Niemand will den Troll. Und füttern soll ihn schon gar keiner. Der kleine Internet-Fiesling, der mit seinen Kommentaren Diskussionen und Foren aufmischt, ist als Begriff zur festen Größe im Netz geworden. Doch neuerdings kommt dem Troll eine neue Rolle zu. Genauer: Der Troll wird zum Totschlag-Troll, mit dem andere Meinungen abgeblockt werden. Aus genau diesem Grund bin ich selbst jetzt mit dem Titel Troll belegt worden.

Ich habe hier schon mehrmals darauf hingewiesen, dass ich erstens einen Gegnerin des Schreibens in angeblich gerechter Sprache bin und dass ich zweitens für mehr Gelassenheit bei den Debatten über eben diese Sprache plädiere. Mir ist schon klar, dass meine Appelle auf diesem kleinen Blog ungehört verhallen. Aber dass die Debatte um gerechte Sprache oder Gendersprache mit so viel Schaum vor dem Mund geführt wird, befremdet mich doch sehr. Liebe Leute, es gibt wahrhaft große Probleme auf der Welt und hier bei uns im Land. Lasst uns doch das Thema Sprache nicht mehr aufblasen, als es ihr gebührt.

Womit wir beim Thema wären: Nie habe ich den Begriff „Filterbubble“, also Filterblase oder Informationsblase, so passend gefunden wie bei diesem Thema. Nicht im direkten Sinn, sondern im übertragenen, nämlich nicht als digitale, sondern als mentale Scheuklappe. In gewissen Kreisen, angeblich sind sie vor allem an den Universitäten angesiedelt, sind der Feminismus, der Antirassismus und seine Sprachregeln dermaßen in Stein gemeißelt, dass keine abweichende Meinung zugelassen wird. Wer sie vertritt, wird beinahe umgehend als Troll diffamiert, der angeblich Argumenten nicht zugänglich ist oder kein denkender Mensch ist.

Auslöser für diese Überlegungen ist ein Beitrag im Blog Orte im Norden mit dem Titel „Korrekt-Sprech“. Der Autor wettert gegen die Formulierung „Bürgerinnen und Bürger, Wählerinnen und Wähler“ und spricht mir damit aus der Seele. Ich habe diesen Post auf Twitter zur Diskussion gestellt und dieser Tweet ist oft verbreitet worden. Die Reaktionen darauf waren halb und halb. Die einen gaben dem Autor Recht, die anderen widersprachen heftig. Darunter Alpha-Twitterer und Feminist Anatol Stefanowitsch. Der konterte zunächst mit einem Tweet, der ihm viel Beifall einbrachte.

Aber dann wurde es unschön. Während die Debatte hin und her wogte, habe ich mich mit wahren Problemen befasst: überlasteten Regenwasserkanälen und gefluteten Kellern. Und das über Jahre. Das kann Hausbesitzer zermürben. Ich habe mir über Stunden die Klagen angehört und währenddessen Twitter Twitter sein lassen. Dort wurden unterdessen Argumente für gerechte Sprache gepostet. Ich habe nach meiner Rückkehr nur kurz erklärt, warum ich mich eine Zeit lang nicht an der Debatte beteiligt habe.

Tja, und damit war ich offenbar zum Troll geworden. Anders kann ich mir diesen Tweet hier nicht erklären.

Ich beobachte seit einiger Zeit die Netzdebatten über Hatespeech, Feminismus und Maskulismus, über rassistische und feministische Sprache. Mit zunehmender Erschütterung. Da wird geholzt, was das Zeug hält. Und vor allem werden Menschen mit anderer Meinung dermaßen runtergeputzt, dass es einer normalen Debattenkultur völlig zuwider läuft. Da entwickelt sich eine neue Radikalität, die mich erschüttert. Sätze wie dieser lassen mich kopfschüttelnd zurück.

Aber auch Personen, die sich nicht als Maskulisten identifizieren, bringen durch ihr Kommentarverhalten zum Ausdruck, dass ihre Einstellungen tief in gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und reaktionären Diskursen verwurzelt sind. Ihnen geht es also ebenfalls nicht darum, im Sinne eines ungerichteten Trollens zu provozieren, sondern um die Verteidigung der herrschenden Ordnung und ihrer gesellschaftlichen Dominanzposition. (Aus „hatr-org: Wie Maskulisten den Feminismus unterstützen“)

Das also ist es, was Menschen unterstellt wird, die mit dem Titel Troll belegt werden. Mir also. Die Bezeichnung Troll wird als Totschlagargument herangezogen und damit den so bezeichneten Leuten unterstellt, sie hätten erstens keine Ahnung, zweitens das falsche Bewusstsein und würden drittens sowieso nur die herrschende, vollkommen falsche Ordnung verteidigen. Auf Gegenargumente reagieren die Radikal-Sprachler und -Feministen, ja, auch die Feministinnen, mit Polemik. Ein Eindruck, der sich nicht nur mir allein aufdrängt.

@stefanowitsch“

Das einzige, worüber Sie mit solchen Sätzen eine Aussage machen, ist ihr offensichtlicher Hass auf „Radikalfeministinnen“ (also Menschen, die radikal gleiche Rechte und Chancen für alle fordern).”Ja wenn es doch nur so wäre. Gerade dass es eben ganz und gar nicht so ist wie behauptet, bringt doch erst Kritiker feministischer Auslassungen und Doppelstandards dazu diese Missstände mit dem Ziel tatsächlicher Emanzipation zur Sprache zu bringen, was einmal mehr wieder dumpfstereotyp zur Trollerei erklärt wird.Ein feministisch orientiertes Familienministerium schliesst Männer seit Jahrzehnten vom Familienbegriff aus, ohne dass eine Hoffnung auf Änderung besteht. Radikal gleiche Rechte und Pflichten? Gleichstellung? Fehlanzeige. Und damit das so bleibt, muss, wie sich auch hier deutlich abzeichnet, “noch einiges getan werden”.Es ist einmal mehr erschreckend zu erleben, wie stark die Beharrungskräfte des institutionalisierten Feminismus in Medien und Politik vertreten sind.

Dieser an Anatol Stefanowitsch gerichtete Kommentar stand vor einigen Woche unter einem Beitrag auf Carta.de.  Auslöser für den Beitrag und die heftige Kommentarschlacht war ein Text, der sich darüber mokierte, dass der Feminismus jedes, aber auch jedes Thema für sich okkupiert. Da hatte die Autorin aber etwas losgetreten. Die Debatte tobte auf eine Art und Weise, die die Beteiligten diskreditiert, vor allem die Kritiker des Beitrags. Zwei von ihnen, eben Stefanowitsch und die feministische Bloggerin Antje Schrupp, kündigten wegen des Textes ihre Mitarbeit auf Carta auf.

Begründung von Stefanowitsch in einem Kommentar von ihm:

Nur, wenn Sie den Text als Entschuldigung benutzen, unqualifiziert auf „Radikalfeministische Kreise“ einzuschlagen, müssen Sie damit rechnen, dass denkende Menschen nicht auf derselben Plattform schreiben wollen, wie Sie.“ Womit er unterstellt, die Angesprochene sei kein denkender Mensch.

All das belegt meinen Eindruck, dass Vertreter eines gewissen Radikalfeminismus gar keine Argumente derer hören wollen, die andere Positionen vertreten als sie. Jeder Versuch einer Argumentation wird mit dem Totschlag-Troll erschlagen. Da passt es ins Bild, dass radikalfeministische Bloggerinnen darüber nachdenken, wie sie ein sogenanntes trollfreies Netz bekommen können. Nicht nur nicht auf Argumente eingehen, sondern sie gar nicht erst an sich heran lassen. Dafür soll es geschützte Räume im Internet geben. Debattenkultur sieht anders aus. Übrigens kenne ich schon das Gegenargument: Es seien keine Argumente, sondern reines Trollen und Hasstexte, die von Menschen mit anderer Meinung als Kommentare hinterlassen werden und deshalb müsse die Bloggerin sich dagegen schützen.

Na dann: fröhliches Troll-Abwehren.

9 Kommentare

  1. Diskutiere niemals mit einem Idioten. Er zieht dich auf sein Niveau herab und schlägt dich dort durch Erfahrung.

    Als Troll würde ich Dich nie bezeichnen. Das Ärgerliche ist halt, dass wir geregelter Arbeit nachgehen und durch verspätete Antwort Diskussionen scheinbar widerspruchlos verlieren.

    Dabei habe ich gelernt, dass das im Internet das Wirksamste überhaupt ist, einen Troll komplett zu ignorieren. Mangels Aufmerksamkeit und im festen Glauben, die Diskussion gewonnen zu haben, wird er sich dann schnell anderen Zielen zuwenden.

    Meine Filterbubble wird nachjustiert und alle sind zufrieden. Schönen Feierabend wünsche ich Dir, ärgere Dich nicht zu sehr :-)

    1. Ach was, ich ärgere mich nicht. Mir ist diese Aufgeregtheit und Radikalität nur völlig fremd. Alle, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und ein umfassendes Weltbild haben, können solche Reaktionen nur mit Kopfschütteln betrachten.
      LG, Susanne

    2. „dass wir geregelter Arbeit nachgehen“ ist übrigens ein Aspekt, der mich nach oben erwähnten Debatte auch umtrieb. Wie Susanne kam ich einfach nicht dazu, auf die ständig neuen Wendungen in der Diskussion einzugehen – insofern steht der Einzelne gegenüber der Wucht auf ihn einprasselnder und so schnell für ihn nicht nachprüfbarer Argumente in der Tat von vorneherein auf verlorenem Posten …

  2. jungs wie anatol gab’s zu „meiner zeit“ (70ies) auch – die besuchten damals häkelkurse in der irrigen annahme, dort frauen abgreifen zu können.

    wobei carta.de natürlich schon ein heikles terain ist, auch wenn es jetzt durch den abgang von stefan und antje, die ich schon mal gerne als die „carrie bradshaw des deutschen feminismus“ tituliere, angenehmer geworden ist: die alten seilschaften und das nannygebahren des hausdrachen machen es mir jedenfalls eher unangenehm, dort noch was zu posten, weil ja alles, was nicht sofort als konstruktiv in eine schublade gesteckt werden kann, per se nur dem derailen dient.

  3. Das mit den geschützten trollfreien Räumen klingt doch gut. Am Besten so, dass alle anderen davon gar nichts mitbekommen ;-)

    Ich lese ab und zu mal Artikel über Sprache, Gender, Feminismus und verstehe meist gar nicht, worum es gehen soll – irgendwie so akademisches Blabla.
    Als gleichberechtigter Mensch unter den vielen Menschen in meinem Leben kann ich damit rein gar nichts anfangen….

    1. Als gleichberechtigter Mensch unter den vielen Menschen in meinem Leben kann ich damit rein gar nichts anfangen…

      Meine Meinung viel verständlicher ausgedrückt, als ich es konnte.

  4. Ich bin in der Diskussion um Feminismus ja nun gar nicht so weit drin.
    Mir fallen nur immer gewisse Merkmale auf, wenn ich solchen Leuten „begegne“ (auf welche Art auch immer). Ich fasse das mal in einfachen Worten zusammen:
    Feminismus deutet schon als Wort darauf hin, worum es geht. Nicht um Gleichbehandlung.
    Vielleicht ist das das größte Mißverständnis. ;)

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