Verräterische Schuhe bitte pixeln

Die Meldung passt ins Bild, das sich mir immer mehr bietet: Das Münchner Boulevardblatt „tz“ muss einer Frau wegen schwerer Verletzung der Persönlichkeitsrechte 1200 Euro zahlen. Sie war bei einem Prozess anhand ihrer Schuhe erkannt worden. Die Redaktion hatte zwar das Gesicht der Frau wie in solchen Fällen üblich verpixelt, ihr Schuhe machten sie aber dennoch erkennbar. Auch Schuhe haben Persönlichkeitsrecht. Das habe ich gerade erst selbst erfahren.

Ich war gerade in Berlin. Am Ku’damm bin ich an einem Geschäft vorbeigekommen, das völlig abgefahrene Schuhe im Angebot hatte. So abgefahren, dass ich sie durch die Schaufensterscheibe fotografiert habe. Woraufhin eine junge Frau aus dem Geschäft gerannt kam und mich anfuhr: „Die dürfen Sie nicht fotografieren.“ Wie bitte? Warum nicht? „Ich arbeite hier, und der Geschäftsführer will das nicht.“ Antwort meinerseits: „Ich darf alles fotografieren, was ich von der Straße aus sehen kann.“ Die Dame zuckte schnippisch mit den Schultern und zog von dannen. Ich zeige die Schuhe hier – vorsichtshalber verpixelt.

Schuhe, vorsichtshalber verpixelt, man weiß ja nie.
Schuhe, vorsichtshalber verpixelt. Man weiß ja nie.

Das Erlebnis beweist mal wieder zweierlei. Erstens: Die Leute werden, was Fotoapparate und das Fotografieren betrifft, immer empfindlicher. Zweitens: Man kann – siehe oben – selbst bei Schuhen nicht vorsichtig genug sein. Was für Schuhe gilt, gilt übrigens auch für Frisuren. Ich habe vor 20 Jahren mal eine Geschichte über eine Prostituierte gemacht, die zwar bereit war, sich fotografieren zu lassen, aber bitte mit verdecktem Gesicht und verdeckten Haaren. Begründung: Die Frisur sei so auffällig, dass sie daran erkennbar sei. Stimmte sogar. Da das alles in den Zeiten vor der digitalen Fotobearbeitung war, haben wir in der Redaktion lange daran herumexperimentiert, wie das wohl zu bewerkstelligen sei. Eine runde Rasterfläche über Gesicht und Kopf gelegt wirkte wie ein Astronautenhelm. Ging gar nicht. Am Ende wurde es eine rechteckige Fläche, die leider im Druck viel dunkler kam als erwartet und schließlich aussah, als hätte die Frau einen Karton auf dem Kopf. Ziemlich misslungen. Die Geschichte ist aber trotzdem oft gelesen und heftig diskutiert worden.

Fazit: Bei Fotos kann man nicht vorsichtig genug sein. Und man muss sich – siehe der Schuhladen in Berlin – auch mal gerade machen. Je mehr sich Fotografen an Einschränkungen bieten lassen, desto verbreiteter wird der Widerstand gegen Fotos. Klar, dass dabei die Persönlichkeitsrechte etc. beachtet werden müssen. Aber bitte  nicht mehr Einschränkungen als nötig.

Welche Erfahrungen habt ihr mit missliebigen Fotos gemacht? Wer hat euch angeschnauzt, weil ihr etwas fotografiert habt, und wie seid ihr damit umgegangen?

 

6 Kommentare

  1. Du darfst sogar alles fotografieren*, egal wo du bist. Probleme bereitet ausschließlich die Veröffentlichung.

    *OK, im Kalten Krieg und heute noch in einigen Staaten mit nicht sehr freundlichen Regierungen gab und gibt es Einschränkungen aus militärisch-strategischer Perspektive; die guten alten Bahngleise und so, die älteren erinnern sich. Und natürlich darfst du nicht Gesetze brechen, die z.B das Privateigentum schützen – einfach auf ein Privatgrundstück latschen geht also nicht.

    1. Hallo Dierk,
      klar darf man alles fotografieren, was von öffentlichem Grund aus sichtbar ist. Aber das interessiert die Leute nicht, die reagieren schon allergisch auf Fotoapparate, ohne überhaupt zu fragen, ob das jemals veröffentlicht werden soll oder wofür man die Bilder macht. Und komischerweise erregen die überall gezückten Smartphones beim Fotografieren nicht diese Abneigung. Ich stelle immer öfter fest, dass die Leute auf richtige Kameras beinahe panisch reagieren.

  2. Mir fällt auch auf, daß die Leute neuerdings (subjektiv würde ich sagen: nach der Diskussion um Google Earth) wesentlich empfindlicher reagieren. Ich hatte schon diverse Diskussionen dazu, die leider idR kaum sachlich zu führen sind, weil die Leute dabei enorm emotional reagieren (einer kam mal gleich auf mich zu, pöbelte (mich unerwünscht duzend als wäre ich bei IKEA) „laß das!“ und ich dachte, daß der mir gleich eine auf die Nase gibt)…habe schon überlegt, ob ich mir mal paar Bookmarks zum Fotorecht im Handy abspeichere, um bei Bedarf direkt auf rechtliche Regelungen verweisen zu können.

    1. Hallo Malte, Leute die so reagieren, werden sich auch on Bookmarks zum Fotorecht nicht beruhigen lassen. Den Leuten geht es ums Prinzip, und offenbar ist es inzwischen fast schon Volkssport geworden, Fotografen anzupöbeln.
      LG, Susanne

  3. Jetzt haben wir fast zeitgleich über ein Thema geschrieben, wenn auch mit unterschiedlichen Blickwinkeln.

    Der VW-Konzern lässt seine Besucher der Autostadt Wolfsburg in eine gefährliche Urheberrechtsfalle stolpern. Ich setze mal einen Link auf meinen Beitrag: http://www.foto-dg.de/urheberrecht-irritation-der-autostadt-wolfsburg/ .

    Trotz Anfrage bzw. Hinweis an die Pressestelle im Februar, bis heute keine Reaktion.

    Lieben Gruß nach Lübeck

    Dieter

  4. Aufgrund meiner vorwiegenden Motivwahl in Sachen Natur habe ich das Problem nicht und wurde somit auch noch nie angesprochen.

    Oft ertappe ich mich aber, dass ich gerne etwas fotografieren würde, es aber im Endeffekt nicht mache, weil ich eben keine Lust auf Diskussionen habe.

    Vielleicht sollte ich mich der Situation einfach mal stellen. Bin ja nicht auf den Mund gefallen. Aber die Diskussion darüber ist mir einfach zu müßig.

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