Spagat beim Urheberrecht

Alle debattieren über das Urheberrecht. Sie hauen sich offene Briefe um die Ohren, legen Bekenntnisse ab, starten Unterschriftenaktionen. Ich schaue mir das alles aus der Ferne an und versuche, mir eine Meinung zu bilden. Ich bin selber Urheber, lege hier aber Wert auf die Feststellung, dass das ein Zustandsbeschreibung ist und kein Beitritt der Aktion „Wir sind Urheber“. Ich weiß nämlich trotz aller Diskussionen und Beiträge, die ich zu dem Thema gelesen habe, immer noch nicht, was ich meinen soll.

Die Urheberseite

Zugegeben, ich bin in einer sehr komfortablen Situation. Ich werde für meine geistige Arbeit von meinem Arbeitgeber sehr gut bezahlt. Die Zeitung, für die ich meine beruflichen Fähigkeiten und meine Kreativität einsetze, nimmt mir meine Werke regelmäßig ab. Oder ich liefere ihnen täglich zuverlässig, wofür sie mich bezahlen. Das kann man so oder so sehen. Jedenfalls bin ich kein armer Poet, sondern gut bestallte Journalistin. Das ermöglicht mir auch, hier so nebenbei ein Blog zu betreiben und dafür zu schreiben und meine Fotos zu zeigen. Das mache ich zu meiner eigenen Freude, nicht, um damit Geld zu verdienen. Dennoch fließt mein Herzblut in jeden Artikel hier.

Ich weiß aber, dass es auch die Musiker, Dichter, Autoren gibt, die darum kämpfen müssen, dass ihre Leistung ordentlich oder überhaupt bezahlt wird. Deshalb verstehe ich diejenigen, die darauf beharren, dass die Ergebnisse ihrer harten Arbeit nicht verschleudert werden. Die die Früchte eben dieser Arbeit selber ernten wollen.

Die Nutzerseite

Die andere Seite ist die ungeheure Vielfalt, die Möglichkeit, Inhalte zu teilen, weiterzugeben, eine Öffentlichkeit zu bekommen, die es vorher nicht gab, die uns das Netz bietet. Ich genieße es, Dr. Google zu jedem Problem zu befragen, das sich mir stellt. Denn dort finde ich so gut wie immer eine Antwort. Eine, für die andere recherchiert, geforscht, gelernt und geschrieben haben und die ich für lau aus dem Netz ziehen kann. Ich finde online lesenswerte Texte, kluge Gedanken, das Wissen der Welt – einfach alles, was ich brauche. Diese Möglichkeiten will ich behalten.

Ich schätze es außerdem, Dinge, die ich toll finde, mit anderen zu teilen. Sie weiterzugeben über Facebook oder Twitter oder wie auch immer. Drückte man früher einem anderen ein Buch in die Hand mit der Bemerkung „Das musst du unbedingt lesen, aber ich kriege es bitte wieder“, kann man heute Inhalte teilen, ohne sie aus der Hand geben zu müssen. Zugegeben, nicht gerade ganze Bücher, aber tolle Texte allemal. Und Bilder.

Ich stecke also in einem Zwiespalt. Bin einerseits Urheber, andererseits Nutzer oder – in den Augen radikaler Urheberrechts-Verfechter – ein Schnorrer oder Schlimmeres, der diese Fülle an Informationen für sich nutzt, ohne dafür direkt zu bezahlen. Ich liebe das Internet, dieses von vielen so verteufelte Medium, ich nutze es viel und gerne. Und ich weiß, dass ich ohne es dieses Blog nicht betreiben und kein Feierabend-Urheber sein könnte. Letztlich ist das Netz nur ein anderes Medium, auch wenn es uns gerade die hier beschriebenen Probleme schafft. Missen möchte ich es nicht mehr.

Verbrecher wider Willen

Hier im Blog teile ich diese Inhalte sogar. Im Allgemeinen durch Verlinken, was Traffic auf die Seiten der Urheber bringt. Aber immerhin. Insofern bin ich einer der „Verbrecher“, von denen istlokal.de schreibt. Der Artikel von Steffen Greschner – im Original erschienen auf der Seite Tegernseer Stimme – zeigt sehr eindrucksvoll auf, wie Privatleute und Vereine unwissentlich fast tagtäglich gegen das Recht verstoßen. Diese „Verbrecher“ sind mir wohl bekannt. Fast täglich erreichen unsere Redaktion Anfragen von Vereinen oder Privatpersonen, ob Zeitungsartikel auf Webseiten veröffentlicht werden dürfen. Der Verlag ist großzügig und erlaubt es eigentlich immer – mündlich. Das deckt sich mit der Beobachtung von Steffen Greschner, dass die wenigsten Vereine eine schriftliche Einverständniserklärung der jeweiligen Zeitung vorweisen können. Andere Webseitenbetreiber scannen Zeitungsartikel einfach ein und stellen sie auf ihre Seite. Letztlich eine Urheberrechtsverletzung.

Unverzichtbare Verwerter

Da setzt wieder mein oben beschriebener Zwiespalt ein. Auch ich würde als Sänger gerne die lobende Erwähnung meines Auftritts in der Tageszeitung auf meiner Homepage wiedergeben oder als Vereinsvorstand die große Geschichte über zum Beispiel einen zum Verein gehörenden Sieger in welcher Disziplin auch immer online herausstellen. Als Autorin habe ich grundsätzlich auch nichts dagegen, schließlich hängt – siehe oben – meine Bezahlung nicht davon ab. Aber andererseits – und da bin ich ganz egoistisch – möchte ich auch, dass es meinem Arbeitgeber weiterhin wirtschaftlich gut geht, damit mein Job sicher bleibt. Deshalb soll der Verlag seine mit meiner Hilfe erbrachte Leistung, nämlich Reportagen, Berichte, Glossen in der Zeitung – nicht online verschleudern. Nur wirtschaftliche gesunde Verwerter können auch in Zukunft die Werke der Urheber verwerten – die wenigsten von uns sind für die technische Umsetzung ihrer Werke zuständig und ausgebildet. Ich zum Beispiel schreibe Artikel auf einem Rechner, den mir der Verlag zur Verfügung stellt, der anschließend eine Zeitung daraus druckt und sie auf seine Kosten vertreibt.

Keine Antworten

Tja, da stehe ich armer Tropf und bin nun völlig verwirrt. Wie soll ein neues Urheberrecht aussehen? Wie lassen sich Abmahnungen vermeiden, Urheber und ihre Verwerter angemessen für ihre Leistung entlohnen und dennoch das schöne freie Internet erhalten? Das ist eine Quadratur des Kreises, deren Lösung in weiter Ferne liegt.

Mit persönlich gefällt die Idee einer erweiterten Geräte- oder Kulturabgabe sehr gut. Aber auch Kleinbeträge für das Nutzen von Inhalten im Netz sind eine passable Idee. Auf jeden Fall sollte auch in Zukunft zwischen gewerblichen – bitte nicht zu eng auslegen – und gemeinnützigen Nutzern, etwa Vereinen, unterschieden werden. Wie das gehen soll? Darüber müssen sich die Fachleute den Kopf zerbrechen. Ich maße mir nicht an, dazu etwas zu sagen, weil mir einfach das Wissen dafür fehlt. Ich möchte mir eigentlich gar nicht mehr darüber den Kopf zerbrechen müssen. Aber das dürfte ein Traum bleiben.

Eine großartige Polemik zum Urheberrecht und zur Zwiespältigkeit der Debatte hat Metronaut John F. Nebel geschrieben.

Auch Petra von Cronenburg hat eine sehr dezidierte Meinung zum Thema.Im Gegensatz zu mir hat sie als Autorin inzwischen auch die Möglichkeit, am Verwerter vorbei zu arbeiten – per E-Book.

Die neueste Entwicklung zum Leistungsschutzrecht beschreibt das Law-Blog.

2 Kommentare

  1. Hier noch ein paar nicht verarbeitete Ideen zur allgemeinen Verwirrung:

    – Wikipedia (Schmarotzertum)
    – Ohne mich kein Bericht über mich (Verwertungsrechte)
    – Teilen = Werbung oder: Wer teilt schon die ganze Zeitung?
    – Neue Finanzierungsmodelle?

    Hinrich7

  2. Lieber Hinrich,
    da hast Du Recht: Es gibt noch viel mehr Verwirrung beim Urheber- und sonstigen Recht im Netz. Das macht die Sache nicht einfacher. Deshalb auch meine Verwirrung. Ich weiß einfach noch nicht so recht, was ich meinen soll. Aber wo steht geschrieben, dass das Leben einfach sein soll?
    LG, Susanne

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