Deutsch mit Profi’l

Mir sind letztens alte Zeitschriften-Seiten in die Hände gefallen. Ich hatte sie Ende der 70er-, Anfang der 80-er Jahre aufgehoben, weil mir die Fotostrecken und die Texte darauf so gut gefielen (demnächst hier mehr davon). Was mir beim Lesen angenehm aufgefallen ist: Seitenweise wiesen diese Artikel nicht ein einziges Sprachmätzchen auf – keine Binnen-Majuskeln, keine Deppen-Leerzeichen und keine seltsamen Apostroph-Varianten. Wann nur hat die Unsitte, ganz normale Wörter so zu verhunzen, begonnen?

Der Kampf scheint aussichtslos zu sein: Die drei genannten Sprachmätzchen – besser: Schreibmätzchen, denn sie werden ja nicht gesprochen – breiten sich offenbar unaufhaltsam aus. Die Argumente dafür sind immer die selben. Das seien Eigennamen, die oder der schreibe sich nun mal so, das müsse man akzeptieren. Oder es ist einfach ein Laisser-faire, was Schreiber dazu verleitet, diese schrecklichen Wortkonstruktionen kritiklos zu übernehmen.

Aufgekommen sind sie vor allem durch Übernahmen aus dem Amerikanischen – Champions League. Germany’s next Topmodel modelt mit Glück bei der New York Fashion Week. Und so etwas wurde hierzulande fröhlich drauflos kopiert. Man denke nur an den inzwischen längst wieder geschiedenen Autokonzern DaimlerChrysler, an das Mövenpick Hotel oder an die vielen Christel’s Imbisse oder Peter’s Blumenladen. Gänzlich kraus wird so etwas, wenn ein Name, der eigentlich mit dem Buchstaben s endet, plötzlich hinten ein Apostroph hat. Selbst gesehen: aus Evers wird Ever’s. Oh je! Mein Lieblingsbeispiel aber ist das oben gezeigte: Ist Reifenprofi’l nun besonders witzig oder besonders blöd? Ich weiß es nicht.

Tagtäglich lese ich Wörter mit Binnenmajuskeln. Da ist die AktivRegion Schwentine-Holsteinische Schweiz, der LandFrauenVerein kündigt den KreisLandfrauenTag, sorry, den KreisLandFrauentag an. Ganz kraus sind die Majuskeln beim Verein StievKindeR (steht für Stiftung für die Evangelische Kinder- und Jugendarbeit) gesetzt.

Leute, lasst die Majuskeln da, wo sie hingehören – an den Wortanfang – und verbannt das depperte Apostroph und das Binnenleerzeichen dahin, wo sie hingehören: ins Amerikanische. Aber ich fürchte, die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen zu den 70ern und 80ern, als es noch ganze Illustrierte, Zeitungen und Werbebroschüren ohne eine einzige Binnenmajuskel und ein einziges Deppenleerzeichen gab.

Mit meiner Klage stehe ich nicht alleine da.

Deppenlehrzeichen.de ist eine Webseite, die Beispiele für Binnenleerzeichen sammelt.

Über Form und Funktion des Apostrophs (Hochkomma) schreibt die Lektorin Marion Krümmel in ihrem Blog.

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5 Kommentare

  1. Jihaaa!

    Ich rege mich jede Woche aufs Neue auf über eine kleine Anzeige in unserem „Blättle“:

    „Kaufe Fotohandy’s und Laptops“.

    Eine echte Unsitte, das finde ich auch. Und das Schlimme ist: Seit ich Bastian Sick gelesen habe, fällt es mir nur NOCH mehr auf…

    1. Tja, leider wird unterschreiben nichts nützen. Ich fürchte, diese nervige Entwicklung können wir nicht zurückdrehen. Es bleibt nichts anderes, als selbst ordentliches Deutsch zu schreiben und zu hoffen, dass es sich nach und nach wieder durchsetzt.
      LG Susanne

  2. Manchmal machen diese ‚Sprachmätzchen‘ Sinn. Dieser Sinn mag uns nicht gefallen, und ich gebe zu, dass vermutlich 98% der Anwendungen geistlos und gedankenlos sind. Wie mit allem anderen auch. In einigen Fällen sieht man den guten Gedanken hinter der schlechten Ausführung, wie z.B. im Anreißerbild: Offenbar wird hier ein Wortspiel versucht, dass Technik [Profil von Reifen], Persönlichkeit [profilierter Mensch] und Ethos [Profi] zusammenbringt. Die gewählte Form der Markierung ist nur denkbar ungeeignet, ebenso wie die Schrift.*

    Sprache und Schrift werden von zu Vielen zu wenig spielerisch gesehen. Wenn zur Verdeutlichung einer Aussage die traditionellen Marker nicht ausreichen – und das hängt immer vom Zusammenhang ab, auch von der Zeit, die verwandt werden darf -, warum nicht neue Marker einführen?

    So wie Kommata, Punkte, Ausrufezeichen, Fragezeichen, Gedankenstriche, Ellipsen … na ja, und so weiter, im sprachlichen Austausch stattfinden, so werden auch die neuen Marker sehr wohl angewandt und registriert. Natürlich nicht nur verbal – wer außer dem diktierenden Chef im TV-Filmchen sagt schon ‚Sehr geehrte Damen und Herren Komma‘ -, sondern auch non-verbal. Gestik, Mimik, Satzmelodie, Wortmelodie, Atemrhythmus, das alles sind unsere sprachlichen Mittel, Schriftelemente auszudrücken.

    *Ich vermute, da wurde zu schnell die Idee gut gefunden, ohne länger drüber nachzudenken und zu prüfen, wie sie zu einem tragfähigen Konzept zu machen sei.

  3. Lieber Dierk,
    vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Du hast insofern Recht, als dass Sprache und Schreibweisen durchaus lebendig sein sollen und dürfen. Spielerisch heißt für mich aber nicht, einfach etwas aus anderen Sprachräumen zu übernehmen, was nachweislich falsch ist. Abgesehen davon, dass gerade die Binnenmajuskeln mir beim Lesen immer das Gehirn verknoten. Solche Großbuchstaben innerhalb eines Wortes bringen das Verständnis eines Textes immer in ungewollt in Habachtstellung, genauso übrigens wie im Übermaß gesetzt Ausrufezeichen und überbordende Ironie-Gänsefüßchen. Wie sehr unsere Schriftsprache sich inzwischen für mich zum Schlechteren verändert hat, habe ich erst richtig beim Lesen der alten Zeitschriftenseiten gesehen. Und es hat mich auch erschreckt, weil es zeigt, wie sehr wir uns schon an all die Schreibmätzchen gewöhnt haben.

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