Keine Fotos: Hausverbot beim Großfeuer

Das habe ich in 30 Jahren als Fotoreporterin noch nicht erlebt: Bei einem Großbrand ist das Hausrecht angewendet und mir das weitere Fotografieren beziehungsweise der Aufenthalt am Brandort untersagt worden. „Keine Fotos mehr“ lautete die Ansage einer Frau, die sich später als Hausbesitzerin zu erkennen gab, und jeden weiteren Aufenthalt auf ihrem Grundstück untersagte. Alles Argumentieren half nichts, sie holte sich die Polizei zu Hilfe, die das Hausrecht durchsetzte. Bleibt für mich die Frage: Ist das Hausrecht ein Megarecht, das die Berichterstattung über ein öffentlich relevantes Thema immer und überall ausbremsen kann? Oder muss das Hausrecht in einem solchen Fall hinter dem Grundrecht der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung zurückstehen?

Das Szenario konnte öffentlicher nicht mehr sein. Beim Großbrand einer Scheune auf einem Bauernhof waren 150 Feuerwehrleute stundenlang im Einsatz. Über dem Brandort quoll eine schwarze Rauchwolke in den Himmel, die über zig Kilometer zu sehen war. Die Straße war gesperrt, die Feuerwehr mit etlichen Fahrzeugen angerückt, Flammen schlugen hoch in den Himmel, und auf der Straße war das ganze Dorf zusammengelaufen, um zuzusehen.

Wie in solchen Fällen üblich, nahm sich der Einsatzleiter und später der Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbandes der Pressevertreter an. Kollegen vom Fernsehen und von der Zeitung waren vor Ort, dokumentierten das Geschehen, fotografierten die Löscharbeiten. Der Einsatzleiter nahm die Pressevertreter mit ums Haus herum auf die Rückseite des großen Bauernhofes, wo etliche Einsatzkräfte darum kämpften, das Übergreifen der Flammen auf einen Schweinestall und das angebaute Wohnhaus zu verhindern.

Alle Fotografen kannten also die beiden Seiten des Hofes, an denen sich der Einsatz abspielte. Immer wieder wechselten sie von der Vorderseite zur Rückseite und zurück. Immerhin wurde noch ein 2000-Liter-Dieseltank gekühlt, und ein Bagger wartete bereits, um die Ruinen für weitere Löscharbeiten einzureißen. Und dann kam  irgendwann, als sich die Journalisten mal wieder auf den Weg rund ums Haus machten – immer durch den Garten – der Einwand der Hausbesitzerin. Nun sei es aber genug, es reiche mit dem Fotografieren, sie lasse das nicht mehr zu. Allein schon die Leute, die unten auf der Straße gafften, und dann auch noch die Pressefotografen. Wir hätten ja alle ein Bild, das sei genug.

Ich kann die Frau gut verstehen. Sie musste um ihr Wohnhaus, ihre gesamte Habe bangen. Sie stand extrem unter Stress. Eine Kollegin und ich haben ihr unser Mitgefühl ausgedrückt, aber gleichzeitig daran erinnert, dass wir unserer Arbeit nachgehen und einen Informationsanspruch erfüllen. Es nützte nichts. Wir mussten das Grundstück verlassen, der Rest des Feuerwehreinsatzes und des Großbrandes fand unter Ausschluss der Presse statt. Von der öffentlichen Straße aus zu fotografieren und zu beobachten, was vor sich geht, war in diesem Falle nicht möglich. Der Hof liegt versteckt hinter Wiesen und Büschen und Bäumen und ist von öffentlichem Grund nicht sichtbar.

Bleibt für die mich die Frage: Kann eine Berichterstattung über ein Ereignis von öffentlichem Interesse vom Hausrecht ausgebremst werden? Geht das Hausrecht in einem solchen Fall nicht während des Einsatzes an den Einsatzleiter über? Könnte sonst vielleicht mit den Mitteln des Hausrechtes der Einsatz der Feuerwehr mitgelenkt oder beeinflusst werden? Steht das Hausrecht in einem solchen Fall noch über den Anordnungen des Einsatzleiters? Fragen, über die ich bei ausführlicher Recherche im Netz nichts gefunden habe. Vielleicht weil der Fall so überaus selten ist.

Was sagt das Gesetz?

Die Rechtslage ist zunächst einmal eindeutig. Im Grundgesetz heißt es im Artikel 5:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Zu den in Absatz 2 genannten Vorschriften der allgemeinen Gesetze gehört auch das Persönlichkeitsrecht, das Recht am eigenen Bild und natürlich das Hausrecht. Heißt im Klartext: Die Pressefreiheit findet hier ihre Grenzen.

Immer? Vielleicht nicht. Im Leitfaden Presserecht des Deutschen Fachjournalistenverbandes heißt es:

Verfassungsrechtlich gewährte Pressefreiheit und ihre Grenzen
Die absolute Grundlage des Rechts für Journalisten ist die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit. Trotz dieser verfassungsrechtlichen Garantie gilt die Pressefreiheit aber nicht unbegrenzt – auch andere Güter und Interessen genießen verfassungsrechtlichen Schutz (z.B. Persönlichkeitsrechte), so daß das Recht zwischen diesen und der Pressefreiheit einen Ausgleich schaffen muß. Dies führt dazu, daß im Falle einer Kollision festgestellt werden muß, welches Rechtsgut im Einzelfall Vorrang genießt – die Pressefreiheit oder das andere Rechtsgut. Das erfordert Abwägungen, die auch den „normalen“ Gerichten nicht immer in verfassungskonformer Weise gelingt – für diesen Fall kann das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen werden.

Und weiter: So darf auch die Presse nicht ungerechtfertigt Hausfriedensbruch begehen oder den
persönlichen Lebens- und Geheimbereich verletzen.

Im Fall des Großbrandes ging es letztlich auch darum, in einen Lebensbereich einzubrechen. Im Mittelpunkt standen aber nicht die Art der Leute zu leben, sondern der Einsatz der Feuerwehr, der es mit erheblichem Einsatz gelang, das Wohnhaus vor den Flammen zu retten und so eine noch schlimmere Katastrophe für die Bewohner zu verhindern.

Was sagt der Polizeisprecher?

Der hängt das Hausrecht höher als das Recht auf Information der Öffentlichkeit. Die sei, argumentiert er, letztlich durch die Pressestelle gewährleistet, die mitteilte, was passiert ist. Dass sich Journalisten vor Ort selbst ein Bild machen, sei nicht vorgesehen, wenn die Hausrechtsinhaber das nicht wollen. Als Beispiel führte er eine Katastrophe auf einem Firmengelände an. Wolle die Firma keine Presse dort haben, habe die auch keinen Zutritt. Heißt im Umkehrschluss für mich: Selbst bei einem gigantischen Chemieunfall, nur um mal ein Beispiel zu nennen, wäre eine Berichterstattung nur insoweit zulässig, als sie von öffentlichem Grund und Boden aus zu leisten ist. Gesetzt den Fall, die Firma spricht ein Hausverbot aus, gäbe es keine Bilder vom Unfall.

Was sagt der Polizeiausbilder?

Ein ehemaliger Ausbilder unserer hiesigen Polizei hat eine ganz klare Einschätzung der Lage: „Bei einem Brandeinsatz hat automatisch der Einsatzleiter das Hausrecht. Der kann, wenn nötig, sogar die Eigentümer des Grundstückes verweisen. Auch die Polizei hat überhaupt nichts zu sagen.“ Dem Kollegen vor Ort, der der Presse Hausverbot erteilte, empfiehlt dieser Fachmann, sich mal genau kundig zu machen.

Was sagt der Wehrführer?

Ein Wehrführer meines Vertrauens – keiner, der verantwortlich an dem besagten Einsatz beteiligt war – erklärt, im Fall eines Brandes habe er als Einsatzleiter das Hausrecht. Das gehe so weit, dass er dem Bewohner verbieten könne, sein Haus oder Grundstück zu betreten. „Erst nach Ende des Einsatzes gebe ich das Hausrecht an den Besitzer zurück“, so mein Wehrführer-Kronzeuge.

Was sagen das Presserecht?

Wie groß ist also das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und steht es über dem Hausrecht? Das Upload-Magazin hat Basiswissen im Presserecht veröffentlicht und über journalistische Privilegien wie den Zugang zu Tatorten berichtet.

Der Journalist hat (soweit die Kapazitäten reichen) Zugangsrechte zu staatlichen Veranstaltungen wie Plenarsitzungen, Gerichtsverhandlungen, Pressebällen o.ä. Dabei muss er (falls gegeben) Eintrittsgelder zahlen, sich an die Hausordnung halten und muss auf Verlangen seinen Presseausweis vorzeigen. Dies gilt auch für polizeiliche Tatorte, wenn er sich ausweist und keine Behinderung der Ermittlungen darstellt.

Ist ein Brandort ein Tatort? Für die Polizei schon, denn sie muss ermitteln, wie es zu dem Brand kam. Stellt sich heraus, dass eine technische Ursache das Feuer auslöste, wird der Brandort zum Unglücksort. War Brandstiftung im Spiel, bleibt es ein Tatort. Kann der Zugang zu einem Tatort der Presse durch das Hausrecht verwehrt werden?

Viele Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Fragen, über die ich mir bisher nie Gedanken gemacht habe, nie machen musste. Was sich dort auf dem Hof mitten zwischen Löschwasser-Sturzbächen, Schläuchen und schwitzenden Feuerwehrmännern abgespielt hat, ist aber symptomatisch für unsere Zeit. Die immer größere Empfindlichkeit gegenüber Fotos und Fotografen – und wie sehr sie die Fotografen selbst beschäftigt. Darüber habe ich hier und hier und hier bereits berichtet. Dass es mich mal an einem Brandort beschäftigten würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.

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19 Kommentare

  1. Hallo. Nur zur Info: Der Feuerwehr-Einsatzleiter hat kein so genanntes „Hausrecht“, er darf lediglich einige Rechte Dritter einschränken. Lernt man eigentlich als Führungskraft…

  2. Ich muss Christian hier beipflichten. Keine Ahnung, was den Wehrführer und den Ausbilder, die du da befragt hast, geritten hat, aber deren Aussagen kann man so nicht stehen lassen, da sie zu stark vereinfacht sind.

    Richtig ist, dass die Einsatzkräfte vor Ort weitreichende Befugnisse haben, die auch das Hausrecht einschränken KÖNNEN, sofern es zur (unmittelbaren) Gefahrenabwehr notwendig ist. Insofern kann man dem Hausbesitzer z.B. selbstverständlich untersagen, wieder ins Haus zurückzukehren, wenn es noch zu gefährlich ist. Oder man kann auch dessen Eigentum nutzen, indem man bspw. einen Schrank oder eine Tür zerstört, wenn dies der effizienteste und sicherste Weg sein sollte, weiteren Schaden für das übrige Eigentum des Hausbesitzers oder gar der Nachbarn abzuwenden.

    Doch beruhen diese möglichen Eingriffe nicht darauf, dass irgendein Leiter ein Hausrecht besitzt, sondern lediglich darauf, dass dieser das Hausrecht, welches stets beim Hausbesitzer bleibt, in Grenzen einschränken (und somit quasi de facto selbst ausüben) kann… aber eben -wie eingangs erwähnt- nur zur Gefahrenabwehr. Was die Recht an Fotos angeht, dürfte ein solches Einschränkungsrecht regelmäßig ausscheiden, denn warum sollte es der Gefahrenabwehr dienen, wenn man Journalisten erlaubt, Fotos zu schießen? Davon brennt die Hütte schließlich nicht langsamer ab, um es mal salopp auszudrücken.

    Im Weiteren stimme ich dem Pressesprecher der Polizei zu, dass zwar natürlich ein Öffentliches Interesse am Brand gegeben ist. Diesem Interesse wird jedoch schon dadurch Rechnung getragen, dass eine entsprechende Pressemitteilung an die Presse geht. Darüber hinaus gehende Rechte für weitere Interviews oder Fotos sind stets ein freiwilliges Entgegenkommen, welches die Presse nicht automatisch für sich einfordern kann. Mir als „Öffentlichkeit“ muss es theoretisch reichen, wenn ich erfahre, dass die Feuerwehr da gestern so laut gefahren ist, weil in Straße X Haus Y gebrannt hat. Genauere Infos und Fotos mögen „schön“ sein, um sich ein genaueres Bild machen zu können, wirklich notwendig sind sie jedoch nicht, um mein Öffentliches Interesse zu befriedigen.

    Insofern ist die Güterabwägung, die immer dort vorzunehmen ist, wo mehrere Grundrechte aufeinander prallen, vorliegend meiner Ansicht nach völlig korrekt durchgeführt worden. Die Presse weiß alles, was nötig ist, um das Interesse der Öffentlichkeit in ausreichendem Maße zu befriedigen und die übrigen Rechte des Hausbesitzers bleiben gewahrt, da er kein freiwilliges, tiefer greifendes Entgegenkommen gegenüber der Presse wünscht.

    Das mag für Pressevertreter in diesem speziellen Fall zwar ärgerlich sein, aber sind wir mal ehrlich: es handelt sich hier ja auch um einen ziemlichen Sonderfall. Ich würde vermuten, dass in mehr als 90% aller Brandfälle auch von öffentlichem Gebiet aus Fotos gemacht werden können. Dass es hier mal nicht der Fall war, dürfte die große Ausnahme gewesen sein.

    Um abschließend noch auf das Beispiel mit der Industrie einzugehen: auch dort müsste dann selbstverständlich gleich verfahren werden… und wird es ja auch. Ich kann mich zumindest nur selten an Fotos von Bränden auf großen Firmengeländen erinnern, wo Fotos „aus der ersten Reihe“ geschossen wurden. Da wird doch dann meist auch nur von der Straße aus fotografiert, oder mit Luftaufnahmen aus dem öffentlichen Luftraum gearbeitet. Ein Entgegenkommen großer Firmen dürfte da in der Regel nur dann vorhanden sein, wenn die Firmen Angst vor einem Imageschaden haben, weil es heißen könnte, dass sie etwas vertuschen wollten, wenn die Presse keine Fotos machen darf. Vor solchen Verdächtigungen wiederum muss ein privater Hausbesitzer wohl weniger Sorge haben, wenn er Fotos auf seinem Grundstück verbietet.

  3. Hallo Sascha,
    vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Du hast natürlich Recht, was den Sonderfall betrifft. In 90 Prozent aller Fälle sind Brandstellen von öffentlichem Grund aus sichtbar. Aber es gibt gerade auf dem Land immer wieder Einsatzorte, wo das eben nicht möglich ist. In 99 Prozent aller Fälle hat zum Glück niemand etwas dagegen, dass auch von privatem Grund Fotos gemacht werden. Deshalb war der Fall für mich auch so ungewöhnlich und neu.
    Abgesehen von allem Rechtlichen: Bei solchen Großeinsätzen geht es ja nicht nur darum, die Öffentlichkeit zu informieren, was umfassend nur aus eigenem Erleben der Reporter möglich ist. Dass wir Journalisten daran ein großes Interesse haben, dürfte jeder nachvollziehen können. Aber auch die Feuerwehr hat ja ein Interesse daran, dass ihre Einsätze und ihre Leistungen dokumentiert werden. Dass das Hausrecht ein hohes Gut ist und über allem steht, ist ebenfalls richtig und gut so. Deshalb hoffe ich mal für die Zukunft, dass ich einen solchen Fall so schnell nicht wieder erleben muss.

    1. Ihre Einsätze dokumentieren die Hilfsorganisationen selbst, da gehört nämlich viel mehr und viel anderes dazu als ein Katastrophensknipser je mitbekommen und fotografieren würde! Und ihre Öffentlichkeitsarbeit machen diese auch lieber selbst, da wird das nämlich von Leuten mit Sachverstand durchgeführt, und nicht von „Fachjournalisten für Alles“ oder „Bordsteinkommandanten“, dann waren nämlich z.B. Drehleitern vor Ort, und keine Leiterwagen, Gebäudeteile wurden aufgegeben und sind nicht abgebrannt, und lebende Personen werden zu 99% gerettet und nicht geborgen!

      1. Jan,
        Sie können mir glauben, nach 25 Jahren als Blaulicht- und Polizeireporterin kenne ich den Unterschied zwischen Leiterwagen und Drehleiter und gerettet und geborgen. Wir Journalisten nehmen unseren Job ernst und sind weder „Fachjournalisten für alles“ noch Bordsteinkommentatoren.
        Was die Einsatzdokumentation angeht, so können und machen das die Wehren tatsächlich selbst. Allerdings greifen viele von ihnen dabei gerne auf unsere Fotos zurück. Und was die Öffentlichkeitsarbeit angeht: Das ist mehr als das, was die Feuerwehren machen. So erfolgreich kann sie auch gar nicht sein. Das zeigt schon, wie schwierig es ist, genug Nachwuchs zu bekommen und so manchem Kommunalparlament zu verdeutlichen, was die Feuerwehr braucht oder warum sie was an Ausstattung benötigt.

  4. Hallo Susanne,
    sie schreiben doch, sie konnten den Einsatz (von aussen ) fotografieren.
    Ich verstehe nicht welche öffentliche Interesse bestehen sol in die intiemsten Bereich der Geschädigten einzudringen.
    Ist es Schadenfreude (der Leser)?
    Ist es (eigene) Lust am Leid anderer?
    Ist es Geldgier?
    Hoffentlich sind Sie, wenn Sei eine Schaden erleiden (was ich Ihnen nicht wünsche), bereit diesen freiwillig mit der Welt zu teilen.
    Hoffentlich sind Sie dann auch bereit zusätzlichen Schaden zu erleiden, weil die Einsatzkräfte auf Sie Rücksicht nehmen müssen.
    Die Pressefreiheit ist wichtig , aber leider kennen wohl nicht alle die Grenzen.
    Ein von der Sensationsgier einiger Pressevertreter enttäuschter Bürger.

    1. Hallo Helmut,
      in diesem Fall war der Einsatz eben noch von außen sichtbar. Das hatte ich oben auch geschrieben. Was uns treibt, ist nicht Sensationsgier oder ähnliches, sondern das öffentliche Interesse an solchen Einsätzen und nicht zuletzt auch die Verpflichtung unserem Arbeitgeber gebenüber. Erfahrene Polizeireporter wie ich nehmen natürlich auf die Gefühle der betroffenen Rücksicht. Und wir wissen, wie wir uns am Brandort zu verhalten haben. Niemand von den Rettungskräften muss auf uns Rücksicht nehmen und kann deshalb seine eigentlichen Aufgaben nicht wahrnehmen. Wirklich nicht.

  5. Pressearbeit oder Einsatzstellendokumentation ?
    Sie dürfen und sollen über Einsätze berichten, wie oben geschrieben wurde das hier mehrfach und über einen längeren Zeitraum ermöglicht.
    Es wäre mir neu das im Presserecht eine „Minuten genaue Einsatzdokumentation“ gefordert oder verlangt wird.

  6. Liebe Kommentatoren, ich möchte Eure Kommentare gerne ausführlich beantworten, bin aber gerade im Urlaub und kann nur auf dem Handy herumtippen. Sobald ich zurück bin, gehe ich auf alle Argumente ein.

  7. Das ist ja schonmal eine gute Nachricht: Wer sonst wo im Urlaub ist, kann hier nicht bei von Unglücken/Bränden Betroffenen in der Wohnküche rumstakseln und das vorgeschobene „öffentliche Interesse“ befriedigen wollen, um sich dann *hinterher* erstmals grundlegende Gedanken um den ethischen und rechtlichen Hintergrund des eigenen Jobs zu machen. Obwohl: Mit Chance gibt’s ja irgendwo unterwegs auch nen *schönen* Crash ….. Kann dann das All-Inclusive-Arrangement als Geschäftsreise abgesetzt werden, wenn irgendwer das Handy-Bild kauft? Mei, mei, mei ……

    1. Journalisten sind keine Gaffer, wir machen einen Job, und das mit Verantwortungsbewusstsein. Ich verwahre mich dagegen, hier als Handyknipser abqualifiziert zu werden, der hinterher irgendwelche Bilder verkaufen will.

  8. Ich seh das mal entspannt. In dem geschilderten Fall hatten die Journalisten ja bereits Fotos machen können. Da verstehe ich dann die Aufregung nicht mehr. Wenn noch keine Fotos vorhanden wären, könnte man ja drüber nachdenken, aber so? Also lieber ab in die Redaktion und den Artikel schreiben.

  9. Warum kann man nicht den Wunsch der Dame respektieren?? Wenn man durch den Einsatzleiter bzw dessen Presesprecher mehrfach die Möglichkeit hatte das Brandobjekt aus verschiedenen Perpektiven zu begehen und diverse Fotos zu machen, dann sollte dem Informationsbedürfnis doch genüge getan sein. Und mal ehrlich, den Leser interessiert doch eh mehr das spektakuläre Bild aus einer frühen Einsatzphase als das „langweilige“ Bild beim nachlöschen und aufräumen. Also, die Gunst der Stunde nutzen und mit dem Pressesprecher das Gebäude zu umrunden und fotografieren und wenn es der Wunsch der Besitzerin ist, diesen zu respektieren und die Arbeit einstellen.

    1. Ja, das geht, und das haben wir auch gemacht. Aber es gibt ein paar Argumente, die dagegen sprechen, am Anfang eines Großfeuers Fotos zu machen und es dann sein zu lassen. Erstens entwickelt sich die Lage weiter, zweitens ist es heute mit einem Bild nicht mehr getan. Es müssen Fotostrecken für online und sogar Videos gemacht werden, die Zeiten haben sich auch im Journalismus geändert. Die Klickzahlen sind nach solchen Großeinsätzen enorm hoch und bestätigten das Interesse an Bildern – Mehrzahl – und nicht nur an einem Momenteindruck.

      1. “ Es müssen Fotostrecken für online und sogar Videos gemacht werden, die Zeiten haben sich auch im Journalismus geändert. Die Klickzahlen sind nach solchen Großeinsätzen enorm hoch und bestätigten das Interesse an Bildern – Mehrzahl – und nicht nur an einem Momenteindruck.“

        Danke !

  10. Nicht ganz zufällig bin ich heute auf diese Seite gestoßen: Ich habe aus gegebenem Anlass mal wieder zu dem Thema gegoogelt. Im Blaulichtsektor bin ich mit Pausen seit 30 Jahren unterwegs, seit 6 Jahren sehr intensiv für diverse Lokalzeitungen, Foto- und Fernsehagenturen. Kurzum: Ich komme häufiger in die Lage, mein Presserecht durchsetzen zu wollen. Meiner Erfahrung nach ist es aber nicht durchzusetzen, das ist aber in diesem Kontext nicht so schlimm, wie es sich anhört.

    Heute war ich am Tatort eines Tötungsdeliktes. Von der Straße aus hätte ich 100% legal alle notwendigen Bilder machen können. Von dem Geschehen an dem Einfamilienhaus war aber lediglich noch das Polizeisiegel an der Haustür zu sehen. Die Familie von Täter wie Opfer (es ging um die Folgen häuslicher Gewalt) war vor Ort bzw. wohnte selbst in dem Haus. Ich hatte mit einer Gemengelage zu tun: Einem väterlichen Freund der Familie, der angeblich studierter Journalist war und die Panoramafreiheit nicht kannte. Eine Pressesprecherin der Polizei am Handy, die zur geltenden Gesetzeslage offenbar null Plan hatte. Darüber hinaus die Söhne von Täter wie Opfer, die durchaus verständlicherweise keinen Bock auf Presse hatten. Und obendrein berufliche Nachteile fürchteten, was auch in keinem Verhältnis zu einem lausigen Bild stand. Ich habe aufgegeben.

    Fall 2: Erstaunlich ähnlicher Kontext, hier ging es aber darum, lediglich symbolhafte Bilder von der Arbeit der Kriminaltechniker zu machen. Auch die Kripo kannte ganz offenbar die Presserechte nicht und wollte auch nicht mit mir reden. Stattdessen rief mich der Pressesprecher der Kreispolizei auf dem Handy an und brüllte mich an, ich hätte wohl nicht verstanden, dass der Fall nix für die Presse sei und ich meine offenbar aus Geldnot betriebene Arbeit einstellen. Überhaupt herrschte bis zu einem Wechsel in der Pressestelle die Erwartungshaltung, die Presse hätte gefälligst auf ihre Rechte zu verzichten, wenn die Polizei sie darum freundlich und ohne jedwede Gegenleistung bittet. Meine Arbeit habe ich mit Ergebnis auf niedrigstem Level beendet.

    Fall 3: Brand in Schreinerei, Gelände von außen im Rahmen der Panoramafreiheit nicht einsehbar. Tja, Pech gehabt. Da gilt Hausrecht, und damit müssen wir leben. Da ist halt Kreativität gefragt, irgendein Motiv findet sich immer.

    Fall 4: Immer wieder in verschiedenen Variationen: Bei Großlagen wird die Jugendfeuerwehr an die Absperrung gestellt, Einsatzleitung nicht per Funk erreichbar. Und der Reporter steht wie Pik-Sieben an der Absperrung und soll stundenlang warten.

    Fall 5: Neulich bei einem Verkehrsunfall sogar solange, bis der Einsatzleiter schon über alle Berge war und es sogar der Polizei langsam zu blöd war. Allerdings war es ein wirklich schlimmer Unfall und insofern die Haltung zumindest verständlich.

    Ich habe schon alles erlebt: Von der Polizei regelmäßig nach Strich und Faden verarscht, und das völlig unnötigerweise. Auf dem Dorf nach Tierrettung fast verprügelt. Wenn ich mich auf irgendwas nie verlassen konnte: Auf Kenntnis der Rechtslage und die Motivation der Polizei, mich zu unterstützen. Ausnahmen gibts aber auch.

    Für die Zeitungsarbeit ist das alles nicht so schlimm. Ich habe hier seltenst weniger Bilder verkauft. Viel schlimmer ist für mich, für die TV-Berichterstattung ewig und vor allem ständig erfolglos Interviews und O-Tönen hinterherzurennen. Hier ist tatsächlich das Ergebnis der Arbeit ständig gefährdet, weil viele Sender Material nur übernehmen, wenn es offizielle Aussagen im O-Ton gibt. Aus Faulheit, aber m.E. auch manchesmal aus Kalkül, darf man am ausgestreckten Arm verhungern.

  11. Moin Markus, vielen Dank für die ausführliche Schilderung Deiner Erfahrungen. Das hätte von mir sein können, ich bin mittlerweile über 30 Jahre im Blaulicht-Milieu unterwegs. Und es wird und wird nicht besser. Zwar bemühen sich die mir bekannten Polizeipressestellen redlich, ihren Kollegen auf der Straße Presserecht beizubringen, aber es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Standardsatz meines Polizeisprechers der Herzen zu/über seine Kollegen: „Wir sind nicht die Moralpolizei.“ Leider habe ich den Eindruck, dass es damit eher schlimmer als besser wird. Angriffe auf mich an Unglücks- und Tatorten habe ich auch schon von Rettungsdienstlern gehört. Anders ist es nur bei den Freiwilligen Feuerwehren, die sich bei ihrer Pressearbeit mittlerweile immer professioneller aufstellen. Andererseits fluten sie die Redaktionen auch mit eigenen Bildern, was gerade für die freien Kollegen ein Problem ist.

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